Wenn das, was in der Bad Kissinger Wandelhalle zu erleben war, die Realität in allen Laienchören wäre, dann müsste niemand sich Sorgen um den Gesang in der Region machen.
Denn hier zeigten fünf junge Chöre aus dem Landkreis Bad Kissingen in einem gemeinsamen Konzert, dass Singen offensichtlich doch noch ein beliebter Mannschaftssport ist, dass regelmäßiges Proben (mehr als nur gerade genießbare) Früchte trägt und dass Singen begeistern kann. Und zwar Ausführende wie Zuhörer.
Voraussetzung sind zum einen der Wille, etwas zu erreichen und die Bereitschaft, dafür auch etwas zu tun, und zum zweiten die Erkenntnis der eigenen Stärken und Schwächen. Beides beherzigen die Chöre, die sich im Chorkonzert einem aufgeschlossenen Publikum vorstellten: Die Literaturauswahl war dem Können der Formationen gut angepasst, und die Darstellung der unterschiedlichen Sätze zeigte, dass sowohl Chorleiterinnen und Chorleiter als auch Sängerinnen und Sänger die Sache, die sie durch die Bank mit viel Elan und Spaß auf die Bühne brachten, selber ernst nehmen. Fast alle der jungen Chöre sind hervorgegangen aus Traditionsvereinen, haben sich aus Projektchören heraus entwickelt und etabliert. Es fällt auf, dass sich bei ihnen die Generationen zu mischen durchaus in der Lage sind. Und es fällt auf, dass diese Chöre einen anderen Stil des Musizierens pflegen.
Das macht sich in mancher Hinsicht bemerkbar. Natürlich liegt es am Repertoire, das großenteils englischsprachig ist, das zum überwiegenden Teil der neueren Unterhaltungsmusik entstammt, das in seiner Art auch eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Es gibt, wie zu hören war, inzwischen effektvolle, erreichbare Arrangements für ambitionierte Chöre. Keyboards ermöglichen heute vieles, was das Hörerlebnis interessanter macht: Klänge, Rhythmen und Figuren-Loops unterstützen den Gesang und machen viel her. Wobei alle fünf Chöre an diesem Abend auch A-Cappella-Sätze sangen. Viele junge Chöre trauen sich, ihre Auftritte zu inszenieren, sich zu bewegen, beim Singen aus sich heraus zu gehen. Und das überträgt sich aufs Publikum.
Am Sonntagabend war das auf eindrucksvolle Weise zu erleben. "Pro Ton" Stangenroth unter Leitung von Rudolf Wurm eröffnete das Programm synkopisch, fröhlich, schwungvoll; stimmlich zunächst ein wenig zurückgenommen, doch immer ausgesprochen gut verständlich. Ein Chor, der sehr auf Präzision geeicht ist. Schön war, wie sich am Ende der Klang auch gut mit den Stimmen des Kinderchors StangenROTHkehlchen vermischte.
Bei den Fuschter Troubadours unter Leitung von Birgit Schultz steht der Spaß am Singen im Vordergrund, und ihn verstehen sie, dem Publikum zu vermitteln. Wobei es ihnen auch gelingt, die Stimmung der geistlichen Lieder in ihrem Repertoire gut zu transportieren und zum hinhören einzuladen.
Zwischen besinnlich und sehr witzig changierte auch, was die Bright Voices aus Oberthulba zum Programm beitrugen. "For the beauty of the earth" etwa, ein typischer John-Rutter-Satz, der eingängig und packend ist und nicht ohne eine gehörige Portion Sentiment, zeigte die eine, der Satz des Comedian-Harmonists-Schlagers von der schönen Isabella von Kastilien die andere Seite des Chors. Und mit dem Zulu-Traditional "Mamaliye" gingen die Sängerinnen und Sänger richtig aus sich heraus. Ähnlich wie InTakt aus Garitz, die, lustig choreografiert, die Frage stellten, warum man eigentlich im Chor singt. Unter anderem, weil die Sänger die Euphorie packt, heißt es in diesem Stück, wenn sie dem Publikum ins Auge sehen. Ein in jeder Hinsicht bewegtes Bekenntnis.
Eindrucksvoll war, schon von der Menge her, der Auftritt des HeartChors aus Sulzthal, den Gruppenchorleiterin Ilona Seufert leitet. Frischer, kraftvoller und begeisterter Chorklang war zu hören; gut einstudiert waren die Stücke, die die rund 40 Sängerinnen und Sänger vortrugen. Das zeigte sich bereits beim ersten Stück, dass der Chor zu Seuferts Klavierbegleitung quasi ohne Dirigentin sang: Der Flügel stand hinter den Singenden. Es schien ihnen nichts auszumachen. Die Chance für einen umso direkteren Publikumskontakt ließen sie dabei zwar ungenutzt, doch holten sie dieses Versäumnis später intensiv nach. "Hungriges Herz", das kabarettistisch inspirierte "Brenna tuats gut" oder das mit Xylophon und zwei Cajones begleitete "Somebody that I used to know" waren ausgesprochen extrovertiert und mitreißend aufgeführt. Ein gelungener Abschluss eines eindrucksvollen Abends, der im krassen Gegensatz zu den Unkenrufen steht, denen zufolge die Laienchormusik eine aussterbende Gattung ist.