Wissenschaft: Neue Erkenntnisse über Ernst Putz

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Erinnerung an Kindheitstage in Bad Brückenau: Ein Familienfoto aus dem Jahre 1906 zeigt den damals zehnjährigen Ernst Putz (ganz rechts) zusammen mit seinen Eltern Sebastian und Amalie Putz und den Geschwistern Josef (von links), Elisabeth und Charlotte. Repro: Ralf Ruppert/ Archiv Saale-Zeitung
Erinnerung an Kindheitstage in Bad Brückenau: Ein Familienfoto aus dem Jahre 1906 zeigt den damals zehnjährigen Ernst Putz (ganz rechts) zusammen mit seinen Eltern Sebastian und Amalie Putz und den Geschwistern Josef (von links), Elisabeth und Charlotte. Repro: Ralf Ruppert/ Archiv Saale-Zeitung
Ernst Putz Repro: Ralf Ruppert/Archiv
Ernst Putz Repro: Ralf Ruppert/Archiv
 

Als Kommunist und Bauernführer ist Ernst Putz in seiner Heimatstadt bekannt. Putz war aber nicht nur Politiker. In Bad Brückenau startete er ein reformpädagogisches Schulprojekt. Doch das ambitionierte Experiment scheiterte.

Er arbeitete als Kommunist im Untergrund gegen die Nazis. Doch woher nahm Ernst Putz seine tiefe Überzeugung, die ihn letztlich auch in den Tod trieb? Auf der Suche nach Zeitzeugnissen über die Freie Schulgemeinde Wickersdorf stieß der Erziehungswissenschaftler Peter Dudek auf die Lebensgeschichte von Ernst Putz. In dem Band "Sammeln, erschließen, vernetzen. Jugendkulturen und soziale Bewegungen im Archiv" beschreibt Dudek die Erinnerungen des KPD-Reichstagsabgeordneten Putz an dessen Schulzeit. "Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit gesellschaftlichen Außenseitern", sagt der Autor. "Ihre Lebenswege faszinieren mich."

Auf den ersten Blick hat das reformpädagogische Schulprojekt in Wickersdorf bei Saalfeld in Thüringen nichts mit Bad Brückenau zu tun. Der zweite Blick jedoch zeigt: Die Werte, die Putz in seiner Jugend verinnerlichte, trieben ihn sein ganzes Leben an. "Nie hast du verstanden, warum ich so an Wickersdorf hing", schrieb Putz aus dem Zuchthaus in Berlin Moabit an seinen Vater, kurz bevor er im September 1933 vermutlich Selbstmord beging (siehe Info-Kasten). Diese 16 Monate in Wickersdorf, schreibt Putz weiter, seien ihm wie ein erfülltes Leben oder eine Insel der Seligen vorgekommen. Erst später habe er begriffen, dass er für seine Überzeugung - den Kommunismus - auch würde kämpfen müssen.


Schulprojekt scheiterte

Auf dem elterlichen Sinntalhof im Staatsbad, in der lange Zeit eine Kurpension war, versuchte Ernst Putz, ein eigenes Schulprojekt - ähnlich wie Wickersdorf - auf die Beine zu stellen. "Das war einmalig, dass in der Rhön eine höhere Schule eingerichtet wurde", erklärt Dieter Sternecker vom Kulturbüro. Im August 1920 stellte der damals erst 24-Jährige bei der bayerischen Landesregierung einen Antrag zur Gründung einer eigenen Schule. Im Oktober 1920 wurde das private Landerziehungsheim genehmigt, und vier Schüler kamen nach Bad Brückenau. Ein Jahr später waren es schon 14. Im Schuljahr 1922/ 23 wurden 29 Schüler aufgeführt, recherchierte Peter Dudek.

Doch die Idylle hielt nicht lange. Putz überwarf sich mit Max Bondy, einem deutschen Reformpädagogen, der ebenfalls an der Gründung der Schule beteiligt war. Den Eltern empfahl Putz, ihre Kinder auf andere Schulen zu schicken - zum Beispiel nach Wickersdorf, in die Odenwaldschule oder die Bergschule Hochwaldhausen im hessischen Vogelsberg. Damit war seine "Freie Schul- und Werkgemeinschschaft Sinntalhof" nach nur drei Schuljahren Geschichte.


Zündfunke für die Bildung

Auch wenn das Projekt damals scheiterte, bewertet Sternecker den Versuch als "Zündfunken für die Region". Nur ein Jahr später, im Jahre 1924, gründete Pfarrer Franz Miltenberger eine Realschule in Bad Brückenau, aus der später das heutige Franz-Miltenberger-Gymnasium hervorging. Die Schulgemeinschaft auf dem Sinntalhof stehe zwar nicht in direktem Zusammenhang mit Miltenberger. Das Bewusstsein, auch im ländlichen Raum der Rhön für Kinder Möglichkeiten zur höheren Bildung zu schaffen, dürfte Ernst Putz aber bestärkt haben, würdigt Sternecker.

Für seine Schwester Charlotte Putz war der Schulbesuch in Wickersdorf übrigens keine gute Zeit. "Die beiden Kinder haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht", berichtet Dudek. "Ernst Putz war ganz begeistert, für seine Schwester war es eher ein Trauma", deutet Dudek an, dass die Reformpädagogik durchaus auch umstritten ist.

Für Dieter Sternecker steckt in dem Band aber noch eine andere wichtige Information. "Es ist noch einmal eine Bestätigung dafür, dass Ernst Putz Selbstmord begangen hat, um seine Familie zu schützen." Denn Dudek zitiert aus einem Brief von Charlotte Putz: "Mein durch tiefe Freundschaft verbundener Bruder [...] nahm sich 1933 im Gefängnis in Moabit das Leben. Es war kurz vor dem Urteil, das unseren alten Vater und uns Schwestern Heimat und Vermögen genommen hätte." Das Buch ist in der Brückenauer Bibliothek zu finden.