In der Urlaubszeit gönnen sich viele Gäste eine Auszeit in der Kur- und Gesundheitsstadt Bad Brückenau. Aber warum sollten nicht auch Einheimische von der Kompetenz vor Ort profitieren? Teil II unserer Sommerserie.
Still ist es im Behandlungsraum für Kneippanwendungen in der Malteser Klinik von Weckbecker in Bad Brückenau. Am Fenster sitzt Gudrun Besten, ihre Arme liegen in wohlig warmem Wasser. Das Wasser hat eine leicht rötliche Farbe. Ramona Simon hat etwas Rosmarin zugegeben, um die Anregung des Kreislaufs zu verstärken. "Bei Rheuma und Gelenkbeschwerden helfen warme Temperaturen", sagt sie. Zum Kneippen freilich gehört nicht nur der angenehme Teil, sondern auch der Kälte-Kick.
"Huiii..." Gudrun Besten zieht hörbar die Luft ein, als sie etwa fünf Minuten später die Arme in das Becken mit kaltem Wasser legt. Kneippen gehört schon lange zu ihrem Leben, aber an den Kälte-Kick gewöhnen sich selbst beinharte Kneipp-Fans nie ganz. Von der Wirkung ist Besten überzeugt. Jahrelang stand auf ihrer Terrasse eine Wanne mit kaltem Wasser. Bevor sie in den Tag startete, trat sie Wasser und tauchte dann kurz unter.
Erkältungen, sagt sie, kenne sie seitdem gar nicht mehr. "Aber es ist nicht nur der Körper. Die Wechselbäder fördern auch das Gedächtnis."
Wie überall gilt: Nicht übertreiben
Doch wer kneippt, sollte ein paar Dinge beachten. "Nie kaltes Wasser auf einen kalten Körper geben! Das hat eine lähmende Wirkung", erklärt Ramona Simon. Im Allgemeinen haben die Bäder, die sie für die Patienten zubereitet, eine Temperatur von 37 oder 38 Grad Celsius. Das kalte Bad liegt etwa 20 Grad darunter. "Es geht darum, den Kreislauf anzuregen", sagt Simon. Gerade in Verbindung mit den Fastenkuren, für die die von Weckbecker Klinik bekannt ist, unterstütze das die Ausschwemmung von Giftstoffen aus dem Körper.
Besonders wirksam ist das Kneippen bei Venenleiden. Bei Krampfadern beispielsweise regt Wassertreten die Durchblutung an.
Hier kommen zwei Dinge zusammen: Kälte und gleichzeitig Bewegung. "Der Kältereiz leitet Wärme ab, und und die Bewegung aktiviert die Venenpumpe der Muskulatur", erklärt Dr. Robert Bachmann.
Schlüsselerfahrung des Gründers
Dass Kneippanwendungen im Haus so eine wichtige Rolle spie len, hat mit dem Gründer Dr. Erich von Weckbecker zu tun. Er hatte ein schweres Nieren- und Leberleiden. Mit Mitte 30 erklärte ihn die Schulmedizin praktisch als austherapiert. Im St. Josefsheim in Bad Brückenau widmete sich von Weckbecker intensiv der Kneipp-Medizin und wurde gesund. "Diese Schlüsselerfahrung hat ihn zur Naturheilkunde gebracht", erklärt Christoph Hartmann vom Marketing der Malteser Klinik.
Vor 60 Jahren baute von Weckbecker zusammen mit seiner Frau die hiesige Klinik auf.
"Man kann auch mit kleinen Reizen anfangen", macht Ramona Simon Mut, dass man nicht gleich kopfüber ins kalte Wasser springen müsse, um etwas für seine Gesundheit zu tun. "Das ist eine Sache des Trainings, der Körper gewöhnt sich mit der Zeit an die Kälte." Für den Anfang tun's auch einfache Mittel. Ein länglicher Farbeimer aus dem Baumarkt beispielsweise reicht für Armbäder locker aus. Und wer ohnehin mit der Gießkanne im Garten unterwegs ist, kann auch eben mal einen Schwall kaltes Wasser über die Waden gießen. Auf geht's!
So kneippen Sie richtig: Grundsatz Egal ob Fuß- oder Armbäder, Güsse oder Wassertreten - Kneippanwendungen leben von dem Wechsel zwischen kaltem und warmem Wasser.
In der Regel sollten etwa 20 Grad Unterschied zwischen warmem und kaltem Wasser bestehen. Bei Güssen sollte das Wasser vollständig ablaufen können. Achtung: Niemals über das natürliche Schmerzempfinden des Körpers hinausgehen!
Zusatz Kneippanwendungen funktionieren auch mit reinem Wasser. Um die Wirkung aber zu verstärken, gibt es Zusätze, die dem Wasser beigemischt werden können und den Kreislauf zusätzlich anregen - oder beruhigen. Achtung: Medikamentöse Wechselwirkungen beachten!
Ganzheitlichkeit Wasseranwendungen sind nur ein Element der Kneipp-Medizin. Ernährung, Bewegung, die Wirkung von Heilpflanzen und eine bewusste Lebensführung spielen ebenfalls eine Rolle.
Tipp Im Schlosspark des Staatsbades Bad Brückenau (hinter der Wandelhalle) und im Georgi-Park in der Stadt (hinter der Georgi-Halle) finden Sie übrigens öffentliche Kneipp-Becken.