Gebürtige Hammelburgerin wird Bürgermeisterin in Brandenburg

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Carina Simmes im Gespräch mit Bürgern.
Carina Simmes im Gespräch mit Bürgern.
Benjamin Gürkan

Carina Simmes ist in Machtilshausen aufgewachsen. Am 16. März tritt sie die Stelle als Bürgermeisterin der Gemeinde Seddiner See in Brandenburg an. Ihr Vorgänger hatte sie 2015 als Mitarbeiterin des BND enttarnt.

Am Mittwoch, 16. März, ist der erste Arbeitstag von Carina Simmes im Rathaus der Gemeinde Seddiner See südlich von Potsdam: Die Bürger haben die gebürtige Unterfränkin am 20. Februar mit 57,4 Prozent der Stimmen zu ihrer Bürgermeisterin gewählt. Die 45-Jährige folgt damit dem parteilosen Axel Zinke nach, der nach 20 Jahren im Amt in Ruhestand geht. Ganz spannungsfrei war das Verhältnis zu ihrem Vorgänger nicht: 2015 machte er öffentlich, dass Simmes für den Bundesnachrichtendienst (BND) arbeitet. Der Fall sorgte in Brandenburg für Schlagzeilen und für eine Diskussion, ob Mitglieder des deutschen Auslandsnachrichtendienstes kommunalpolitisch aktiv werden dürfen.

Carina Simmes wurde als Carina Wolf am 8. März 1977 in Hammelburg geboren. Aufgewachsen ist sie in Machtilshausen. Kommunalpolitisches Interesse ist ihr in die Wiege gelegt: Ihr Vater Edgar Wolf saß 25 Jahre lang im Gemeinderat Elfershausen, davon zwölf Jahre als 3. Bürgermeister. Sein Einsatz wurde 2016 mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt. Während ihrer Schulzeit am Hammelburger Gymnasium machte Carina Wolf ein Praktikum bei der damaligen Standortverwaltung, heute Bundeswehrdienstleistungszentrum. Nach dem Abitur 1996 studierte sie und wurde Diplom-Verwaltungswirtin.

Im Studium lernte sie ihren späteren Mann kennen, beide zogen zunächst nach Hannover und arbeiteten in der Bundeswehrverwaltung. Später wechselten beide zum BND. Über die Arbeit dort, die Zeit in der ehemaligen BND-Zentrale in Pullach bei München und den Wechsel in den Neubau nach Berlin sagt Carina Simmes nichts. Die Mitarbeiter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Umso spektakulärer war die Enthüllung des Ehepaars als BND-Mitarbeiter 2015: Simmes hatte laut Medienberichten als Gemeindevertreterin gefordert, dass eine mögliche Stasi-Vergangenheit der Mitglieder des Gremiums geprüft wird. Der Bürgermeister drehte daraufhin den Spieß um und enttarnte Simmes öffentlich als Mitarbeiterin des deutschen Auslandsgeheimdienstes. Der Verdacht lag nahe, dass er personenbezogene Daten der Gemeinde wie die Anmeldedaten der Kinder für die Kita nutzte, die Staatsanwaltschaft ermittelte und es gab eine Dienstaufsichtsbeschwerde.

Keine Aussagen zur Zeit beim BND

In den Medienberichten von damals spricht Carina Simmes über existenzielle Ängste, weil lange unklar war, wie der BND reagiert. Heute wehrt die 45-Jährige alle Fragen dazu ab. Lieber erzählt sie, dass sie seit 2008 in der Gemeinde Seddiner See lebt. Mit ihrem Mann und ihrem ersten Kind sei sie damals aus Berlin raus in den brandenburgischen Landkreis Potsdam-Mittelmark gezogen. Die Familie baute sich ein Haus, das zweite Kind kam zur Welt. Im Jahr 2013 sollte in ihrem Baugebiet ein neuer Spielplatz entstehen. Weil ihnen der Plan für die Ausstattung nicht gefiel, gründeten Anwohner eine Bürger-Initiative. Das Ehepaar Simmes finanzierte privat sogar einen neuen Plan.

