Rund 150 Teilnehmer kamen zum 16. gemeinsamen Fortbildungstag der Gesundheitsämter ins Berufsbildungszentrum Münnerstadt.
Dr. Thomas Loew, Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Regensburg und Chefarzt der dortigen psychosomatischen Abteilung, ist ein Freund klarer Worte. Beim Fortbildungstag für Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen (einige wenige Herren waren aber auch dabei) im Berufsbildungszentrum Münnerstadt (BBZ) hielt er das Impulsreferat zum Thema "Erziehung in der Polarität zwischen Druck und Gelassenheit" und leitete auch einen der Workshops.
Den Einsatz von Tablets in der Schule, besonders in jüngeren Jahren, kritisierte er mit der Bemerkung: "Ich finde es furchtbar, dass unsere Bildungsministerin dem so das Wort redet."
Schulleiter Harry Koch konnte zu diesem 16. gemeinsamen Fortbildungstag der Gesundheitsämter der Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld rund 150 Teilnehmer aus beiden Landkreisen und Studierende aus dem eigenen Haus begrüßen. Er dankte Maria Reichert-Härder, Isabelle Bühner (beide Gesundheitsamt Rhön-Grabfeld) und Rainer Müller (Gesundheitsamt Bad Kissingen), dass sie den Fortbildungstag auch in diesem Jahr so gut organisiert haben. Sie seien mit der Auswahl "Erziehung in der Polarität zwischen Druck und Gelassenheit" goldrichtig gelegen und hätten dazu wieder namhafte und fachkundige Referenten gewinnen können.
Nötige Gelassenheit
Die beiden stellvertretenden Landräte Emil Müller (Bad Kissingen) und Josef Demar (Rhön-Grabfeld) begrüßten die gute Zusammenarbeit der beiden Gesundheitsämter. Müller hob hervor, das Thema sei sehr wichtig, denn die Kindergärten seien die erste Institution, die die Kinder von den Eltern übernehme, was nicht immer einfach sei. Die Ansprüche der Eltern an die Kindererziehung in den Kindergärten sei viel höher als zu seiner Zeit, "und dazu brauchen wir die nötige Gelassenheit". Josef Demar freute sich, dass er schon beim Eintritt in die Schule von den jungen Leuten mit einem fröhlichen "guten Morgen" begrüßt worden sei. "Geben Sie das weiter an die Kinder, denn das Grüßen geht verloren", bat er die Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, denen er bescheinigte, "die Jüngsten sind bei Ihnen gut aufgehoben". Loew war zum ersten Mal in Münnerstadt. Beim Durchfahren fiel ihm auf: "eine sehr gelassene Stadt, wenig los".
Leben nicht gerecht und nicht fair
In seinem sehr interessanten Referat ging er in schnellem Wechsel auf eine ganze Reihe von unterschiedlichen Themen ein. "Wir haben das Grundschulabitur eingeführt und sind auf dem Weg zum Kindergartenabitur", vermerkte er kritisch. Er kritisierte, dass in manchen Bundesländern wie Berlin und Nordrhein-Westfalen das Abitur viel einfacher sei und dass die bayerischen Schüler dadurch das Nachsehen und manchmal psychische Probleme hätten. Schwere Unfälle, Katastrophen, Einbrüche in die eigene Wohnung, Krankheiten (eigene wie auch von Angehörigen) oder Todesfälle in der nächsten Umgebung könnten zu psychischen Belastungen führen. Jeder zehnte Deutsche sei im Laufe seines Lebens mindestens davon einmal betroffen. "Das Leben ist nicht gerecht und nicht fair. Es ist deshalb wichtig, mit Stress und Problemen umgehen zu können. Die Lösung ist nicht die Zigarette auf dem Balkon", betonte der Professor, und "wer mit diesem Stress gut umgehen kann, hat gute Chancen, lange Jahre gut zu leben." Das Gedächtnis sei räumlich orientiert. Kinder würden deshalb schlechter lernen, wenn sie sich räumlich neu orientieren müssten. Dies gelte zum Beispiel für Flüchtlingskinder. Auch Schlaf sei wichtig, um sich das Erlernte einzuprägen. Traumatisierte würden jedoch oft an Schlafstörungen leiden.
Malen und Handschrift vernachlässigt
Loew kritisierte, dass die wichtigen Kulturfertigkeiten Malen und Handschrift vernachlässigt würden. Durch den Einsatz von Tablets im Unterricht würden diese motorischen Fähigkeiten zurückgedrängt. Dies diene nur den Herstellern der Geräte, "PowerPoint kann man auch Affen beibringen". Schließlich empfahl er den Anwesenden, Wert auf das Singen zu legen, denn es sei entschleunigtes Atmen. "Im Kindergarten verstecken sie das entschleunigte Atmen durch Singen. Dann haben sie wieder Ruhe im Karton. Ganz banal, ganz einfach und medizinisch super-wirksam."
In den acht Workshops beleuchteten die Referenten unterschiedliche Aspekte. Charlie Friedel, Leiter des Netzwerks für soziale Dienste in Salz, zum Beispiel forderte, Kinder müssten Stolpersteine erleben dürfen, um hinzufallen und zu lernen, wieder aufzustehen.