Eine kammermusikalische Sternstunde war die "Inspiration und Virtuosität" überschriebene Matinée classique, die am Sonntag im Rahmen des Kissinger Winterzaubers zu hören war. Schlecht war die Veranstaltung nicht besucht, aber ein größeres Publikum hätte das Duo durchaus verdient.
Mit Lorenzo Gatto und Eliane Reyes waren zwei Musikerpersönlichkeiten in den Rossini-Saal gekommen, die zwar in der Wahl der Mittel unterschiedlich vorgingen, die auch einen individuellen Stil pflegten, im gemeinsamen Musizieren aber zu einem ganz einheitlichen Ausdruck fanden; zwei Spieler, die sich auf verblüffende Weise zu einem überzeugenden Ganzen zusammenfügende Musik machten. Musik, die hoch ästhetisch und nuancenreich war.
Gatto ist schon äußerlich eine auffallende Erscheinung: Seine Bühnengarderobe, eine Mischung aus ein wenig altmodischen Formen und frech modernen Akzenten, unterstreicht das, was man beim ersten Hinsehen von dem markanten, streng geschnittenen Gesicht erwartet, auf dem sich einerseits freundliche Verbindlichkeit und Ernst, andererseits Freude am Darstellen und konzentrierte Zurückgezogenheit auf die Musik widerspiegeln.
Dieser Eindruck passte, wie sich zeigen sollte, zu seiner Art Musik zu machen.
Sein Spiel war herb und sehr männlich. Eliane Reyes, die auf der Bühne nur scheinbar ein wenig im Hintergrund blieb, spielte eher weich und brachte mit ihrer Spielweise ein deutlich weibliches Element in die gemeinsame Wiedergabe. Schnittpunkte der beiden Musiker waren die große Sensibilität, ein klarer musikalischer Gestaltungswille, Eleganz und enormes technisches Können, das stets Mittel zum Zweck, niemals aber vordergründige Effekthascherei war.
Das war wohl auch der Grund dafür, dass Reyes sich als Begleiterin immer neben dem Solisten behaupten konnte, ohne dass jemals ein Kampf auf der Bühne stattfand. Farbenreich war ihr Spiel im ersten Satz der "Sonate Nr. 3 c-Moll" von Edvard Grieg und trug den von kräftig-kernigem Strich geprägten Klang der Violine in der dramatischen Eröffnung. Und wundervoll ergänzten sich beide Spieler in der lyrisch gestalteten Fortsetzung.
Die beiden Instrumente führten hier differenziert ausgestaltete, einander im Ausdruck gut angeglichene Dialoge in feinem Ton, nahmen im Zwiegespräch des zweiten Satzes wunderbar kontrastierende Positionen ein. Es war eine Freude zu hören, wie Gatto Motive seiner Partnerin aufnahm und sie allmählich umfärbte. Und es war erstaunlich, wie, nach einem fast bedrohlich klingenden Mezzopiano, beide im dritten Satz wieder zu einer perfekten Monochromie fanden. So vollkommene Einheit in der Vielfalt war ein Vergnügen, das auch in der ganz poetisch gestalteten "Sonate A-Dur" ihres Landsmannes César Franck immer neu zu bewundern war.
Auch als Solisten begeisternd Doch auch als Solisten begeisterten beide Spieler ihre Zuhörer.
Der schöne Klavierton Reyes erfreute in Franz Liszts "Le jeux d‘eau à la Villa d‘Este", worin das Perlen von Wasserläufen vollendet gleichmäßig in Klänge verwandelt war, aus denen immer wieder - fast versteckt - in Stein gehauene Motive hervor schienen. Ein feines, reich schattiertes Klingeln und Fließen. Vielgestaltig, vom schwer gefärbten Flageolett -mal intensiv singend, mal klingend wie die heisere Stimme einer erkälteten Chansonette - bis zum feinen Strich - mal tänzerisch, mal bedächtig und immer mit großem Vergnügen - spielte Gatto Niccolò Paganinis "Introduktion und Variationen auf einer Saite" nach einem Rossini-Thema. Mal forsch und mutig, mit kräftigem Strich in den Raum gestellt, mal klingend wie ein liturgischer Gesang über dezenten Begleittremoli. Insgesamt unwahrscheinlich facettenreich war seine Darstellung der "Paganiniana" des großen Geigenvirtuosen Nathan Milstein. Diese Matinée zweier kommunikativer Individualisten wird, wer sie gehört hat, so bald nicht vergessen.