Allerdings habe die Gemeinde ohne weitere Rücksprache einfach den ursprünglichen Plan umgesetzt. "Hier wird der Bürgerwille mit Füßen getreten", war ihr Eindruck damals. Als Reaktion kandidierte Carina Simmes 2014 erstmals für die Gemeindevertretung und wurde prompt für die Gruppierung "Brandenburger vereinigte Bürgerbewegungen/ Freie Wähler (BVB/ FW) Seddiner See ins Gremium gewählt. Nach dem Vorfall mit der BND-Enthüllung kandierte sie 2017 erstmals gegen Amtsinhaber Axel Zinke. Der erste Versuch scheiterte. Weil Zinke nun vorzeitig in Ruhestand ging, gab es eine zweite Chance für die bisherige BVB/FW-Fraktionssprecherin in der Gemeindevertretung. Obwohl es im ersten Wahlgang am 6. Februar vier Bewerber gab, fehlten Simmes nur 21 Stimmen zur absoluten Mehrheit. "Damit hätte ich nie gerechnet", sagt die 45-Jährige. In der Stichwahl gegen einen Kandidaten der Linken holte sie dann eine deutliche Mehrheit von 57,4 Prozent.

Ab 16. März ruht deshalb das Beamtenverhältnis von Simmes für acht Jahre, denn: In Brandenburg werden die hauptamtlichen Bürgermeister für acht Jahre an die Spitze der Gemeindeverwaltung gewählt. Ähnlich wie in Hessen sind die Wahlen der Gemeindevertretungen davon unabhängig alle fünf Jahre. Die Gemeinde Seddiner See entstand im Jahr 1993 durch den Zusammenschluss der bis dahin selbstständigen Gemeinden Kähnsdorf, Neuseddin und Seddin und hat heute gut 4500 Einwohner. "Wir stehen wirtschaftlich gut da", sagt Simmes. Die Kommune sei seit der Wende gewachsen, vor allem wegen der Nähe zu Berlin: Sie selbst habe rund 50 Minuten bis an ihren Schreibtisch in der BND-Zentrale gebraucht. Wofür sie dort zuständig war, verrät sie nicht. Ab heute ist Simmes nun Chefin von rund 100 Mitarbeitern, 20 davon im Rathaus, der Rest ist Personal in zwei Kitas, Hort und Bauhof. Als Erbe aus DDR-Zeiten hat die Kommune rund 600 gemeindeeigene Wohnungen.

Grundwasser-Spiegel sinkt stetig

Und was will Carina Simmes als erstes anpacken? "Ich habe ganz viele Wunschzettel von den Bürgern", berichtet sie über ihren Haustür-Wahlkampf: Sie habe an allen rund 2500 Haushalten geklingelt und die Wähler um Rückmeldungen gebeten. Die Wünsche reichen von Parkbänken an Wanderwegen, über mehr Radwege, die Sanierung des Bahnhofes bis zum Erhalt der Selbstständigkeit. Froh seien die Bürger, dass sich die Kommune etliche Zusatzleistungen gönne, etwa Betreuungskräfte in den Kitas.

"Eine der wichtigsten Aufgaben ist der Schutz des Seddiner Sees", sagt die neue Bürgermeisetrin: Das 218 Hektar große Gewässer, das der Gemeinde ihren Namen gibt, verliere kontinuierlich Wasser. "Wir müssen schauen, dass wir den Grundwasserspiegel wieder heben", sagt sie und kündigt gleich in den ersten Tagen Antrittsbesuche bei den Nachbargemeinden und beim Abwasserzweckverband an, um dieses Thema anzusprechen. Der Grundwasser-Schutz sei auch ein Grund dafür, weshalb die Gemeinde nicht weiter ungebremst wachsen könne: "Wir brauchen eine schonende Entwicklung", betont Simmes, es gebe zwar Überlegungen, neues Bauland auszuweisen, aber nur in geringem Umfang. Auch der Tourismus müsse naturverträglich gesteuert werden. Zudem wünschten sich die Bürger gerade in Neuseddin einen öffentlichen Treffpunkt. Hinzu kommen aktuelle Herausforderungen: In der Gemeinde gebe es bereits ein Übergangswohnheim für Flüchtlinge mit 180 Plätzen. Carina Simmes stellt sich bereits darauf ein, dass sie sich sofort nach dem Amtsantritt auch um die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine kümmern muss.

Für die gebürtige Hammelburgerin ist Seddiner See zur Heimat geworden. "Ich habe hier Freunde gefunden", erzählt sie, und: "Es ist hier trotz der Nähe zu Berlin wie auf dem Dorf, man kennt sich." Sie fühle sich mit ihrem neuen Lebenspartner und den beiden Kindern sehr wohl. Aber auch die alte Heimat ist nicht vergessen: "Wir fahren mehrfach im Jahr nach Machtilshausen." Dabei merke sie immer wieder, dass das Landleben in Brandenburg und Unterfranken viele Gemeinsamkeiten habe.