Die Volksschule Thulbatal ist im Landkreis die einzige Schule mit dem Profil Inklusion. Dabei geht es nicht nur darum, Behinderte in den Regelunterricht einzubeziehen.
Ein Schüler steht im Unterricht unvermittelt auf, geht nach vorne zur Lehrerin und tritt ihr vors Schienbein. Hans-Jürgen Hanna schildert die Szene, die vor einigen Tagen passiert ist. Für den Leiter der Volksschule Thulbatal ist sie ein Beispiel für die Alltagsprobleme, die das neue Schulprofil Inklusion in den Griff bekommen soll.
"Es geht nicht so sehr um klassische Behinderungen, sondern vor allem um sozial-emotionale Defizite", erklärt Hanna. In jeder Klasse gebe es zwei bis drei Schüler. Das Eingangsbeispiel ist nur ein extremer Fall. Häufig sind Schüler durch schwierige familiäre Situationen abgelenkt und in ihrer Lernbereitschaft eingeschränkt.
Auch dafür hat Hanna ein reales Beispiel parat: Ein Kind muss mit dem Unfall seines Vaters fertigwerden.
Um Jungen und Mädchen mit besonderem Förderbedarf betreuen und sie in den Regelunterricht einbinden zu können, hat die Volksschule Thulbatal für dieses Schuljahr zusätzliche Lehrerstunden zugeteilt bekommen. Dadurch können Schüler individuell gefördert werden. Zehn Stunden wurden dem allgemeinen Kontingent zugeschlagen. Dazu kommen 13 Stunden für eine Fachlehrerin.
Birgitt Wytopil-May ist seit Schuljahresanfang von der Saaletal-Schule Hammelburg nach Oberthulba beordert. Dort berät sie die Lehrer und bietet Schülern differenzierten Unterricht. "Dank offener Unterrichtsformen wie Stationslernen, die an der Schule bereits praktiziert werden, kann ich mit meinem Angebot leichter ansetzen", erklärt Wytopil-May. Der Schwerpunkt liege auf Lernen, Sprache und im sozial-emotionalen Bereich.
Hanna: "Handy und SMS führen dazu, dass Schüler heutzutage nicht mehr in ganzen Sätzen sprechen."
Dass sich die Volksschule Thulbatal als Vorreiterin im Landkreis um das Profil Inklusion beworben hat, kommt nicht von ungefähr. "Wir haben schon seit einigen Jahren Schüler mit Behinderung bei uns", sagt Hanna. So sind unter den aktuell 280 Schülern ein sehbehindertes und zwei leicht gehörgeschädigte Kinder zu finden. Alfred Rothaug vom mobilen sonderpädagogischen Dienst kümmert sich seit drei Jahren außerdem darum, dass Verhaltensauffälligkeiten dem Miteinander nicht schaden.
Das Prinzip lautet: "Ich kann Fehler machen. Ich mache meine Fehler gut." Stört ein Schüler den Unterricht, wird er nicht einfach vor die Tür gesetzt. "Es gibt keine Strafe, sondern eine Hilfe", erklärt Rothaug. Der Schüler muss über seinen Fehler nachdenken.
Auf einem Blatt muss er beschreiben, worin sein Fehlverhalten lag und wie er es wiedergutmachen kann. Ein Lehrer hilft bei Bedarf dabei. Der Störenfried entschuldigt sich danach beim betroffenen Lehrer und den Klassenkameraden.
Das Angebot unter dem Dach des neuen Profils kommt so der ganzen Schulgemeinschaft zugute. Es ist für alle Schüler offen. "Niemand soll wegen der Förderung abgestempelt werden", sagt Hanna. Der Schulleiter betont aber, dass die Volksschule keine Förderschule wird, sondern eine reguläre Einrichtung bleibt. Daher gibt es eine Durchlässigkeit zur Saaletal-Schule Hammelburg. Hanna: "Wir haben eine gute Zusammenarbeit. Wenn Eltern es wollen, können sie ihre Kinder zum Probeunterricht an die Saaletal-Schule schicken." Denn trotz des Inklusionsgedankens ist für Hanna, der langjährige Erfahrung mit Behinderten sowie verhaltensauffäligen Schülern hat, eine Förderschule in bestimmten Fällen die bessere Bildungseinrichtung für ein Kind.