Landkreis Bad Kissingen: Kommen jetzt die Bunker wieder?

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Im Ernstfall mussten die Lüftungsanlagen in Bunkern per Hand betrieben werden. Hier kurbeln Petra und Nils Brennecke vom Deutschen Bunkermuseum in Schweinfurt.
Im Ernstfall mussten die Lüftungsanlagen in Bunkern per Hand betrieben werden. Hier kurbeln Petra und Nils Brennecke vom Deutschen Bunkermuseum in Schweinfurt.
Ralf Ruppert

Mindestens sechs Schutzräume gab es nach dem Ende des Kalten Krieges im Landkreis, die letzten werden seit Jahresbeginn anders genutzt. Wegen der Situation in der Ukraine hat der Bund die Privatisierung gestoppt.

Wer aufmerksam über das Gelände der Gymnasien in Hammelburg oder Bad Kissingen sowie der Grundschulen in Wildflecken und Zeitlofs geht, erkennt die Hinweise auf Schutzräume aus der Zeit des Kalten Krieges: Große Lüftungsrohre ragen aus Wänden oder Erdboden, 50 auf 50 Zentimeter große Notausstiege sind im Boden eingelassen - mindestens ein Drittel der Gebäudehöhe von den Außenwänden entfernt, damit sie nicht verschüttet werden. Auf Nachfragen zu den früheren Bunkern reagieren Offizielle unterschiedlich: Dr. Matthias Ludolph, Leiter des Frobenius-Gymnasiums, etwa befürchtet das "Wiedererwachen gern vergessener Erinnerungen" und ein "Bedrohungsgefühl".

Der Zeitlofser Bürgermeister Matthias Hauke dagegen berichtet ganz offen, dass der Luftschutzbunker unter der Zeitlofser Grundschule erst vor wenigen Monaten offiziell entwidmet wurde und jetzt wegen der Schulsanierung bis oben voll steht. Fakt ist: Selbst zum Ende des Kalten Krieges wären nicht einmal zwei Prozent der Landkreis-Bevölkerung in einem Schutzraum untergekommen. Da macht es keinen großen Unterschied, dass es aktuell gar keinen öffentlichen Bunker für Zivilisten mehr gibt.

"Alle Schutzräume im Landkreis sind rückabgewickelt", teilt das Landratsamt auf Nachfrage mit. Deshalb gebe es auch für das Hammelburger Gymnasium keine Einschränkungen mehr: Der Landkreis plant aktuell einen Neubau, in den die Schule 2026 umzieht. "Das Gebäude geht an die Stadt Hammelburg über", betont das Landratsamt, die Stadt könne danach frei entscheiden. Im Neubau seien keine Schutzräume vorgesehen.

Laut Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) haben Bund und Länder bereits im Jahr 2007 entschieden, dass keine öffentlichen Schutzräume mehr benötigt werden. Von rund 2000 öffentlichen Schutzraumanlagen seien nur noch rund 600 formal dem Zivilschutz gewidmet. Der Keller das Landratsamtes gehörte übrigens nie in diese Kategorie, einziger Schutzraum in Bad Kissingen war der Bunker unter dem Jack-Steinberger-Gymnasium.

In Zeitlofs wurden zwei Bunker zu Beginn des Jahres 2022 entwidmet, Hochbunker in Schweinfurt standen noch bis vor kurzem zum Verkauf. Das ist nun anders: "Im aktuellen Kontext des Krieges in der Ukraine hat sich der Bund dafür entschieden, das Rückabwicklungskonzept für öffentliche Schutzräume zu überprüfen", teilt die Bima auf Nachfrage mit. Bund und Länder wollen "zeitnah eine vollständige Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Schutzräume vornehmen".

Weder die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), noch das Landratsamt oder das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) geben auf Nachfrage Hinweise darauf, welche Schutzräumen es im Landkreis Bad Kissingen zum Ende des Kalten Krieges gab. Allerdings haben Hobbyforscher auf Portalen wie www.geschichtsspuren.de ein Verzeichnis angelegt, in dem Interessierte gezielt nach ehemaligen Bunkern in ihrer Region suchen können. Demnach gab es im Landkreis insgesamt sechs Schutzräume, vier unter Schulen und zwei unter Privathäusern, nämlich in Wittershausen und Weißenbach. Insgesamt 1868 Personen hätten sich im Landkreis Bad Kissingen in Bunker retten können.

Der größte ehemalige Schutzraum befindet sich unter dem Bad Kissingener Jack-Steinberger-Gymnasium mit offiziell 694 Plätzen. Unter dem Hammelburger Frobenius-Gymnasium   wurden Ende der 1980er Jahre Räume für 395 Menschen gebaut. Die Schutzräume unter den Grundschulen in Wildflecken und Zeitlofs waren für 392 beziehungsweise 263 Menschen ausgelegt. Vergleichsweise klein sind dagegen die öffentlich geförderten Schutzräume unter zwei Privathäusern im Landkreis: In der Weißenbacher Schulhohl  hätten 66, in der Brunnengasse in Wittershausen 58 Menschen Zuflucht gefunden.

