Peter Kapfer, Einrichtungsleiter in Ursberg, hielt einen ergreifenden Vortrag über die Ermordung von Behinderten unter den Nationalsozialisten.
"Es ist ein sehr schwieriges Thema, das betroffen macht. Gleichwohl muss es benannt werden, und man muss sich damit beschäftigen", so Rainer Waldvogel, der Gesamtleiter des Dominikus-Ringeisen-Werks in Maria Bildhausen: Damit meinte er die so genannte "Aktion T4", die für die systematische Ermordung von mehr als 70 000 Menschen mit geistiger und körperlichen Behinderungen in der Zeit des Nationalsozialismus steht. Peter Kapfer, der Einrichtungsleiter in Ursberg ist, war ins Kloster Maria Bildhausen gekommen, um darüber zu sprechen. Und es waren so viele Leute gekommen, dass das Obergeschoss des Abteigebäudes gut voll war.
Um sich dem Thema auch spirituell anzunähern, griff Pfarrerin Sigrid Ullmann aus Münnerstadt den Bibelvers vom Arbeiter im Weinberg auf. Hier werde klar, dass der Wert eines Menschen nicht nach seinem Leistungsvermögen zu bemessen ist. Auf seine Menschlichkeit komme es an.
Nach diesen einführenden Gedanken begann Peter Kapfer mit seinem Vortrag, der die Besucher sehr betroffen machte. Mit ausgewählten Zitaten belegte er, dass die so genannte "Eugenik" bereits um die Jahrhundertwende diskutiert wurde. Mit ihr versuchte man, die Sterilisation bei Erbkranken zu rechtfertigen. Die wahren Gründe waren rein wirtschaftlicher Natur und zeugten von einer zunehmenden Verrohung.
Bereits im 1. Weltkrieg hatte es eine so genannte "Stille Euthanasie" (Euthanasie kommt dabei vom griechischen "eu thánathos: guter Tod") gegeben. Den Menschen wurden die Nahrungsmittelrationen gekürzt, bis sie qualvoll verhungerten. Mehr als 42 000 Menschen fielen dieser Methode zum Opfer. Das Dominikus-Ringeisen-Werk in Maria Bildhausen war hiervon aber glücklicherweise nicht betroffen: So gab es hier eine große Landwirtschaft, die die Menschen mit Nahrung versorgen konnte.
Nach dem Krieg brachten dann im Jahr 1920 der Arzt und Psychiater Alfred Hoche und der Jurist Karl Binding ein Buch heraus, das den Titel "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens - Ihre Maß und ihre Form" heraus. Darin wurde dem Staat das Recht zugesprochen, das Leben schwerbehinderter Menschen zu vernichten. Finanzielle Aspekte standen auch hier im Vordergrund. Aus diesem Buch bediente sich auch Adolf Hitler, als er sich in seinem "Mein Kampf" Gedanken zur so genannten "Rassenlehre" machte.
"Der euphemistische Begriff Euthanasie ist keine Wortschöpfung der Nationalsozialisten", merkte Kapfer an. Dennoch kam es erst nach der so genannten Machtergreifung im Januar 1933 zu dessen flächendeckender Anwendung. In der Folge wurden mehr als 400 000 Menschen zwangssterilisiert. Und auch zur "Kinder-Euthanasie", in der die Hebammen und Ärzte verpflichtet wurden, behinderte Kinder zu melden, die dann ermordet wurden.
Die so genannte "Aktion T 4", benannt nach der Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo sich die Zentraldienststelle befand, wurde dann in den Jahren 1940 bis 1941 angewandt. Ihr fielen an die 70 000 Behinderte zum Opfer. Peter Kapfer berichtete, wie die Behinderten fortgebracht und dann meistens vergast wurden. Auch acht Behinderte aus Maria Bildhausen erlitten dieses Schicksal. Diese Schilderungen machte die Zuhörer sehr betroffen. Kapfer beschrieb dabei die Todesangst, die die Bewohner ergriffen haben muss, wenn sie merkten, dass sie fortgebracht werden sollten. Und auch die psychische Belastung des Pflegepersonals, die ihre Schützlinge unter allen Umständen retten wollten.
Peter Kapfer führte eindringlich den Mord vor Augen, der unter dem verbrecherischen Regime der Nationalsozialisten stattgefunden hat. Und er machte auf die Problematik bei der "aktiven Sterbehilfe" aufmerksam, die in unserer heutigen Zeit diskutiert wird.
Zum Abschluss des Vortrags las der Referent aus dem Tagebuch einer 37-jährigen Frau mit Down-Syndrom vor. Diese sprühte vor Lebensfreude.Peter Kapfer: "Was wäre wohl mit ihr im 3. Reich passiert?"