Innerhalb von vier Tagen waren Keller und Straßen in Wollbach gleich zwei Mal überschwemmt. Viele Anwohner geben der Gemeinde eine Mitschuld.
Die Nerven liegen blank. Bei jeder grauen Wolke werden die Bewohner sowohl im Unter- als auch im Oberdorf Wollbachs nervös. Sie beobachten voller Sorge, was am Himmel passiert, ob der nächste Regenguss bevorsteht. "Man hat keine ruhige Minute mehr", sagt Marianne Rößer, die in der Rhönstraße wohnt. "Man traut sich kaum, das Haus zu verlassen", fügt Werner Schwab hinzu, dessen Haus in der Straße Am Schubertsgarten steht.
Der Grund: Zwei Starkregen
sind am Sonntag und am Mittwoch über den Ortsteil des Marktes Burkardroth niedergegangen. Zahlreiche Keller im Ober- und Unterdorf sind vollgelaufen, die Kanaldeckel wurden in mehreren Straßen herausgedrückt (wir berichteten). Der 30-minütige Starkregen am Mittwochmittag wirkte sich besonders im Unterdorf aus.
Beträchtliche Schäden
Die Brunnengasse stand komplett unter Wasser.
Die Brücke in der Bergstraße war total überschwemmt. Vor dem "Glöckle", einer kleinen Kapelle an der Ecke von der Rhön- zur Bergstraße, hatte sich ein richtiger See gebildet. Das alles berichten die Anwohner und zeigen ihre Handyfotos. Besonders schlimm hat es das Anwesen in der Brunnengasse 5 getroffen. "In unserem Keller stand das Wasser sogar einen Meter hoch", schildert Bewohnerin Sabrina Albert. Selbst die Feuerwehr habe erst mal nichts machen können.
Schließlich sei das Wasser nicht nur von der Straße aus in den Keller und auf das Grundstück gelaufen, sondern habe sich auch von unten einen Weg in das Haus gesucht, habe sich regelrecht reingedrückt. Der Schaden für die Familie ist beträchtlich. Die Waschmaschine stand im Keller und ist nun unbrauchbar.
Etwas glimpflicher kam Nachbar Achim Hönicke davon, der seit 18 Jahren in der Brunnengasse wohnt.
"Ich bin vor 13 Jahren hier schon mal total abgesoffen. Seither bin ich gewappnet, habe mir Pumpen besorgt, die ich rechtzeitig in Betrieb nehme. Zudem habe ich eine Elementarversicherung abgeschlossen", erklärt er, damit er nicht auf den Kosten sitzen-bleibt. Hönecke kann sich noch gut daran erinnern, dass schon damals, vor 13 Jahren, davon gesprochen wurde, dass die Kanäle zu klein sind und die Wassermassen aus dem Oberdorf bei extremen Regenfällen nicht aufnehmen
können. "Da muss was passieren", ist der Wollbacher überzeugt.
Bug gegen blinden Aktionismus
"Die Situation ist nicht unbekannt", sagt Bürgermeister Waldemar Bug (ödp) auf Nachfrage dieser Zeitung. Er war am Sonntag sogar selbst vor Ort, hält aber von blindem Aktionismus nichts. "Wir können jetzt nicht einfach größere Kanäle einbauen.
Das Problem verlagert sich dadurch nur", ist er überzeugt. Außerdem möchte er erst einmal die Ergebnisse der aktuellen Kanaluntersuchungen abwarten. "Wir haben vor zwei, drei Wochen ein Ingenieurbüro damit beauftragt, die Belastbarkeit unserer Kanäle zu berechnen", sagt er. Dort, wo sie hydraulisch überlastet seien, würde man dann als erstes loslegen.
"Die Maßnahmen werden kommen", verspricht er.
Die Kosten dafür würden aber nicht wie bei Straßenbaumaßnahmen auf die Anwohner umgelegt, sondern über die Abwassergebühren finanziert. Parallel dazu sieht das Ortsoberhaupt auch die Bürger in der Pflicht, ihre Häuser vor Überschwemmungen zu schützen. "Nicht alle Rückschlagklappen sind richtig eingebaut", sagt Bug.
Zudem würden viele Hausbesitzer ihr Regenwasser vom Dach oder vom gepflasterten Hof in die Abwasserkanäle einleiten. "Es wäre besser, sie würden das in Zisternen auffangen und versickern lassen", fügt er hinzu. Werner Schwab kann darüber nur den Kopf schütteln. "Wir mussten doch unsere Entwässerung früher so bauen", sagt er. Es habe immer geheißen, die Kanäle müssen durchgespült werden.
