Die Wahlbeteiligung war mit 71 Prozent sehr hoch, die Entscheidung eindeutig: Mehr als die Hälfte der abstimmenden Nüdlinger und Haarder entschied gegen eine Entlastungsstraße. Interessant, wie unterschiedlich das Wahlverhalten in den drei Stimmbezirken ausfiel.
Mit "Ja", also gegen die Pläne des Staatlichen Bauamts Schweinfurts zu einer Umgehungsstraße in Nüdlingen, stimmten 55,07 Prozent. Mit "Nein", also damit für eine Entlastungsstraße, stimmten nur 44,93 Prozent. Bemerkenswert: Diese Verteilung kommt fast derjenigen gleich, die eine Bürgerbefragung Mitte September 2019 ergab. Damals stimmten 55,3 Prozent der Befragten gegen die Umgehungsstraße, 44,7 Prozent waren dafür.
Bemerkenswert damals wie heute auch die hohe Wahlbeteiligung: Beim Bürgerentscheid am Sonntag stimmten 71 Prozent der Wahlberechtigten ab; bei der Befragung waren es gar 79,4 Prozent.
Der Blick in die Stimmbezirke zeigt, dass nirgends die vom Gemeinderat favorisierte Lösung gewonnen hat: Stimmbezirk 1, Rathaus: 50,31 Prozent zu 49,87 Prozent; Stimmbezirk 2, Feuerwehrhaus Haard: 79,95 Prozent gegen 20,05 Prozent; Briefwahl 50,76 zu 49,24 Prozent.
Marcus Lipsius von der Bürgerinitiative Contra Umgehung freut sich natürlich über den Ausgang des Bürgerentscheids und "dass wir in allen drei Wahllokalen gewinnen konnten". Dass insbesondere die Haarder sich klar gegen die Umgehungsstraße aussprachen, wundert Lipsius nicht. "Das zeigt, dass dort ein sehr großer Zusammenhalt besteht. Zudem würde der Ortsteil Haard durch die Umgehung eine 'richtige' Belastung erfahren." Dies zum einen durch die Trassenführung, die nah am Dorf verlaufen würde. Zum anderen, weil dann durch einen Abzweig eine Abkürzung Richtung Großenbrach da wäre.
Nur an sich selbst und ihre verkehrstechnische Ruhe zu denken, will Lipsius den Haardern aber nicht vorwerfen. "Genauso könnte man andersherum argumentieren, dass die Nüdlinger ihren Verkehr in Richtung Haard weg haben wollen. Wir sind ein Dorf und eine Gemeinde. Alle Bürger haben die Möglichkeit mitzuentscheiden."
Marcus Lipsius nennt das Ergebnis des Bürgerbegehrens einen "Arbeitssieg, der für uns viel Arbeit bedeutet. Wir haben der Bevölkerung ja versprochen, dass wir für eine Verkehrsentlastung und -beruhigung sorgen wollen". Das solle gemeinsam mit den bisherigen Befürwortern der Umgehungsstraße geschehen, denen Lipsius die Hand reichen will.
Letztlich entscheide der Bund, ob die Straße gebaut werde oder nicht. "Wir können nur Impulse liefern und antreiben, dass Politik und Straßenbauämter etwas in Richtung Entlastung tun ." Um über Möglichkeiten zu reden, lädt der Sprecher der Initiative Contra Umgehung zu einem "Bürgerforum" am 6. März, 19 Uhr, in die Alte Schule, ein. Soll will er Befürworter und Gegner, aber auch jeden, der sonst Interesse hat, an einen Tisch bekommen.
Mir ist völlig unverständlich, wie man von einer "demokratischen Entscheidung" sprechen kann, wenn letztlich 2292 Bürger/innen über das Schicksal von 10.000 Autofahrern hinweg entscheiden. Sicherlich sind Gemeindebürger mitbetroffen, jedoch muss man bei solch überörtlichen Verkehrswegen auch das Interesse an einem stau- und unfallsicheren Verkehrsgeschehen berücksichtigen. Meines Erachtens ein denkbar "schiefes" Demokratieverständnis und zudem unsolidarisch, weil mobil sein will jeder, aber die negativen Folgen schiebt man wenigen hin, die sich nicht mal wehren können. Denn beim Straßenneubau gilt das Immissionsschutzrecht, bei Bestandsstraßen nicht. Es dürfte sehr fragwürdig sein, ob ein Bürgerentscheid überhaupt als ein brauchbares Instrument für eine sachgerechte Entscheidung über gesundheits- und sicherheitsgefährdende Umstände angesehen werden kann. In anderen Bundesländern gibt es bei Planfeststellungverfahren keine Bürgerbegehren - es wird wohl hierfür gute Gründe geben. Die Hauptstraßenanwohner sollten beim Straßenbauamt weiterhin den Bau einfordern und über eine Petition an den Landtag nachdenken.
Bemerkenswert ist an der Wahlbeteiligung nur, dass sie fast 10% geringer ausfiel als noch vor einem Jahr.