Kammerorchester weckt die Italien-Sehnsucht

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Das zweite Jubiläum in Folge beging das Bayerische Kammerorchester (BKO) Bad Brückenau in seinem Winterkonzert: Nach dem 25-jährigen Bestehen seines Freundeskreises war nun der Umzug nach Bad Brückenau vor zehn Jahren Anlass, die Zuhörer mit einem ungewöhnlichen Programm und einem besonderen Solisten zu überraschen: Die Bratsche und Nils Mönkemeyer standen im Staatsbad im Mittelpunkt.

Zu Mönkemeyers Erfolg hat beigetragen, dass er seine Hörer mit weniger bekannten Werken und mit zeitgenössischen Kompositionen überrascht. Eine von ihnen war auch im Staatsbad im Programm: "Et expecto..." von Marco Hertenstein, von Mönkemeyer in Auftrag gegeben und 2012 uraufgeführt. Das Stück fügte sich auf eigene Art in das mit "Sehnsucht nach Italien" überschriebene Konzert ein, was die Klangsprache betrifft, nahm es eine Sonderstellung ein.
Das Auftragswerk lehnt sich an ein Stück von Johann Sebastian Bach an, der im Konzert ebenfalls mit seinem dritten "Brandenburgischen Konzert" in G-Dur (BWV 1048) vertreten war. Chefdirigent Johannes Moesus erläuterte, dass Bach darin die seinerzeit aus Italien übernommene Auffassung des Konzertierens als "Wettstreit" zwischen Instrumentengruppen zugrunde gelegt hat.
Das BKO arbeitete diese Anlage in verblüffender Weise heraus: Die Besucher hörten den überstrapazierten Evergreen selten so konsequent dieser Architektur folgend. Klar stellten die Musiker dabei die Strukturen im Großen und die Linien im Feinen dar, sehr ausdrucksvoll und vielfarbig waren die Klangvarianten durchgeformt. Dabei war das Ganze von mitziehender Musikalität durchdrungen - im besten Sinne aufregend.

Hörbare Freude am Wettstreit

Fein nuanciert, niemals pauschal baute Moesus mit seinen Musikern Übergänge auf, trennte klar, wo Kontraste zwischen den Instrumenten gefordert sind, baute Spannungen auf, ließ behutsam Klangintensität an- und abschwellen. Die Spieler traten mit hörbarer Freude in den Wettstreit, gut hörbar vor allem im dritten Satz, der temporeich angegangen war, und in dessen Farbspektrum man gelegentlich meinte, sogar Hörner zu vernehmen.

Geschickte Registerwechsel

Kontrastreiche Freude bereitete auch Helene Lerchs Cembalospiel im zweiten Satz, das kraftvoll, aber vornehm war und durch geschickte Registerwechsel mitunter in weite Fernen entführte. Gestische Leichtigkeit und spielerische Eleganz waren ihr Kennzeichen. Kein Wunder, dass in den Schlusston der Violine sich leise, aber hörbar, ein entzücktes "Oh, schön!" aus den Hörerreihen mischte.
Auffällig in der Tongebung des Ensembles war ein bis in die Violinen hinauf in Richtung Bratsche gefärbter Streicherklang. Er hatte bereits das eröffnende "Concerto grosso D-Dur op. 1, Nr. 9" von Pietro Antonio Locatelli bestimmt. Ein dunkler Klang mit kräftigem Kontrabassfundament, das auch auf die hohen Streicher ausstrahlte, überraschte die Hörer. Mit modernen Instrumenten zauberten die Musiker barocke Klangpracht und -farben, deren Charakter terzig-dunkel waren. Zupackend und doch sensibel war das Musizieren, abwechslungsreich die Wiedergabe der fünf Sätze, die mal scharf klagend, mal heiter, mal berührend dargestellt waren. Musik zwischen Ballsaal und Kabinett, die nicht in erster Linie interpretiert war, sondern ausgesprochen variantenreich Stimmungen erzeugte - und das in höchster Präzision.

"Meditativer Mittelpunkt"

"Meditativer Mittelpunkt des Programms" aber war laut Moesus Hertensteins "Et expecto...". Orchester und Solist Nils Mönkemeyer gaben zunächst Klang- und Motivbeispiele. Ganz sphärisch wirkte die Komposition, deren Inspiration das Bild des Übergangs vom Tod zum Leben ist. Ein voller, dunkler Violaklang lag über zart schillerndem Orchesterklang. Es ist ein erzählendes, illustratives Werk. Man spürt, dass Hertenstein von der Filmmusik kommt - was kein Makel ist. Viel Symbolik bestimmt das Stück. Was das Stück faszinierend macht, sind sein dichter Klang und die Tatsache, dass es dem Hörer ganz zugewandt ist, ihn anspricht, das Vergehen und Erblühen hörbar darstellt. Faszinierend war auch die vollkommene, wunderbare Einheit zwischen Solist und Orchester, die zum Teil fast überirdische Höreindrücke bescherte. Es ist für den Solisten kein augenscheinliches Bravourstück, sondern ein kontemplatives Werk, das viel Ausdrucksfähigkeit fordert.
Beeindruckend war, was Mönkemeyer in Niccolò Paganinis "Sonata per la Gran Viola" an Technik, Tempo und Farbspielen vorführte. Große Freude und ein eigenwilliges Italien-Gefühl brachten abschließend Marco Enrico Bossis "Intermezzi Gol doniani op. 127" für Streichorchester. Ein begeisterndes Jubiläumskonzert, das mindestens so viel Sehnsucht nach weiteren Konzerten in Bad Brückenau wie nach Italien weckte.