Ein ökumenischer Eklat brachte katholische und evangelische Pfarrer an einen Tisch. Seitdem treffen sie sich regelmäßig und tauschen sich aus: über theologische Details, das Lutherjahr 2017 und Homo-Plakate in Irland ...
Auf dem Tisch steht Zucker mit dem Label der Diakonie. Die Pfarrer aus dem Altlandkreis Bad Brückenau treffen sich in der Frie denskirche. Sie tragen legere Kleidung, Turnschuhe zum Teil. Sie treffen sich nicht oft in dieser Runde, vielleicht drei- oder viermal im Jahr. Dass sie sich überhaupt treffen, hat mit einem Vorfall zu tun, der sich vor einigen Jahren in der Roßbacher Kirche zutrug.
Schon lange ist es Tradition in der Region, dass katholische Christen - so die denn in einem evangelischen Ort wie zum Beispiel in Roßbach leben - auch dort beerdigt werden. Für die Beerdigung stellt die evangelische Kirche ihren katholischen Kollegen das Gotteshaus zur Verfügung.
Dann aber passierte es, dass ein katholischer Pfarrer die evangelischen Christen ex plizit von der Eucharistie (Abendmahl) aus schloss - in ih rer eigenen Kir che!
Luther: Reformer oder Spalter?
Damals jedenfalls holte Pfarrer Armin Haas von der Pfarreiengemeinschaft
Oberleichtersbach-Schondra die Kollegen beider Konfessionen an einen Tisch. Seitdem treffen sie sich, tauschen sich aus und sprechen auch kritische Fragen an. Zum Beispiel die Sache mit Luther. "Ich möchte jetzt doch mal fragen", sagt Pfarrer Carsten Friedel aus
Geroda, das ähnlich wie der Markt Zeitlofs seit Jahrhunderten schon evangelisch geprägt ist. "Wie verhaltet ihr euch zu 2017?" Er meint damit das Jubiläumsjahr, mit dem die evangelische Kirche in Deutschland 500 Jahre Reformation fei ert.
Friedel weiß, dass seine ka tholischen Kollegen wohl kaum ein Fest feiern können, denn Martin Luther gilt ihnen weniger als Reformator als viel mehr als Spalter der Kirche.
Fortschritt der Ökumene
Und deshalb sagt Friedel, der zugleich Ökumenebeauftragter des evangelischen Dekanats Lohr ist, vorsichtig: "Das ist ja nun keine einfache Sache ... ." "Nee", antwortet Pfarrer Haas, "das ist es nicht." Und dann tauschen sich die Pfarrer über das Image von Luther - damals und heute - aus. Sie reden über theologische Details der Ökumene. Und sie sprechen über den ökumenischen Gottesdienst zum Stadtfest.
Das war nämlich der erste richtige ökumenische Got tesdienst an einem Sonntagvormittag, den beide Kirchen gemeinsam gestalteten.
"Warum geht das jetzt plötzlich?", fragt Gerd Kirchner von der evangelischen Friedenskirche
Bad Brückenau.
"Der Bischof hat gesagt: Probiert's aus! Und jetzt probieren wir das aus", entgegnet sein katholischer Kollege Michael Krammer, der sowohl als Dekan für das Gebiet der Altlandkreise Bad Brückenau und Hammelburg als auch als Pfarrer für die katholischen Gemeinden in Bad Brückenau und
Motten zuständig ist. Denn eigentlich - so will es das katholische Kirchenrecht - müssen katholische Christen die Möglichkeit haben, die Eucharistie feiern zu kön nen, und zwar am Sonntagvormittag. Deshalb waren gemeinsame Gottesdienste bisher schlicht nicht möglich. Nun aber geht die Kirche neue Wege.
Auch beim Parkfest im Juli wurde ein ökumenischer Gottesdienst unter freiem Him mel gefeiert. Die Resonanz war erstaunlich groß.
Und dann wird es auf einmal ganz persönlich in der Runde der Pfarrer. "Wir waren kurz nach dem Referendum zum Thema Homosexualität in Irland", erzählt Pfarrerin Barbara Weichert aus
Zeitlofs, die einzige Frau am Tisch. Weichert hat die Plakate der Demonstranten ge sehen: "Haltet euch raus aus unseren Betten", sei dort zu le sen gewesen. Überhaupt seien in Irland erst sehr spät diverse Missbrauchsvorfälle der katholischen Kirche aufgedeckt worden, die Wut der Bevölkerung sei riesengroß.
Schatten des Missbrauchs
"Das muss für euch doch auch furchtbar sein", sagt Weichert und Michael Krammer schaut nur nach unten. "Ich war auch in einem Internat", sagt der Geistliche.
"Es waren die schönsten Jahre meiner Jugend." Es habe gedauert, bis er begriffen hat, was andere junge Männer unter der Aufsicht der Kirche erleben mussten. Krammer hat das Buch "Wie laut soll ich denn noch schreien?" vom Odenwald-Schüler Jürgen Dehmers gelesen. "Mir ist schlecht geworden", sagt Krammer.
Im Zuge der Missbrauchsvorfälle traten viele Menschen aus der Kirche aus. "Die Allergie der Menschen ist die Allergie ge gen die Macht", stellt Pfarrerin Weichert fest. Thomas Braun aus
Detter weiß wie es aussieht, wenn die Kirchen wie leergefegt sind. In Schleswig-Holstein war er als Pfarrer allein für 16 Dörfer zuständig. Auch in Bayern bröckelt der Rückhalt der Kirche in der Gesellschaft. Von drohender Bedeutungslosigkeit aber fühlen sich die Pfarrer hier in der Rhön weit entfernt.
"Ich habe nicht den Eindruck, dass wir unrelevant sind", sagt Braun.
Die Frage nach der Relevanz
Und dann erzählt er, wie im Sommer 60 Kinder im Pfarrgarten zelteten. Barbara Weichert berichtet, dass zum Kirchenjubiläum der Dreieinigkeitskirche 230 Leute da waren. Und das Sil berne Priesterjubiläum von Armin Haas war so überlaufen, dass es fast an einen Showdown der örtlichen Vereine erinnerte.
Es gibt aber auch leisere Töne, abseits von Zahlen und Events. "Notfallseelsorge ist zum Beispiel ganz reale Relevanz", sagt Michael Krammer. "Wenn das Ding piepst, dann geht man hin und ist Ansprechpartner."
uli
Vortrag Am Samstag, 31. Oktober, hält der emeritierte Bischof Paul-Werner Scheele ei nen Vortrag in Bad Brückenau. Der Katholik spricht in der evangelischen Friedenskirche über das 2.
Vatikanische Konzil, mit dem die katholische Kirche in den Jahren 1962 bis 1965 wichtige Weichen der Erneuerung stellte. Beginn ist um 19 Uhr in der Bahnhofstraße 20.
Person Paul-Werner Scheele ist Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik. Er wurde 1975 zum Bischof geweiht, von 1979 bis 2003 stand er dem Bistum Würzburg vor. Bis zu seinem Ruhestand engagierte er sich als Vorsitzender der Öku menekommission der Deutschen Bischofskonferenz und als Mitglied der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Auch nach seinem Ruhestand ist er Mitglied des Vatikanischen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.
red/wikipedia