Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Im Interview spricht Prof. Dirk Engehausen über die Neigung, beunruhigende Anzeichen schlicht zu verdrängen. Der Chefarzt der Sinntalklinik wirbt für Prävention - schon in jungen Jahren.
Seit zwei Jahren ist Prof. Dirk Engehausen Chefarzt der Sinntalklinik im Staatsbad Bad Brückenau. Die Reha-Klinik der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern legt ihren Schwerpunkt auf onkologische Erkrankungen, sprich Krebs. Mit der
Saale-Zeitung spricht Engehausen über den Hang der Menschen, beunruhigende Anzeichen schlicht zu verdrängen, genauso wie die Diagnose Brustkrebs, die doch alles verändert.
Prof. Engehausen, unterstützen Sie den Brückenauer Pinklauf ?Dirk Engehausen: Ja, sehr gerne! Ich habe den Pinklauf als ein tolles Erlebnis sowohl für die Einheimischen als auch die Patienten und Beschäftigten unserer Klinik kennengelernt. Von unseren ungefähr 100 Mitarbeitern laufen heuer zehn privat beim Pinklauf mit.
Das finde ich toll.
Und Sie selbst? Schon mal die Joggingschuhe geschnürt?Nein, mitgelaufen bin ich noch nicht. Aber einmal stand ich an der Strecke und habe Bilder gemacht. Die Kinder, die Trommler vom Bayerischen Kammerorchester, diese Begeisterung... Das war richtig schön!
Nun hat ja das Anliegen des Laufs, die Brustkrebs-Vorsorge, einen engen Bezug zu Ihrer Klinik...Ja, etwa ein Viertel unser Patientinnen und Patienten kommt mit der Diagnose Brustkrebs zu uns. Die Frauen - wobei auch Männer an Brustkrebs erkranken können - haben meist eine Operation hinter sich. Viele haben auch eine Chemo oder Bestrahlung bekommen. In der Reha sollen sie wieder ins normale Leben zurückfinden.
Wenn die Stadt dann etwas macht, das dieses Thema unterstützt, ist das natürlich großartig.
Viele Bad Brückenauer verbinden mit der Sinntalklinik noch den Schwerpunkt der Nierenerkrankungen. Wann hat sich das denn geändert?Sie haben Recht, früher war die Klinik im Bereich der Nephrologie sehr stark. Wir behandeln auch immer noch Nierenleiden, allerdings hat sich der Schwerpunkt innerhalb der vergangenen zwei Jahre in Richtung Onkologie verschoben. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass wir zwei Brust-Schwestern ausgebildet haben, die nur für Patientinnen nach einer Brustkrebserkrankung da sind.
Was macht so eine Diagnose mit den Frauen?Die Diagnose Krebs... wie soll man das ertragen? Viele Frauen haben Angst, für ihren Partner nicht mehr schön zu sein, nicht mehr attraktiv zu sein.
Dann kommen all diese praktischen Fragen: Die Muskeln müssen erst langsam wieder aufgebaut werden. Der Berufseinstieg oder die Rückkehr in den familiären Alltag macht vielen Frauen zu schaffen. Das ist normal. Man muss erst lernen, mit den Folgen der Erkrankung zu leben.
Denken Sie, dass Brustkrebs noch immer ein Tabu-Thema ist?Auch, ja. Aber ich sehe noch ein anderes Phänomen. Wir haben noch zu viele Patientinnen, die erst im fortgeschrittenem Stadium ärztliche Hilfe suchen. Die Menschen neigen dazu, beunruhigende Anzeichen zu verdrängen. Aber es gibt auch ein zu spät. Da müssen wir noch viel, viel mehr Aufklärungsarbeit leisten.
Was empfehlen Sie?Regelmäßige Kontrollen durch den Frauenarzt, aber auch zuhause. Die Augen aufmachen, sich selbst die Brust abtasten oder den Partner darum bitten.
Und dann Unregelmäßigkeiten ernst nehmen und zum Arzt gehen. Dasselbe gilt übrigens auch bei Männern. Das eigene Abtasten des Hodens schon in jungen Jahren ist ein wichtiges Mittel zur rechtzeitigen Erkennung eines Hodenkrebs. Die junge Generation tut sich vielleicht mit Früherkennung von Krebs leichter, aber wir müssen daran auch immer erneut erinnern. Deshalb brauchen wir den Pinklauf.
Das Gespräch führte Ulrike Müller