Mehr als 4000 DDR-Flüchtlinge passierten das Aufnahmelager in Hammelburg. Den damaligen Beteiligten ist vor allem ein Erlebnis in Erinnerung geblieben.
An Jahrestagen wie dem Tag der Deutschen Einheit denkt Helga Nitzsche-Schubert an die Ereignisse von 1989 zurück. Drei Tage vor dem Fall der Mauer flüchtete sie mit ihrer Familie über die damalige CSSR in den Westen. "Es war eine Nacht- und Nebelaktion", sagt Nitzsche-Schubert, die aus der Gegend um Löbau stammt.
In Schirnding passierte die Familie in ihrem "grasgrünen Trabi" die Grenze zu Westdeutschland.
Sie war danach eine Woche in Oberwildflecken und eine Woche im Lager Hammelburg untergebracht - wie Tausende von DDR-Flüchtlingen. Denn im Herbst 1989 wurde die General-Heusinger-Kaserne für sie zur ersten Anlaufstation: Im September, Oktober und November, in den Tagen um den Mauerfall, passierten mehr als 4000 DDR-Flüchtlinge das Aufnahmelager.
Trabi-Kolonne am Lagerberg "Die erste Welle erreichte uns aus
Ungarn", erinnert sich Eberhard Munz. Der Oberst a.D. war als stellvertretender Schulkommandeur auf der militärischen Seite mit der Organisation der Aufnahme betraut. "Mit ihren 1000 Plätzen war die General-Heusinger-Kaserne erste Wahl." Wegen eines Reservistenwettkampfs war die Einrichtung von übenden Truppen frei gehalten worden. Als die Kaserne wieder mit übenden Soldaten belegt werden sollte, kamen die Flüchtlinge, wie Munz erklärt.
"Mit Trabis rollten sie den Lagerberg hinauf. Es war eine riesige Kolonne. Man roch es schon von Weitem."
Der zweite Ansturm umfasste die DDR-Bürger, die in der Prager Botschaft ausgeharrt hatten. Nachdem ihre Ausreise ausgehandelt worden war, erreichten mehrere Sonderzüge aus Prag über Hof den Hammelburger Bahnhof.
Helfer versorgten die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft mit dem Nötigsten. Die Bundeswehr organisierte den Transport in die Kaserne.
Der Bundesgrenzschutz wickelte dort die Aufnahmeformalitäten ab. Durchschnittlich eine Woche verweilten die Flüchtlinge auf dem Lagerberg. Danach kamen sie bei Verwandten oder in anderen privaten Wohnräumen unter. Nitzsche-Schubert fand in einer Ferienwohnung in Diebach Unterkunft, bevor sie im Februar 1990 in eine Wohnung in Hammelburg zog.
Munz ist es wichtig zu betonen, dass nicht nur die Infanterieschule und die Standortverwaltung
(heute: Bundeswehr-Dienstleistungszentrum) Unterstützung leisteten. Es waren auch andere Organisationen wie die Caritas oder das Rote Kreuz dabei. Bei der Bundeswehr war die Koordination der zivil-militärischen Hilfsaktion aber zumindest von der Sache her gut angesiedelt.
Besonders erwähnenswert ist Munz die Spendenbereitschaft der Bevölkerung. Sie sei "überwältigend" gewesen. Munz: "Jeden Tag brauchten wir eine neue Halle.
Am Ende waren fünf, sechs Kfz-Hallen mit Hilfsgütern voll." Wie Nitzsche-Schubert berichtet, wüssten ihre Kinder, die damals drei und vier Jahre alt waren, noch, dass die Soldaten mit ihnen gespielt haben. "Sie bekamen auch Joghurt und Bananen geschenkt."
Nitzsche-Schubert ist in Hammelburg geblieben. In die Straße, in der sie wohnt, ist einige Zeit später auch eine Schulfreundin aus ihrem sächsischen Heimatort gezogen.