Laut BBK hat der Bund den Bau von Bunkern unter Privathäusern noch bis 1997 gefördert, umgerechnet rund 55 Millionen Euro gab es insgesamt an Zuschüssen und Steuererleichterungen. Renate Geiger-Vogt aus Weißenbach hat 1989 an dem Programm teilgenommen: Ein Teil des Kellers ihres Wohnhauses in der Schulhohl hat deshalb 40 Zentimeter dicke Wände und Decken. Der fensterlose Schutzraum sei 66 Quadratmeter groß, berichtet die studierte Bau-Ingenieurin. Gerade einmal ein Quadratmeter wurde demnach pro Person eingerechnet. "Ziel war es, dass die Menschen dort bis zu 14 Tage sicher untergebracht sind", erinnert sich die 66-Jährige.

Tonnenweise Sand zur Kühlung

Neben den dicken Betonwänden sei noch eine Belüftungsanlage vorgeschrieben gewesen, die bei Stromausfall per Hand angetrieben werden konnte. Rund 13 Kubikmeter Basaltsand lagern deshalb im Keller. Durch den groben Sand hindurch wäre die Luft angesaugt worden, um sie im Falle eines Atomschlages abzukühlen. Bewegliches Mobiliar oder Verpflegung sei dagegen nicht vorgehalten worden, das wäre erst im Ernstfall besorgt worden. Und: "Wir durften die Räume auch privat nutzen."

Eine Bedingung für den Zuschuss war auch, dass sich Renate Geiger-Vogt eine Grunddienstbarkeit des Bundes eintragen lassen musste. Diese sei erst vor kurzem auf ihre Kosten gelöscht worden.

Die Weißenbacherin nutze den Bunker seitdem nur noch als weiteren Kellerraum: Neben dem Bunker gab es auch bisher noch weitere normale Kellerräume mit dünneren Wänden und vor allem Fenstern. Dass sie jemals einen Bunker brauchen würde oder dass sie ihn sich für die Zukunft als Schutzraum einrichtet, sei ihr nie in den Sinn gekommen: "Was soll in Weißenbach schon passieren", blickt die Bunker-Besitzerin entspannt in die Zukunft. Bisher habe bei ihr auch niemand nachgefragt, ob noch ein Platz frei sei. "Ich denke, das wissen auch nur wenige", sagt die 66-Jährige. Die Ausstattung ihres Schutzraumes lasse sie trotzdem vorerst stehen. Eigentlich hätte die Gemeinde die Belüftungsanlage entsorgen müssen, darauf hat Renate Geiger-Vogt jedoch verzichtet.

Geschichtslehrer Dr. Bernd Schlereth hat sich intensiv mit der Geschichte der Bunker unter dem Hammelburger Frobenius-Gymnasium beschäftigt. Sie entstanden im Zuge der Schulerweiterung Ende der 1980er Jahre. Für ihn sind die großen Kellerräume vor allem steinerne Zeitzeugnisse, die er den Schülern vorführt und in denen Plakate über geschichtliche Themen hängen. "Dass ein friedliches und wiedervereinigtes Europa keine Selbstverständlichkeit ist, lässt sich in der Bunkeranlage hautnah erfahren", sagt Schlereth. Im Bunker entstehe immer eine "konzentrierte und aktive Lernatmosphäre". Die Hausmeister würden die Lüftungs- und Schließanlagen der vier Bunker zwar regelmäßig warten, ihren ursprünglichen Zweck erfüllen die Schutzräume allerdings aus Schlereths Sicht heute eh nicht mehr.

"Der ehemalige Schutzraum unter der Schule steht zum Teil leer, zum Teil wird er als Lagerraum genutzt", berichtet der Wildfleckener Bürgermeister Gerd Kleinhenz. Ein Teil der alten Pritschen und etliche technische Einrichtungen seien noch vorhaben, aber: "Das wird nicht einmal mehr gewartet." Sein Amtskollege Matthias Hauke kennt den Bunker der Zeitlofser Grundschule noch als Gemeindearbeiter. Er sei ziemlich überrascht gewesen, als sich die Bima im vergangen Jahre meldete und den Schutzraum "aus der Zivilschutzbindung entlassen" wollte. Die Verhandlungen zogen sich bis ins Jahr 2022 hinein und kamen der Gemeinde gerade recht: Im Rahmen der Schulsanierung wurde jede Menge Stauraum gebraucht.