Gemeinsam durch die Krise: Wenn Azubis den Laden schmeißen

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Gianna Graup ist Azubi. Sie arbeitet noch voll, die anderen Kollegen der Reisewelt Fröhlich sind in Kurzarbeit. Deshalb schmeißt sie das Reisebüro in Garitz gerade alleine. Eine große Verantwortung für die 17-Jährige. Julia Feichtinger
Gianna Graup ist Azubi. Sie arbeitet noch voll, die anderen Kollegen der Reisewelt Fröhlich sind in Kurzarbeit. Deshalb schmeißt sie das Reisebüro in Garitz gerade alleine. Eine große Verantwortung für die 17-Jährige. Julia Feichtinger

Zu Beginn des Katastrophenfalls berichteten wir über Reise- und Busunternehmen im Landkreis Bad Kissingen. Nachgefragt: Wie viele mussten staatliche Unterstützung beantragen? Und: Ist das Geld schon auf dem Konto? Bei der Regierung gingen bereits über 15 000 Anträge auf Soforthilfe ein

Vor zehn Tagen rief Ministerpräsident Markus Söder den Katastrophenfall für Bayern aus. Damit einhergehend wurde der Tourismus im Land komplett zurückgefahren - eine Katastrophe für Busunternehmer und Reisebüros. Vor zehn Tagen befragte die Redaktion die Betroffenen. Zehn Tage später die Nachfrage: Wie geht es? Wer hat staatliche Hilfe beantragt? Und bei wem ist sie eingetroffen?

Maximilian Albert hat mit "Reisewelt Fröhlich" zwei Büros in Würzburg, eines in Schweinfurt und zwei in Bad Kissingen. "Es geht mir bescheiden", sagt er. Alle seine 23 Angestellten sind bereits in Kurzarbeit, ausgenommen sind die Azubis. Unter ihnen ist Gianna Graup. Die 17-Jährige schmeißt derzeit das Reisebüro in Garitz alleine. Was sie zur aktuellen Situation sagt, zeigt ein Interview am Ende dieses Textes. Maximilian Albert: "Wir haben Soforthilfe beantragt. Der Bescheid, dass sie uns zusteht, ist gekommen, Geld leider noch keines." Weil der Bescheid relativ schnell kam, "ziehe ich meinen Hut, er macht einen guten Job, der Markus", lobt er den Ministerpräsidenten. Albert klingt trotz allem gelassen. "Was soll ich auch machen? Es hat ja niemand Schuld. Wenn ich etwas verbockt hätte, das diese Auswirkungen hat, dann würde ich mal in mich gehen. Aber tatsächlich kann momentan keiner was tun." Froh sei er über die Azubis, "die machen einen unglaublich guten Job, die halten gerade den Laden zusammen." Denn die Azubis arbeiten als einzige noch in Vollzeit, die Berufsschule entfalle momentan. "Sie kommunizieren direkt mit den Kunden am Telefon. Ein Service, den die großen Reiseunternehmen schon lange nicht mehr anbieten."

"Die Ungewissheit ist allerdings schlimm"

Christian Wolf führt das Reiseunternehmen GWK Reisen in der Grabengasse. Auch er hat die Soforthilfe beantragt. "Das ging sehr schnell und unbürokratisch", sagt er. Aber auch bei ihm ist noch nichts auf dem Konto eingegangen. Eine prekäre Situation, denn als Reiseunternehmer buchte er die Hotels für seine Kunden und muss nun die Stornogebühren aufbringen. Er hat es noch nicht erlebt, dass Hoteliers mit den Busunternehmen im Rahmen der Krise zusammenrücken und eventuell ihre Forderungen nach unten schrauben. "In der Krise schaut jeder, wie er selbst zurechtkommt." Er hoffe, dass es nach Ostern wieder besser werde. "Die Ungewissheit ist allerdings schlimm. Ich habe alle Autos abgemeldet, um Kosten zu sparen", 13 große Busse gehören zu seinem Unternehmen. "Momentan arbeite ich an vielen Fronten, überall muss etwas abgeklärt werden." Auch seine zehn Festangestellten sind mittlerweile in Kurzarbeit.

