Hovawart-Hündin Ginger und Australian Shepherd-Hündin Bonnie besuchen jeden Freitag das Pflegeheim in Römershag.
Es ist völlig still im Wintergarten des Pflegeheims in Römershag. Etwa zehn Frauen und Männer sitzen auf Stühlen oder Rollstühlen im Kreis und warten. Kein Mucks ist zu hören. Auf einmal ertönt ein freudiger Aufschrei, die Hälse recken sich, die Augen weiten sich und die Gesichter strahlen. Bonnie und Ginger sind durch die Glastür zu sehen, auch sie freuen sich.
Jeden Freitag besuchen die beiden Hündinnen die Heimbewohner. Klaus Heinemann, Herrchen von Hovawart-Hündin Ginger und Australian Shepherd-Hündin Bonnie, kommt mit ihnen seit Januar dieses Jahres wöchentlich nach Römershag. Wie bei den in Bad Brückenau etablierten Besuchsdiensten möchte der 63-Jährige sich ehrenamtlich einbringen. Schon viele positive Rückmeldungen hat er von den Pflegekräften bekommen: "Die Besuche tun den Leuten einfach gut. Ihnen geht richtig das Herz auf", berichtet Heinemann.
"Du bist der Beste" Die Hunde laufen frei zwischen den Bewohnern, schnüffeln an ihnen und begrüßen sie. Schnell nehmen sowohl Hunde als auch die Bewohner Kontakt zueinander auf. Die Frauen und Männer locken die Tiere zu sich heran, streicheln sie, loben sie: "Du bist der Beste." Auf diese wöchentliche Abwechslung freuen sich alle, auch Gerd Kraus: "Hunde sind ehrlich und offen für Menschen", findet er. Und Elisabeth Neuß hat ihre Mitbewohner schon mehrmals an diesen Termin erinnert.
Mit dem Eintreten der Hunde in den Raum ist nicht nur Leben reingekommen, sondern richtige "Action". Die Bewohner sind wie ausgewechselt. Es herrscht ein regelrechter Wetteifer um die Nähe der Hunde. Die Menschen klatschen in die Hände, bücken sich zu den Tieren herunter und kommen miteinander ins Gespräch.
Mancher Bewohner hat in seiner Kindheit auch Hunde gehabt und kann Geschichten davon erzählen.
Positive Effekte Hunde im Pflegebereich - dieses Thema ist nicht neu. Gerade bei Demenzerkrankungen haben Studien bereits die positiven Effekte aufgezeigt. Klaus Heinemann, ehemals Lehrer an einer kaufmännischen Berufsschule in Würzburg, hat sich mit Beginn der passiven Phase der Altersteilzeit mit tiergestützter Pädagogik beschäftigt. Er absolvierte eine Hundetrainerausbildung und hat im vergangenen Jahr eine Hundeschule in Oberzell gegründet. Der Breitenbacher weiß, wie die Kommunikation zwischen Tier und Mensch pädagogisch einsetzbar ist.
Bonnie ist von einem bekannten Polizeihundeführer der "große" Wesenstest abgenommen worden. Darüber hinaus hat Bonnie das Zertifikat zum Schulbesuchshund.
Zusammen mit ihrem Herrchen bildet die Hündin ein "Schulhundeteam", das auch Grundschulklassen besucht. Ginger ist Begleithund. Ihr wurde ebenfalls kontrolliertes und sozialisiertes Verhalten attestiert.
Hunde sind unbefangen Schule und Altersheim - das hat für Klaus Heinemann Parallelen. "Kinder und Alte sind irgendwo ähnlich." Die hohe Verletzlichkeit beider Gruppen und eventuell unkontrollierte Bewegungen dürfen die Hunde nicht aus der Fassung bringen. In Römershag muss Klaus Heinemann eigentlich gar nichts machen. "Die Hunde schaffen das alleine." Sie kommen zu jedem, machen keine Unterschiede, kennen keine Befangenheit.
"Der Hund bringt etwas, was Menschen nicht zu bieten haben." Die sogenannte "analoge Kommunikation", der unmittelbare Kontakt "spricht jeden Menschen direkt an, vorurteilsfrei, ohne Worte und ohne Konventionen" erklärt Klaus Heinemann.
Die Besuche der beiden Vierbeiner haben langfristige Auswirkungen. Laut Marco Ullrich von der sozialen Betreuung "freuen sich die Bewohner die ganze Woche" auf den Hundebesuch. Bewohner, die unter Demenz leiden, erinnern sich an die Namen der Hunde. Das ist für Demenzkranke das reinste Erfolgserlebnis. "Die Patienten bewegen sich viel mehr." Sie gehen auf die Hunde zu, streicheln sie, werfen Bälle. Dies ist nicht nur eine motorische Übung, sondern auch Motivation. Nicht zuletzt fungieren die Hunde als Medium und fördern die soziale Interaktion. Auf ganzer Linie stellen die Hunde eine Förderung von Demenz-Kranken dar.
Auch gut fürs Arbeitsklima Heimleiter Roberto Ranelli setzt noch eins drauf: "Hunde sind genial. Man glaubt gar nicht, was ein Tier im Haus ausmacht." Sie sorgen nicht nur für Abwechslung und wecken Erinnerungen, sondern bringen Ruhe unter die Menschen, auch im Arbeitsklima.
Auch auf der Pflegestation werden die Patienten aktiv und raffen sich auf, um in den Flur zu Ranellis Hund Chicko zu kommen, der da auf und ab geht.
Die letzten Stunden Körperkontakt findet laut Roberto Ranelli im Heim viel zu wenig statt, die unmittelbare Zuwendung durch die Hunde wecke etwas Sentimentales. Streicheln tut beiden gut, dem Hund und dem Patienten. Mit einem Kloß im Hals muss Ranelli an einen Heimbewohner denken, der seine letzten Stunden lächelnd und seinen Hund streichelnd verbracht hat. Für den Heimleiter ist klar: "Tiere gehören unbedingt in ein Pflegeheim."