Lost Places - Leer stehende, historische Gebäude sind begehrte Foto-Motive. In der Szene sprechen sich Objekte wie das Apolant schnell herum.
Anfassen verboten! Wenn Andreas A. (Name geändert) einen "Lost Place", also ein leer stehendes Haus, betritt, hat er einen Grundsatz: "Ich nehme alles so, wie ich es vorfinde." Dem Hobby-Fotografen geht es um authentische Motive: Bröckelnde Stuck-Decken, zerknautschte Kopfkissen, rostende Notstrom-Aggregate, einsame Spielsachen, verstaubte Dielen und vergessene Stühle sind auf seinen Bildern zu sehen.
"Bei mir ging es mit dem Geo-Cachen los", berichtet Andreas A. von den Anfängen vor rund zehn Jahren. Mit dem GPS-Gerät entdeckte er die ersten Ruinen und leer stehenden Gebäude. "Da wird man richtig durch den jeweiligen Ort geführt." So habe er etwa die Ruine Homburg erforscht. "Das sind die ursprünglichsten Lost Places."
Nach und nach sei er dann immer öfter bei leer stehenden Gebäuden "eingestiegen". Allerdings hat Andreas A. dabei feste Grundsätze: "Nimm nichts mit außer Bildern und lass nichts zurück außer Fußabdrücken", laute die goldene Regel der sogenannten Lost-Place-Fotografen. Das bedeute auch, dass er noch nie irgendwo eingebrochen sei: "Ich habe Respekt vor verschlossenen Türen. Ich würde nie Hand anlegen, um irgendwo reinzukommen." Keine Tür und kein Fenster habe er je aufgebrochen, das einzige Risiko sei, wegen Hausfriedensbruch belangt zu werden.
"Viel Nervenkitzel dabei"
Was macht den Reiz aus? "Es ist schon viel Nervenkitzel dabei", sagt Andreas A. zu seiner Motivation. Und natürlich die Suche nach immer neuen Motiven - die allerdings niemand zu sehen bekommt: Im Gegensatz zu vielen anderen Fotografen hat Andreas A. bislang noch nie ein Bild unter seinem Namen veröffentlicht - um möglichst unerkannt zu bleiben. "Ich war schon als Kind neugierig und immer auf Entdeckungstour", erinnert sich Andreas A. an Streifzüge durch Dachböden und Keller.
Die Szenerien, die er auf seinen Touren vorfindet, hätten etwas von modernen Endzeit-Filmen. "Viele Gebäude haben ihren ganz morbiden Charme." Oft fühle man sich in längst vergangene Zeiten versetzt. "Im Apolant steht zum Beispiel ein alter Ofen ganz allein mitten in einem Raum, das hat einfach was."
Meist in Gruppen unterwegs
In den vergangenen Jahren habe sich eine regelrechte Szene rund um Lost Places gebildet. An manchen Orten, wie den Beelitz-Heilstätten in Berlin, könne man sogar ganz legal Fotokurse buchen. Andreas A. reizt eher das Verbotene, wobei auch er vorsichtig ist: "Meistens ziehen wir als Gruppe los, man weiß ja nie, wem man so begegnet."
Einmal sei er auch wirklich jemandem über den Weg gelaufen, der sich aber schnell aus dem Staub machte, weil er wohl selbst illegal herumstrolchte. Aber auch wenn man alleine ist, bleibe der Nervenkitzel: "Man hört da jede Menge Geräusche, meistens ist es nur der Wind."
In der Morgendämmerung
Am liebsten entdeckt Andreas A. in der Morgendämmerung die Lost Places. Dann sei das Licht am schönsten und die Gefahr am geringsten. In der "eingeschworenen Gemeinschaft" sprechen sich reizvolle Objekte schnell herum: Jeder bringe Vorschläge mit, oder jemand liest von Leerständen in der Zeitung.
Das mittlerweile abgerissene ehemalige Kreis-Krankenhaus in Bad Brückenau zum Beispiel sei immer wieder in Polizeimeldungen aufgetaucht und dadurch in der Szene bekannt geworden. Dabei gebe es neben den Lost-Place-Fotografen auch so genannte Urban Explorer und Wittler: Erstere würden auch vor dem Einbruch in noch genutzte Einrichtungen nicht zurückschrecken, letztere sind nach der Moderatorin Tine Wittler benannt und räumen in den Lost Places auf.