Bad Brückenau: Was macht Corona mit der Kultur?

2 Min
Ivan Sojc und Stefanie Faust vom Deutschen Fahrradmuseum inventarisieren Ausstellungsobjekte. Der daraus entstehende Katalog soll weltweit abrufbar sein und auch noch in Jahrzehnten Forscher bei ihrer Arbeit unterstützen. Foto: Ulrike Müller
Ivan Sojc und Stefanie Faust vom Deutschen Fahrradmuseum inventarisieren Ausstellungsobjekte. Der daraus entstehende Katalog soll weltweit abrufbar sein und auch noch in Jahrzehnten Forscher bei ihrer Arbeit unterstützen. Foto: Ulrike Müller
Verwaiste Gänge: Seit Mitte März ist das Fahrradmuseum geschlossen. Foto: Ulrike Müller
Verwaiste Gänge: Seit Mitte März ist das Fahrradmuseum geschlossen. Foto: Ulrike Müller
 

Kino, Musikschule, Kammerorchester, Fahrradmuseum und Galerie sind geschlossen. Unmittelbar in seiner Existenz bedroht ist aber keiner der Kulturträger.

Wer sich mit den Kulturschaffenden der Stadt unterhält, der stößt zunächst auf eine erstaunliche Erkenntnis: Kino, Musikschule, Kammerorchester, Fahrradmuseum und Galerie sind in einem Ort vertreten, der es gerade einmal auf rund 6500 Einwohner bringt. Kaum, dass diese Information verdaut ist, folgt der nächste positive Aspekt. Weil die Kulturlandschaft der Stadt so aussieht, wie sie eben aussieht, schlagen die Auswirkungen von Corona nicht wie ein Hammer zu. Oder noch nicht.

Die Rhönlichtspiele beispielsweise sind natürlich geschlossen so wie alle Kinos im Land. Doch weil das Kino ein Familienbetrieb und im Wohnhaus der Familie untergebracht ist, passiert im Moment nicht sehr viel mehr, als dass gerade keine Vorführungen laufen. Für eine Mitarbeiterin hat Carola Berner-Löhmer Kurzarbeit angemeldet. Die Soforthilfe des Freistaats Bayern "war nach 14 Tagen da", sagt die Kino-Betreiberin. "Das ist im Moment gut zu bewältigen."

Keine Miete fällig

Froh ist Berner-Löhmer darüber, dass sie nicht eine horrende Miete, wie sie in großen Städten üblich ist, für das Kino zahlen muss. Und auch ein anderer Kulturträger profitiert enorm davon. Die Galerie Form+Farbe in der Bahnhofstraße darf kostenfrei die Räume der Familie Hohmann nutzen. Aufsicht, Reinigung, Auf- und Abbau der Ausstellungen werden ehrenamtlich geleistet. Initiator Hans Dietrich Unger musste weder Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken noch Soforthilfe beantragen. Dafür bekommt er die Nöte der Künstler hautnah mit.

Er berichtet von einem Vater von zwei Kindern, der in Hamburg in einer Mietwohnung lebt. Die Einnahmen brechen ihm weg. Seine Frau hatte vor Corona eine neue Arbeitsstelle angetreten. Wegen der Wirtschaftskrise wurde sie noch in der Probezeit entlassen. "Keine Lohnfortzahlung, kein Kurzarbeitergeld", sagt Unger. Die Familie bekomme jetzt Hartz IV.

Solche Schicksale bewegen. Sie bewegen auch Pavol Tkac, Manager des Bayerischen Kammerorchesters (BKO) im Staatsbad. Das BKO ist ein Projektorchester. Die Musiker sind auf Konzerte angewiesen - doch die werden gerade überall gestrichen. Tkac kritisiert die "völlig sinnlose Trennung zwischen Wirtschaft und Kultur". Ihm mache aber Hoffnung, dass die Existenznöte von Künstlern zunehmend in die Wahrnehmung der Regierung rückten.

Rückwirkend ab März hat das BKO für die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle und den Dirigenten Kurzarbeit beantragt. Auch ein Antrag auf Soforthilfe wurde gestellt. Bisher hat Tkac aber weder eine Information darüber erhalten, ob das Orchester überhaupt berechtigt ist, noch Geld. Ob das Sommerkonzert am 18. Juli gespielt werden kann, ist ebenfalls offen.

Unterricht per Videokonferenz

Auch wenn viele die Entscheidung, Geschäfte bis zu einer Größe von 800 Quadratmetern zu öffnen, kritisieren - für den Orchestermanager wäre genau so eine Zahl hilfreich. "Es ist nicht klar definiert, was mit dem Begriff Großveranstaltung gemeint ist", sagt er mit Blick auf Söders Worte, dass bis Ende August solche Veranstaltungen verboten sind. "Ich merke, dass die Unsicherheit nach wie vor groß ist", sagt Tkac.

Unsicher sind die Zeiten auch für die Musikschule. Doch Schulleiterin Daniela Wagner bemerkt auch eine andere Entwicklung. Kreative Ideen werden geboren, etwa wenn Lehrer den Unterricht per Video-Konferenz halten oder Übungsanleitungen für zu Hause verschicken. Von den Schülern spüre sie einen großen Rückhalt. "Die Leute wissen, dass es für uns schwer ist. Sie stehen diese Herausforderung gemeinsam mit uns durch", sagt sie. Wo Stunden ganz ausfallen, sollen sie nachgeholt werden - zum Beispiel in den Pfingst- oder Sommerferien, wenn der Unterricht dann wieder erlaubt sein sollte.

Kultur nicht als Luxus behandeln

Bleibt noch das Fahrradmuseum. Seit Mitte März ist die Ausstellung geschlossen. Doch das heißt nicht, dass nichts zu tun wäre - ganz im Gegenteil. Renovierungsarbeiten laufen, und historische Räder werden fotografiert und zu Forschungszwecken aufbereitet. Dieses Projekt läuft seit zwei Jahren. Jetzt aber hat Geschäftsführer Ivan Sojc richtig Zeit dafür.

Die Zeit hat er deshalb, weil die mobilen Ausstellungen, mit denen das Museum zwischen 40 und 50 Prozent seiner Betriebskosten erwirtschaftet, aktuell nicht nachgefragt werden. "Das Museum hat ja schon einige schwierige Zeiten hinter sich", sagt Sojc. Corona aber sei die bedrohlichste, weil man die Komponenten nicht in der Hand habe. Soforthilfe habe er beantragt. Bisher sei aber noch kein Geld überwiesen worden.

Auch er wünscht sich, "dass man Kultur nicht als Luxus behandelt". Sie mache die Identität einer Gesellschaft aus. "Diesen Reichtum merkt man erst, wenn er nicht mehr stattfindet", sagt Sojc. In vier Wochen wird die Redaktion erneut bei den Kulturschaffenden nachfragen, wie es ihnen ergeht.