Die Knöllchenfrau geht um

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Dieses Bild wurde für den Artikel nachgestellt, aber für Nancy Stahl, die ab sofort den ruhenden Verkehr in Nüdlingen und Haard überwacht, ist das keine Seltenheit: Parken auf dem Gehsteig kostet 55 Euro. Foto: Kerstin Väth
Dieses Bild wurde für den Artikel nachgestellt, aber für Nancy Stahl, die ab sofort den ruhenden Verkehr in Nüdlingen und Haard überwacht, ist das keine Seltenheit: Parken auf dem Gehsteig kostet 55 Euro.   Foto: Kerstin Väth
Drei Verstöße: Auf dem Gehweg geparkt, keine fünf Meter von der Einfahrt weg und ohne Parkscheibe. In Nüdlingen keine Seltenheit.Kerstin Väth
Drei Verstöße: Auf dem Gehweg geparkt, keine fünf Meter von der Einfahrt weg und ohne Parkscheibe. In Nüdlingen keine Seltenheit.Kerstin Väth
 

In Nüdlingen ist jetzt Schluss mit wilder Parkerei und verbotswidrigem Verhalten von Auto- und Radfahrern. Auf Beschluss des Gemeinderates wurde eine kommunale Verkehrsüberwachung eingeführt.

Es schmeckt sicherlich nicht jedem und einige haben ihrem Ärger bereits auf Internetportalen Luft gemacht. Doch es gibt Regeln für alle Verkehrsteilnehmer. Um diese in Nüdlingen und Haard einzuhalten, hat der Gemeinderat am 9. Oktober 2018 beschlossen, eine kommunale Verkehrsüberwachung für den ruhenden Verkehr einzuführen. Jetzt wurde der Beschluss vollzogen. Seit Mitte Mai führt Nancy Stahl jeweils sechs Stunden wöchentlich Kontrollen zu unterschiedlichen Zeiten durch.

Hauptsächlich erfolgt die Verkehrsüberwachung in der Hauptstraße von Nüdlingen, wo zahlreiche Autofahrer ihr Gefährt auf dem Gehweg abstellen. "Das ist besonders teuer", weist Nancy Stahl in einem Gespräch mit dieser Zeitung auf die gesetzlichen Bestimmungen hin, die sich in diesem Jahres verschärft haben. Am 28. April wurde der neue Bußgeldkatalog veröffentlicht. Seitdem gilt: Halten auf dem Gehsteig (bis drei Minuten) kostet 50 Euro, Parken sogar 55 Euro. Auch wer länger als drei Minuten an der Bushaltestelle steht (das ist grundsätzlich erlaubt, sofern kein Zusatzschild Absolutes Halteverbot aufgestellt ist), bezahlt 55 Euro.

Besonders gerne parken Autofahrer außerdem links, sprich gegen die Fahrtrichtung, oder zu nah vor oder hinter einer Kreuzung beziehungsweise Einmündung (sprich sie halten keine fünf Meter Abstand). "Viele machen sogar gleich drei Sachen falsch", so Stahls Erfahrung nach der ersten Woche. Dann werde jedoch nur der teuerste Verstoß geahndet. Und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass so gut wie kein Autofahrer vor Bank, Metzger oder Konditorei in der Hauptstraße eine Parkscheibe hinter die Windschutzscheibe klemmt - wie es eigentlich vorgeschrieben wäre. Die Beschilderung, für die in der Ortsdurchfahrt (B287) das Landratsamt als Verkehrsbehörde zuständig ist, wird meist geflissentlich missachtet.

Besonders schlimm sei das Parken laut Stahl in der Schenkgasse, obwohl es dort ausgewiesene Parkplätze gibt. Einige Falschparker machten ihrem Ärger bereits auf Facebook Luft. Dort hat sie dann prompt den Titel "Knöllchenfrau" bekommen, aber "damit kann ich leben", sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau. Beschimpft oder gar tätlich angegangen wurde sie bislang nicht. Spannend sind jedoch die Ausreden, die ertappte Falschparker erfinden. "Eine Frau hat gesagt, sie hätte lediglich das Tor an ihrem Grundstück geöffnet und auf die Nachfrage, warum das acht Minuten gedauert hat, sagte sie, sie musste noch Schuhe anziehen", erzählt die Kontrolleurin. Womit die Fahrerin vorher hinter dem Steuer saß, blieb ungeklärt.

