Justitia sucht neue Jugendschöffen

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Detlev Heim ist seit vier Jahren Jugendschöffe. Foto: Edgar Bartl
Detlev Heim ist seit vier Jahren Jugendschöffe.  Foto: Edgar Bartl

Gesucht sind 24 Jugendschöffen. Der Jugendhilfeausschuss des Bad Kissinger Kreistags hat keine Einwände gegen die beiden Listen mit 42 Bewerbern. Ein großer Teil von ihnen soll ab dem kommenden Jahr als ehrenamtliche Richter wirken.

Es gibt sicher leichtere Ehrenämter: Detlev Heim (48) ist seit gut drei Jahren Schöffe beim Jugendgericht Bad Kissingen - und er will es bis 2018 bleiben. Deshalb hat er sich auch auf die neue Vorschlagsliste setzen lassen. Der Jugendhilfeausschuss des Kreistags hat sie bei seiner Sitzung am Donnerstag einstimmig "abgenickt".

Heim ist zu diesem Amt auf Initiative der CSU-Kreistagsfraktion gekommen.
Zugesagt hat er, weil er - als Fußballer und Feuerwehr-Vorsitzender - schon immer und gerne mit Jugendlichen gearbeitet hat. Das Amtsgericht hat ihn dann zum Jugendschöffen gewählt.


Sieben, acht Mal im Jahr

Sieben bis acht Mal pro Jahr muss Heim "ran". Meist geht es um Drogenmissbrauch oder um sexuelle Übergriffe. Das erfährt er aber erst kurz vor der Verhandlung. Manche Fälle gingen einem schon an die Nieren und machten schlaflose Nächte, sagt der Familienvater. Er erinnert sich an einen Prozess. Da ging es um eine 14-Jährige (so alt wie seine eigene Tochter), die mit Alkohol und Gewalt gefügig gemacht worden war. Heim: "Da habe ich schwer gekämpft."

In den Verfahren, so Heim, gehe es weniger um Strafen, denn um Erziehung. Die Angeklagten sollen - wenn die Vorwürfe nachgewiesen sind - einen "Schuss vor den Bug" bekommen, sollen auf den richtigen Weg zurück gebracht werden. So eine Verhandlung sei eine letzte Chance für einen Neuanfang.

Da habe sie Glück, wenn Matthias Göbhardt den Vorsitz führt. Der mache das mit viel Einfühlungsvermögen, sei ein hervorragender Richter und ein feiner Mensch, lobt Heim.


Absolut gleichberechtigt

Im Richteramt sind Göbhardt und die Laien gleichberechtigt. Jedes Urteil muss mit Zweidrittelmehrheit fallen. Gegen die beiden Schöffen geht also nichts.

Möglicherweise wird Heim bald gemeinsam mit Annemarie Fell Recht sprechen. Die Stadt- und Kreisrätin der Grünen hat keine Erfahrung als Richterin, wohl aber als (gelernte) Erzieherin, Mutter dreier erwachsener Kinder und mehrfache Oma. Sie strebt das Amt an, weil "ich gebeten worden bin". Aber nicht nur deshalb. Sie sei offen für alles Neue, wäre bereit, sich in diesem verantwortungsvollen Amt zu engagieren und mitzuwirken.

Auch Walter Manger wäre "Neuling". Der Beamte im Landratsamt Bad Kissingen wurde von Jugendamtsleiter Siegfried Goll gefragt, ob er nicht Interesse hätte. Der habe ihn sogar daheim angerufen, weil er überzeugt sei, "dass ich das machen könnte". Manger ließ sich überzeugen. Schließlich habe er viel Erfahrung. Seit 30 Jahren ist er im Verein aktiv, ist oder war Jugendtrainer und Hauptjugendleiter beim FC Thulba, den er auch führte.

Die Listen wurden vom Jugendamt erstellt. Behörden-Chef Goll sagte, "es war dieses Jahr zäh". Zwar sei Schöffe eine interessante Aufgabe, viele aber wollten sich in ihrer Freizeit nicht engagieren. Dennoch sei es gelungen die beiden Vorschläge - mindestens jeweils 20 - zu erarbeiten. Die Kreistagsfraktionen hätten Interessenten gemeldet, Wohlfahrtsverbände auch. Auch aus der Bevölkerung seien Namen genannt worden. Andere seien angesprochen worden, hätten aber nicht geantwortet. Das Jugendamt habe keine Bedenken gegen die vorliegenden Bewerbungen, sagte Goll.


Schüler und Ex-Soldaten

Eine Hürde haben die Schöffen in spe leicht genommen: Der Jugendhilfeausschuss akzeptierte die Listen ohne jegliche Aussprache und Gegenstimmen. Eine Zweidrittelmehrheit hätte aber auch gereicht.

Sie bilden einen bunten Querschnitt der Bevölkerung. Der Jüngste ist ein lediger, 26-jähriger Berufsoberschüler. Aufgeführt sind Lehrer und andere Beamte, Vorruheständler und Berufssoldaten a. D., Handwerker und Arbeitslose, Erzieherinnen und Hausfrauen. Eine Sängerin ist dabei, mehrere Kauffrauen sowie eine Redakteurin und Familienfrau. Manche punkten als "stabile Persönlichkeit", mit Erfahrungen als Mutter, als Ausbilder junger Soldaten oder als Sport -Übungsleiter.

Jetzt liefen die beiden Listen vom 20. bis 27. Mai zu jedermanns Einsicht im Jugendamt (Landratsamt) aus. In dieser Zeit können Einwände gegen die Vorschläge erhoben werden, falls jemand für das Schöffenamt ungeeignet sein sollte. Darauf wird im Amtsblatt am Samstag, 18. Mai, nochmals hingewiesen. Dann ist Justitia am Zug: Das Amtsgericht muss entscheiden.

Funktion Jugendschöffen sind ehrenamtliche Richter am Jugendschöffengericht. Dort werden Anklagen gegen Jugendliche (14 bis 18 Jahre) und Heranwachsende (bis 21 Jahre) verhandelt, bei denen mit einer Jugendstrafe zu rechnen ist. Rein rechtlich sind Schöffen dem Vorsitzendem Richter, einem Juristen mit sehr gutem Staatsexamen, gleich gestellt.

Voraussetzungen Schöffen müssen mindestens 25 und höchstens 69 Jahre alt sein. Weiter wird verlangt, dass sie im Gerichtsbezirk wohnen, die deutsche Staatsbürgerschaft haben und nicht erheblich vorbestraft sind. Außerdem müssen sie Deutsch sprechen. Sie sollen ferner erzieherisch kompetent und in der Jugenderziehung befähigt sein. Es gibt je eine Liste für Frauen und Männer, da bei Gerichtsverhandlungen jeweils eine Frau und ein Mann als Schöffe/in mitwirkensollen. Die Amtsperiode dauert von 2014 bis 2018.

Ausschluss Nicht berufen können werden Juristen, der Bundespräsident, Mitglieder von Bundes- und Landesregierungen, Vollstreckungsbeamte oder auch Polizisten. Frühere Stasi-Mitarbeiter sollen auch nicht als Schöffe eingesetzt werden. Alles ist im Gesetz ganz genau geregelt.