Die Wildkatze ist in der Rhön heimisch. Und doch bekommt man das Tier des Jahres 2018 kaum zu Gesicht, denn es ist ein Meister der Tarnung.
Im Unterholz hört man kaum ein Geräusch. Und doch streckt ein Tier den Kopf vorsichtig aus dem Gebüsch. Ganz langsam kommt ein etwa acht Kilogramm schwerer Kuder - eine männliche Wildkatze - hervor, so leise, dass man ihn kaum wahrnimmt, wäre er nicht zu sehen. Die Katze stolziert auf den Holzpolter am Wegesrand zu, hüpft mit leichten Sprüngen nach oben und fängt in der frühen Sommermorgensonne an, sich nach der nächtlichen Jagd zu putzen.
So oder so ähnlich erlebt es Rainer Betz, Altförster und Jäger aus Unterleichtersbach, häufig bei seinen morgendlichen Ansitzen im Wald nahe des Schondratals. Die Europäische Wildkatze ist in unseren Breiten heimisch und doch bekommt der normale Waldspaziergänger sie kaum zu sehen. Neben ihrem guten Gehör sind die leisen Jäger nachtaktiv und schlafen den Tag über in Höhlen und alten, ausgehöhlten Baumstämmen.
Bestand stabil aber gefährdet
"Die Rhön ist ein wichtiger Verbreitungskorridor für die Wildkatze", bestätigt Tobias Gerlach vom Unesco-Biosphärenreservat Rhön. Im Jahr 2013 veröffentlichte der Verein Rhön Natur Ergebnisse von jahrelangen Untersuchungen zur Wildkatze in der Rhön. Bei den Untersuchungen konnten besonders viele Individuen - nämlich 19 an der Zahl - im Neuwirtshauser Forst zwischen 2009 und 2013 nachgewiesen werden. "Drei Individuen kreuzten dabei die Autobahn A7, davon zwei Kuder, noch vor dem Bau der Grünbrücke Oberthulba", berichtet Gerlach.
Die Untersuchungen gehen auch nach Ende des Projekts in abgeschwächter Form weiter. Insgesamt wurden bisher im Gebiet des Biosphärenreservats Rhön mehr als 220 einzelne Wildkatzen erfasst. "Interessant ist auch, dass ein im Jahr 2013 nachgewiesenes Wildkatzen-Weibchen im Winter 2015 nur knapp einen Kilometer vom ursprünglichen Fundort erneut nachgewiesen wurde", sagt Gerlach.
Ein ähnlicher Nachweis der Gebietstreue in der Rhön lässt den Schluss zu, dass das Biosphärenreservat Rhön einen dauerhaften Lebensraum für Wildkatzen darstellt. "Heute gehen wir daher von zwei Fakten aus: Erstens gibt es die Wildkatzen überall in der Rhön in guter Zahl und zweitens breiten sie sich von hier aus nach Norden und nach Süden aus", berichtet Gerlach über die aktuelle Situation.
Ausgesetzte Wildkatzen
Auf der Roten Liste der bedrohter Tierarten ist die Europäische Wildkatze als gefährdet eingestuft. In den 1980er Jahren gab es Maßnahmen, um den Bestand der leisen Mäusejäger zu verbessern. "Im Landkreis Bad Kissingen wurden Ende d er 80er Jahre vier Wildkatzen aus einem Freigehege im Spessart ausgesetzt", sagt Altförster Betz. Auch heute noch ist die Wildkatze auf Schutzmaßnahmen angewiesen, denn viele Räuber - wie beispielsweise der Fuchs, der Uhu und der Marder - haben es auf die Jungtiere abgesehen. Das hohe Verkehrsaufkommen tut sein Übriges.
Auch die Bayerischen Staatsforsten sind sich der Wildkatze bewusst. Konkrete Ziele und Maßnahmen für deren Schutz stellte der Forstbetrieb Bad Brückenau 2016 in seinem Naturschutzkonzept vor. "Immer wieder kommt es zu Unfällen an Holzpoltern", erklärt Betz aus Erfahrung. Denn zwischen den aufgestapelten Baustämmen liegen oft Jungtiere, die hier vor den Feinden geschützt sind. Doch auch dafür sind die Forstarbeiter mittlerweile sensibilisiert.