Luise Kinseher "muht" sich frei

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Muhen befreit: Luise Kinseher hat die Kuh als Vorbild entdeckt. Fotos: Christian Dijkstal
Muhen befreit: Luise Kinseher hat die Kuh als Vorbild entdeckt. Fotos: Christian Dijkstal
Kinseher hat Probleme: Techniker Kim Heinrich hilft ...
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"Da dachte es dann so in mir...": Luise Kinseher sinniert ...
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Kinseher bimmelt: Kuhglocken als Alternative zur Jagd nach Geld.
Kinseher bimmelt: Kuhglocken als Alternative zur Jagd nach Geld.
 
Kinseher zählt Geld, passend zum Titel ihres Programms ...
Kinseher zählt Geld, passend zum Titel ihres Programms ...
 

Manchmal sitzt man im Theater und hätte gerne sein Eintrittsgeld zurück. Eine solche Gelegenheit war der Auftritt von Luise Kinseher im Bad Kissinger Kurtheater.

Es ist ja in der Regel so, dass man sich in diesen Fällen über die lausige Veranstaltung ärgert und sich grämt, für das Angebotene - respektive Zugemutete - noch bezahlen zu müssen. Zugemutet hat die Kinseher ihrem Publikum ziemlich viel am Donnerstagabend. Alleine schon zeitlich. Aber das war jeden Cent - und eigentlich noch viel mehr - wert.
Nein, den Wunsch, den ausgegebenen Eintritt wiederhaben zu wollen, hat Luise Kinseher vorsätzlich und sehr direkt geweckt: Indem sie die Rückzahlung den ganzen Abend über anbot. Eine großzügige Geste, zumal dann, wenn das Haus so gut wie ausverkauft ist. Und passend in einem Programm, worin es um Geld geht.

Geld alleine macht nicht frei

Doch, das lehrt der Abend, Geld alleine macht nicht glücklich. Es macht nicht frei. Es verdirbt nicht einmal den Charakter, der ist schon schlecht, bevor man Geld hat.
Vielmehr ist es so, dass Geld Projektionsfläche für alles mögliche ist. Und dabei schürt Geld Ängste und Psychosen. "Was wir dem Geld für eine Macht geben", sagt Kinseher, "das ist unfassbar." Da hat sie Recht, denn Geld an sich ist gar nichts wert. Und darum gab‘s (natürlich) auch nichts zurück.
Nichts Bares jedenfalls. Denn wirklich witzig aufbereitete Erkenntnisse und intelligente Unterhaltung bekam das Publikum im Überfluss. Und unbezahlbar gute Laune - trotz eines dauerhaft brisanten Themas. "Einfach reich" heißt das Programm, mit dem Kinseher in Bad Kissingen zu Gast war. Aber was ist einfach? und was ist reich? Im Schnitt, hat Kinseher in irgendeiner Statistik gelesen, besitzt der Westeuropäer 20 000 Dinge. Trotzdem ist er unzufrieden, weil immer etwas fehlt. Wenn‘s nur so ist, dass man sich über das nicht komplette Fischbesteck ärgert. Im Gegensatz dazu besaß Gandhi, sagt sie, drei Dinge; bei einer Auktion nach seinem Tod brachten sie viel Geld: "Zwei Millionen Dollar! Für Sandalen, Teller und Nickelbrille! Das war alles, was der hatte. Wie einfach reich der war ...!"
Was dieser Aberwitz lehrt? Entgehen kann man dem Problem der Begehrlichkeit im Prinzip nur, wenn man sich ganz auf das Wesentliche zurückzieht. Auf eine Alm beispielsweise. Das ist Kinsehers Weg, von dem sie den Abend über schwärmte. "Ich nehme nix mit auf die Alm. Auch keine Erinnerungen." Hütte, Bänkchen, Ofen und Kuh - das muss die Lösung sein. Wobei das Rindvieh nahezu zum Symboltier werden könnte, solange die heilige Kuh nicht zum goldenen Kalb mutiert. "Wiederkäuen ist: Sich-Abfinden mit dem, was man hat."

Ein kommunikatives Publikum

Und Muhen tut gut, ist besser als Urschreitherapie: "Durch das Muhen bin ich so authentisch. Ich hab‘ mich freigemuht." Sprach‘s und animierte das Auditorium, mit zu muhen. Das folgte wie eine brave Rinderherde und hatte Freude. Die Beziehung zwischen Luise Kinseher und ihrem (an diesem Abend sehr kommunikativen) Publikum war im Übrigen eine wirklich besondere und auf eigene Weise eine innige. Es war wunderbar, dass die Kabarettistin selber großen Spaß hatte an der Interaktion, am spontanen Reagieren und Extemporieren, selbst dann, wenn es ums Überspielen der Tatsache ging, dass die Technik nicht zuverlässig funktionierte. Spaß daran, mit dem Spannungsverhältnis Oberbayern - Unterfranken zu spielen; Spaß daran, mit den Leuten außerhalb des präzise gespielten Programms herum zu albern.

Probleme mit der Geografie

Klar: Wenn man aus dem fernen München nach Bad Kissingen kommend von der Bühne aus in die erste Reihe hinein fragt: "Wo kommst du her?" und zur Antwort erhält: "Aus Fuscht", dann hat man ein Problem mit der geografischen Zuordnung. Das kann zum zweiten roten Faden und ausgesprochen lustig werden. Und wenn die Zuhörer sich auf die Ansprache einlassen und gut parieren, ist der Abend höchst lebendig.

Einfach eindrucksvoll

Luise Kinseher, die das Thema Geld aus der Sicht mehrerer ausgesprochen charaktervoller Personen, in die sie sich verwandelte, betrachtete, hat zwei wunderbare Eigenschaften, die ihren Auftritt so eindrucksvoll machten: Distanz und echten Humor. Und sie hat die Gabe, komplizierte Zusammenhänge in einfacher Sprache und mitunter skurrilen Bildern darzustellen.
So sind die logischen Ergebnisse ihres Grübelns nie wohlfeile Binsenweisheiten oder platte Lachnummern, sondern immer eine Mischung aus Realismus und abgeklärt lächelnder Resignation, die etwas positiv Motivierendes hat. Eine Einladung, weiter zu fragen und trotzdem nicht zu verzweifeln.