Zudem ist der Wollbacher davon überzeugt, dass die Gemeinde jahrelang geschlafen hat. Schließlich sei die Kanalisation in Wollbach in den 1960er-Jahren gebaut worden und nicht auf das heutige Abwasservolumen ausgelegt. "Seit dem Bau der Kanalisation sind die Häuser in den Straßen Am Hang, Am Schubertsgarten, Astern- und Tulpenweg und entlang der Schulstraße dazu gekommen", erklärt er.
Sein Nachbar Elmar Schmitt weiß auch von Baumängeln im Kanalsystem, die zu den Überschwemmungen führen. Sein Anwesen in der Straße Am Schubertsgarten 6 hat es am Sonntag extrem getroffen, die Wohnung im Untergeschoss, in der seine Tochter Sandra Groten wohnt, ist unbewohnbar.
Kanal wird am Montag inspiziert
"Vor Jahren hat uns ein Architekt erklärt, dass der Kanal falsch gebaut wurde.
Offenbar, weil die Gemeinde Geld sparen wollte", erzählt Schmitt. Der Kanal wurde vom Asternweg kommend mit einer 90 Grad Kurve angelegt. In dieser befindet sich der Abwasseranschluss der Familie Schmitt/ Groten. Bei Starkregen verstrudelt das Wasser in der Kurve und drückt sich in den Anschluss zurück. "Wir haben jetzt einen Brief an die Gemeinde geschrieben. Der war schon etwas schärfer formuliert", sagt Sandra Groten. Offenbar hat er eine erste Wirkung erzielt.
Denn am Freitagvormittag erhält Elmar Schmitt einen Anruf aus dem Rathaus. Man sichert ihm zu, dass am Montag das beauftragte Unternehmen den Kanalabschnitt im Oberdorf inspizieren wird.
Nach Anruf prompt reagiert
Auch Marinne Rößer von der Rhönstraße hat schon einiges erreicht. "Ich habe am Donnerstagmorgen im Rathaus angerufen, weil vier Tage nichts passiert ist, und sofortiges Handeln gefordert", sagt sie.
Prompt sei der geschäftsführende Beamte, Gerhard Zeller, zu ihr gekommen und habe sich ein Bild gemacht. Kurze Zeit später sind Christian Metz, der Leiter des Bauhofs und der technischen Bauabteilung, sowie einige Mitarbeiter des Bauhofs angerückt. Sie haben die bestehenden Gräben auf dem gemeindlichen und auch auf den angrenzenden Privatgrundstücken gereinigt, darin wucherndes Gras gemäht und einen ganz neuen Graben angelegt.
"Ich bedanke mich für die schnelle Hilfe von Zeller und dem Christian", sagt sie.
Rößers Anwesen an der Rhönstraße wurde am Sonntag und am Mittwoch stark überschwemmt. Das Wasser kam vom benachbarten Flurstück "Brennofen", wird nun aber über den neuen Graben umgeleitet. "Früher gab es an den Feldern immer solche Gräben, die das Wasser abgeleitet haben", erinnert sich die Wollbacherin.
Doch in den letzten Jahren seien diese auch auf Privatgrundstücken immer mehr zugewuchert und nicht mehr erkennbar gewesen. Aber das sei nicht nur in Wollbach ein Problem, sondern überall im Markt. "Zudem säubert die Gemeinde die Gräben an den Feldwegen nicht mehr richtig, mäht nur noch einseitig und viel zu wenig", ist Rößer überzeugt.
Bienen kontra Hochwasser
Der Rathauschef will diesen Vorwurf so
nicht stehen lassen. "Es fehlen Blühflächen, auf denen die Bienen Nahrung finden", betont er. Vor Jahren sei er darauf angesprochen worden und setze deshalb konsequent einen bienenfreundlichen Umgang mit den Grünflächen um. "Es wird ganz bewusst nur noch die Bankette gemäht. Zudem bremsen zugewachsene Gräben das Wasser auch etwas aus", fügt er hinzu. Die Wollbacher können darüber nur den Kopf schütteln. Sie sind nervös, schauen ständig zum Himmel und beobachten voller Sorge, was die nächste Regenwolke bringt.