Nur der Dieb beweist Moral

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Die Gruppe Kompassion (von links): Diala Dathe als resolute Ehefrau des Diebs, Christopher Walther als "ehrlicher" Dieb, Julia Müller als Ehefrau des Hausherrn, Stefan Jäger als Hausherr und Berufspolitiker, Jörg Hilsdorf als Ehemann der Geliebten und Geliebter der Ehefrau sowie Carolin Gutmann als Geliebte des Hausherrn Fotos: Thomas Dill
Die Gruppe Kompassion (von links): Diala Dathe als resolute Ehefrau des Diebs, Christopher Walther als "ehrlicher" Dieb, Julia Müller als Ehefrau des Hausherrn, Stefan Jäger als Hausherr und Berufspolitiker, Jörg Hilsdorf als Ehemann der Geliebten und Geliebter der Ehefrau sowie Carolin Gutmann als Geliebte des Hausherrn Fotos: Thomas Dill
 
 
 
 
 
 

Die Theatergruppe Kompassion besticht mit einem rasant gespielten Stück, das aus dem Leben gegriffen ist.

Turbulent, verwirrend, komisch, possenhaft, nachdenklich ... Die Umschreibungen für das jüngste Theaterstück der Gruppe Kompassion - "Der Dieb, der nicht zu Schaden kam" des italienischen Theaterautors, Regisseurs und Nobelpreisträgers Dario Fo - können nicht vielfältiger sein als die Wirrungen und Verwechslungen der Handlung.
"Schon wieder diese Italiener", sagte "Theaterintendant" Dirk Hönerlage augenzwinkernd und nachdenklich bei der Begrüßung der weit über 120 Theaterbesucher, und fügte an: "Wir haben in den letzten sechs Jahren schon auf verschiedenen Kleinkunstbühnen gespielt, zuletzt im Gasthaus Herdt. Jetzt sind wir zurück an den eigenen Herd, der Goldes wert ist, gegangen, um Kleinkunst nicht auf der Bühne, sondern mittendrin zu spielen."
Hönerlage knüpft - wie immer in seinen Einleitungen - den Bogen von der Theaterhandlung hin zum aktuellen Zeitgeschehen, was mit den Stücken von
Fo leicht zu bewerkstelligen ist. In diesem Fall der Lug und Trug der aktuellen Politik, speziell im Italien Berlusconis, den er als unfreiwilligen Berufskomiker bezeichnet.
Getreu der Fo'schen Intention, dass ein zentraler Platz keine Mauschelecken hat, wurde die Bühne quer durch die Aula des Franz-Miltenberger-Gymnasiums gelegt, mit langem Steg und Nebenbühnen. Auch das Bühnenbild nebst mächtiger Standuhr ist sparsam und durchsichtig.

Die Handlung

In der Verwechslungskomödie, die sich fast selbst schon parodiert und mehr possenhafte Stücke an sich hat, geht es um einen Dieb, der in ein Haus der gehobenen Klasse einbricht. Seine Frau telefoniert ihm hinterher und stört dadurch bei der redlichen Arbeit. Der Hausherr kommt vorzeitig nach Hause, mit seiner Affäre, die er zu verbergen hat. Der heimliche siebte Darsteller des Stücks, das Telefon, baut durch seine Anrufe die Missverständnisse immer weiter auf.
Als der Hausherr sich mit seiner Geliebten treffen will, kommen die jeweiligen Gatten noch dazu, Ehefrau des Hausherren samt Geliebten, der wiederum Ehemann der Geliebten des Hausherrn ist, die Frau des Diebes, das Schlamassel ist perfekt. Damit alle ihren Schein waren, decken sie gegenseitig ihre ureigenen Interpretationen der Wirklichkeit, sie wird zur allgemeinen Wahrheit.
Einzig der Dieb versucht, bei der Wirklichkeit zu bleiben, er beweist Moral. Er steht dabei für den kleinen Mann, der für ein paar falsch eingelöste Flaschenbons vor Gericht wandert, während die Bonzen ihre üppigen Abfindungen und Gehälter für moralisch sauber halten.
Wie wir normalen Bürger, erhält auch der Dieb von den anderen Akteuren auf seine kritische Nachfrage nur die augenzwinkernde, aber lapidare Antwort "Alles nur ein Missverständnis". Die Doppelmoral unserer Wertegesellschaft kann nicht lustvoller dargestellt werden, als in diesem rasant gespielten Stück.

Die Darsteller

Stefan Jäger, 35 Jahre alt und promovierter Rechtsanwalt in Karlsruhe. Er ist als Abi-turient des Jahrgangs 1995 dienstältester Mitspieler. Er mimte den oberflächlich souverän wirkenden Hausherren und Berufspolitiker gerade so, als ob er aus dem wahren Leben erzählt.

Jörg Hilsdorf aus Geroda, den Ehemann der Geliebten mimend, machte 2002 sein Abitur in Bad Brückenau und ist nun als studierter BWLer im Vertrieb tätig. "Ich habe als Fünftklässler noch mit Stefan gespielt, als er in der 13. Klasse war, mit mir wiederum hat noch Christopher gespielt, so dass durch unsere Gruppe ein gemeinsamer roter Faden läuft."

Diala Dathe ist auch Abijahrgang 2002. Die diplomierte Biologin ist mittlerweile im Referendariat als Gymnasiallehrerin für Bio und Chemie in Würzburg. "Auch wenn die wenigen Probentage stressig waren, hat es unheimlich Spaß gemacht, da wir uns alle blind verstehen." Entsprechend kamen dann auch ihre Telefonate mit dem diebischen Ehemann quer über das Publikum hinweg bei diesem treffend an.

Christopher Walther ist der einzige Profi in der Truppe. Nach seinem Abi 2006 studierte er in Berlin Schauspiel. Er ist in der Hauptstadt als Schauspieler aktiv. Die Rolle des "ehrlichen" Diebs war ihm auf den Leib geschneidert.

Julia Müller, die 2008 ihr Abitur machte und nun soziale Arbeit in Freiburg studiert, war Kontrapunkt zum Hausherren: ein grell überzeichnete Politikergattin, die nur auf den Schein bedacht ist.

Carolin Gutmann aus Wildflecken, die 2007 Bad Brückenau mit dem Abitur verließ, war erstmals mit dabei. Sie spielte die Geliebte des Hausherrn. Ihr Augenaufschlag und die Mimik ließen erahnen, dass sie das politische Metier und seine Fallstricke gut kennt, macht sie doch gerade nach zahlreichen Auslandssemestern ihren Master in Politikwissenschaften. "Es hat super Spaß gemacht, und wenn ich darf, spiele ich weiterhin in der Truppe mit."