"Mehr als Beten geht momentan nicht"

Schlimm ist die Situation aktuell auch für Jürgen Wolf vom gleichnamigen Reisebüro in Münnerstadt. "Wie alle Unternehmen bin auch ich auf staatliche Hilfen angewiesen. Wir haben Söders Maßnahmen beantragt und sind ebenfalls in Kurzarbeit." Auch bei ihm ist noch kein Cent angekommen. "Wir warten täglich darauf." Er klingt niedergeschlagen. "Keiner, der mit der Situation konfrontiert ist, kann ihr etwas Positives abgewinnen. Außer die Einkaufsmärkte vielleicht, die haben ja Hochkonjunktur." Für ihn sind Kurzarbeit und staatliche Hilfe vollkommen neu, "ich habe so etwas vorher noch nie erleben müssen. Wir hoffen, dass sich alles schnell wieder normalisiert, aber die Nachwirkungen werden noch heftig werden". Er meint das mit Blick auf die allgemeine Wirtschaft, "auch wenn mein Horizont momentan in den Grenzen meines Unternehmens liegt. Ich glaube, wenn die Hilfen eintreffen, werden sie für viele zu spät kommen. Ich hoffe, dass wir dann nicht zu diesen Unternehmen gehören - mehr als Beten geht momentan nicht."

Schon 14 000 Anträge

Bei der Regierung von Unterfranken gingen - Stand Freitag, 27. März 2020 - bereits über 15 000 Anträge auf Soforthilfe ein, 1400 wurden bislang bewilligt. "Über elf Millionen Euro, bezogen auf 1400 Anträge, sind bereits ausgezahlt", sagt Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung. Derzeit arbeiteten mehrere Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die laufend aufgestockt werden, unter Zurückstellung aller sonstigen Aufgaben an der Auszahlung der Anträge, sagt er. "Bei der Regierung von Unterfranken wurde ein bereichsübergreifendes Team "Soforthilfe Corona" gebildet, das unter Hochdruck die eingehenden Anträge erfasst und bearbeitet. Wir bemühen uns, über alle gestellten Anträge bis Anfang April zu entscheiden und die bewilligten Auszahlungen vorzunehmen. Wir bitten aber auch bereits jetzt um Verständnis, dass wir dies angesichts der nicht abreißenden Antragsflut und der zusätzlichen Belastung durch das in Kürze startende Bundesprogramm nicht garantieren können."

"Manchmal sind die Telefonate schwer"

Gianna Graup ist 17 Jahre alt, Azubi bei Reisewelt Fröhlich in Garitz. Sie schmeißt das Geschäft gerade ganz alleine, da alle anderen Kollegen in Kurzarbeit sind. Azubis sind ausgenommen davon.

Saale-Zeitung:

Frau Graup, Sie haben momentan eine große Verantwortung. Normalerweise ist der Chef ja immer in der Nähe.

Es ist schon ein wenig anstrengend. Es gibt viel zu tun und zu beachten.

Sie müssen jetzt viel unter einen Hut bringen. Macht es Sie auch froh, dass sie jetzt noch etwas bewegen können?

Natürlich! Es ist ein gutes Gefühl, dass ich noch etwas zur Firma beitragen kann. Und ich sammle dabei jede Menge Erfahrungen.

Wie sieht gerade Ihr Alltag aus?

Vor allem beantworte ich die Mails von Kunden, die nach Geschäftsschluss bei uns eingehen. Daneben rede ich viel mit Kunden, die ihre Reise storniert habe und versuche, die Reise auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben.

Sie lernen die Kunden auch neu kennen, jeder ist in einer Ausnahmesituation.

Ja, das stimmt. Da erfahre ich auch die ein oder andere persönliche Geschichte. Alle Kunden sorgen sich darum, wie es weitergeht. Und jeder hofft, dass es besser wird, so wie wir. Manchmal sind die Telefonate schwer, weil auch ich ja keine Antwort habe. Wir können alle nur hoffe, dass es bald besser wird.

Hatten Sie Angst vor der Aufgabe?

Ich hatte großen Respekt, ich bin ja noch in der Ausbildung. Aber jetzt sehe ich, dass es läuft - und den Umständen entsprechend ganz gut!