Interpretation von Vivaldis "Vier Jahreszeiten"

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Das Sound of Life Ensemble mit Alexej Barchevitch (links; auf dem Foto außerdem Ines Schneider, Fred Ullrich und am Cembalo Robin Phillips) überraschte mit einer Interpretation der "Vier Jahreszeiten". Foto: Christian Dijkstal
Das Sound of Life Ensemble mit Alexej Barchevitch (links; auf dem Foto außerdem Ines Schneider, Fred Ullrich und am Cembalo Robin Phillips) überraschte mit einer Interpretation der "Vier Jahreszeiten". Foto: Christian Dijkstal

Immer wieder trifft man auf Musikgruppen, deren Namen man nicht kennt. Und immer wieder sind solche Gruppen für Überraschungen gut. Selten aber hat man das Glück, auf ein Ensemble zu treffen, das derart überrascht und das dem Hörer völlig neue Welten eröffnet, wie es bei Alexej Barchevitch und dem Sound of Life Ensemble der Fall war.

Das Ensemble, das sich zum größten Teil aus Musikern des mitteldeutschen Raums zusammensetzt, war im Kissinger Winterzauber zu Gast. Im Max-Littmann-Saal spielte es Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten", diese vier eigentlich längst satzweise zu Tode getrampelten Evergreens, deren hohe Popularität ihnen allzu oft zum musikalischen Verhängnis wird.
Doch Barchevitchs Vivaldi war kein Vivaldi von der Stange, den man zwischen Sonntagsbraten und Kuchen als gepflegte Hintergrundbeschallung goutiert. Diese Musik war ein Wunder. In ihrem Absolutsein und ihrem Reichtum an Zwischentönen verlangte sie große Andacht und hohen Respekt. Denn das, was sich da an Erscheinungen der Sphären zwischen Himmel und Erde, von wechselndem Sonnenlicht beleuchtet, in Tönen entfaltete, war einerseits so präsent und gegenständlich, war so sichtbar, so natürlich -und hatte dabei doch etwas höchst Artifizielles: Die Musik war wie eine Materie
gewordene Vision, die greifbar nahe steht, die fasziniert, deren kristallin geformte, herbe Schönheit man mit den Augen abtastet; eine Skulptur, die aber so fragil und kostbar ist, dass man es nicht wagen würde, sie zu berühren.
Es mag eine Wiedergabe gewesen sein, die befremdete oder gar irritierte; aber wenn sie das tat, dann auf eine betörende Art. Eine Art, die den Hörer in Gegenden von Vivaldis Italien führte, die er noch nicht kannte; die ihm in der freien Natur die schnörkellose Schönheit, aber auch die unbequeme Unwirtlichkeit der Landschaft offenbarte und deren jeweils eigene Stimmungen unvermittelt nebeneinander stellte.
Diese Musik war inszeniert; mal wirkte sie wie ein Bühnenstück mit der Sprache und den Kulissen unserer Tage, mal wie ein Film, der von der Liebe zum Land geprägt ist und Sehnsüchtiges wie Verstörendes in krassen Schnitten zeigt. Ein Vivaldi, wie die großen italienischen Regisseure der 1960-er Jahre ihn hätten inszenieren können.