Wenn die Behinderung durch den Falschparker zu groß ist, muss Nancy Stahl die Polizei informieren. Dann hat sie selbst keine Handlungsbefugnis mehr, weil es dann einen Punkt in Flensburg für den Falschparker gibt und die Strafgebühr wandert nicht mehr in den Gemeindesäckel.

Wenn jemand einmal zwei Tickets an der Windschutzscheibe hängen hat, ist wohl sein TÜV abgelaufen. Denn auch das darf die Dame vom VÜD verwarnen. Ebenso wie Verstöße von Radfahrern. Und auch der Gemeindeteil Haard wird nicht verschont.

Mahnungen für Nichtzahler verschickt die Gemeinde. Dort gibt Nancy Stahl regelmäßig die Beweisfotos ab, die sie von jedem Verstoß machen muss. Sie habe allerdings bereits nach zwei Tagen das Gefühl gehabt, dass es weniger Verstöße gegeben hat. Und "viele finden es auch gut, dass jetzt kontrolliert wird", berichtet Nancy Stahl. Sie werde sogar oft gefragt, ob man da Parken darf.

Kontrolle ist wichtig

Das wundert Bürgermeister Harald Hofmann nicht. Schließlich habe sich der Gemeinderat 2018 für die Einführung des VÜD ausgesprochen, weil Verkehrsbehinderungen und Falschparker in vielen Bürgerversammlungen immer wieder Thema waren. "Immer wieder haben Bürger moniert, dass ihre Garage zugeparkt sei oder ähnliches", erinnert sich Hofmann. Im Gemeinderat sei man damals überein gekommen, dass es wenig nützt, wenn eine Anordnung nicht überwacht wird. Deshalb habe man sich für diese Kontrollen seitens der Gemeinde entschieden.

Auf die Frage, warum die Umsetzung des Beschlusses sage und schreibe fast 20 Monate gedauert hat, erläutert das Gemeindeoberhaupt, das zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden mussten. Zunächst habe man abgeklärt, ob man die Aufgabe fremdvergeben könne. Doch umliegende Gemeinden wie Bad Bocklet und Bad Neustadt hätten alle abgesagt, weil sie bereits ausgelastet sind. Dann musste jemand den Verwaltungsakt übernehmen, "sowas geht nicht über Nacht". Und zudem, sagt Hofmann, sei eine kleine Verwaltung wie ihre in den letzten Monaten mit dem Thema Ortsumgehung, Bürgerentscheid und Kommunalwahlen ausgelastet gewesen.

Auch das Personal musste erst einmal gefunden und geschult werden. "Wir hatten Glück, dass Nancy Stahl die Ausbildung noch vor Corona machen konnte; jetzt gibt es gerade gar keine Kurse mehr", so Hofmann. Wie und was geahndet wird, hat die neue 450 Euro-Kraft in einem zweiwöchigen Vollzeit-Lehrgang mit Prüfung in Nürnberg gelernt. Und als "Uniform" hat ihr die Gemeinde Nüdlingen eine hellblaue Jacke mit Gemeindewappen gestellt. Keiner habe den VÜD künstlich hinausgezögert, macht der Bürgermeister auf Nachfrage deutlich. "Er sollte Ende 2019 eingeführt werden und jetzt ist es Mitte Mai geworden, das ist ok". Der Kollege, der die Bearbeitung in der Verwaltung übernimmt, hat sich selbst eingelesen.

Hinweise kamen rechtzeitig

Der Bürgermeister selbst hat noch keine Kritik abbekommen. Man habe in den Nüdlinger Nachrichten schließlich jeden auf die neue Verkehrsüberwachung hingewiesen. Die Einnahmen gehen in den Haushalt ein, wie das bei Gemeinden üblich ist. Harald Hofmann macht deutlich: "Der Verkehrsüberwachungsdienst wird nie angeordnet wegen des Geldes, da geht es ausschließlich um Sicherheit." Es könne nicht angehen, dass Kinderwägen oder Rollatoren zum Beispiel am Wurmerich oder in der Haardstraße auf die Straße ausweichen müssen, nur weil Autofahrer glauben, sie müssten den halben Gehsteig zuparken.

Das Gemeindeoberhaupt ist sich sicher, "wer einmal bezahlt hat, wird sich an die Verkehrszeichen halten, dann werden sich auch die Kommentare reduzieren und die Leute werden sich regelkonform verhalten." Er glaubt, dass langfristig die Verkehrsteilnehmer dort parken werden, wo es erlaubt ist. Der kommunale Verkehrsüberwachungsdienst wird jedoch auch dann bleiben, wenn Nancy Stahl keinen Verstoß mehr findet, sonst "hält sich wieder keiner mehr dran".