Verwaltungswechsel, Brände und Mäusefraß erschwerten die Recherche. Trotzdem ist es Walter Kömpel aus Oberbach und einem Redaktionsteam gelungen, die wechselvolle Geschichte von Dalherda in einem Heimatbuch zu veröffentlichen. Am Samstag, 27. September, wird das Werk offiziell vorgestellt.
Rekordverdächtig ist die Zeit, in der das Heimatbuch Dalherda entstanden ist. In nur einem halben Jahr hat Walter Kömpel aus Oberbach sich zu einem großen Teil an dem umfassenden Werk beteiligt. Aus geschichtlichem Interesse heraus hat er sich der Mammutaufgabe gewidmet, obwohl kaum Akten über die Dalherdaer Gegend und die alte Dalherdaer Zeit vorhanden waren. Das alte Dalherda haben Walter Kömpel und ein dreiköpfiges Redaktionsteam wieder aufleben lassen. "In 34 Kapiteln gewinnt der Leser einen vielfältigen Eindruck über eine Siedlung, die nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr dieselbe war, wie zuvor", sagt der Oberbacher.
1363 wurde Dalherda zum ersten Mal urkundlich erwähnt, damals unter dem Namen Thelherde. Der Ort wechselte sowohl zwischen verschiedenen Grundherrschaften als auch im 30-jährigen Krieg die Konfessionen.
Diesem Umstand und den beiden großen Bränden 1843 und 1881 ist es zuzuschreiben, dass die Funde in Archiven "sehr sehr dünn" ausfielen, berichtet Walter Kömpel. Dazu wechselte der Ort zunächst 1816 vom Hochstift Fulda nach Bayern, 1866 von Bayern zu Preußen, 1938 wurde er offiziell abgesiedelt. Durch die Verwaltungswechsel und Mäusefraß gingen viele Informationen für die Nachwelt verloren.
Wühlen in alten Zeiten Doch Walter Kömpel weiß, wo er suchen muss. In alten Zeiten zu wühlen - "das hat mich schon immer interessiert", so der Oberbacher. Angefangen hatte er 1994 mit der Erforschung seiner Ahnen. Als er herausfand, dass einer seiner Vorfahren nach Nordamerika ausgewandert war, sammelte er alles über Emigrationen dorthin, aber auch über Auswanderungen nach Ungarn.
Obwohl er über die Jahre schon eine kleine Privat-Bibliothek angesammelt hatte, musste er bei einigen Kapiteln "bei Null anfangen. Aber es hat mich gereizt." Zu dem Archiv-Bestand kamen weitere Informationen aus den Staatsarchiven Marburg und Würzburg, den fuldischen Intelligenzblättern, Meldungen aus dem Gersfelder Kreisblatt, Online-Recherche und dem Pfarrarchiv Dalherda. Viel Rekonstruktionsarbeit war zu leisten. Hilfreich waren auch ein einziges erhalten gebliebenes Gemeindeprotokollbuch und der Briefverkehr von 1840 bis 1860 zwischen einem Dalherdaer Auswanderer aus den USA an seine zurückgebliebene Familie.
Walter Kömpel hat die aufwendige und ehrenamtliche Puzzlearbeit unter Kontrolle. Er kann viel Chronik-Erfahrung vorweisen. Bei den Büchern über Oberbach, Volkers und Oberleichtersbach hatte er bereits mitgewirkt und eine Abhandlung über die Tongrube in Abtsroda veröffentlicht.
Nach Fertigstellung des Heimatbuches Dalherda lehnt er sich nur kurz zufrieden zurück, denn er arbeitet schon an der nächsten Veröffentlichung.
Für seine Beiträge beim Heimatbuch Dalherda füllte der Oberbacher einen Ordner an Notizen und Kopien. Eigentlich wäre es eine Zwei-Jahres-Aufgabe gewesen. Wenige Infos in knapper Zeit nach Feierabend zu einem 352-seitigen Heimatbuch zusammenzufügen, "war irre", bekennt Walter Kömpel. Er stand in regelmäßigem Kontakt zu der Dalherdaer Redaktion um Rolf Banik, Harry Baumbach und Günter Ziegeldorf.
"Das ist meine Winterarbeit, wenn es draußen früh dunkel wird. Was für den Geist," meint der Ortschronist. Für die Orte Oberbach, Wildflecken und Oberwildflecken dokumentiert Kömpel das ganze Jahr über Wissenswertes. Seinem Spezialgebiet Auswanderungen hat er ein Kapitel gewidmet.
Bereits 1749 wanderte der erste Dalherdaer Bürger über den großen Teich aus, circa 80 Jahre vor der eigentlichen Emigrationswelle. Die wirtschaftliche Lage war in dem abgelegenen Ort schlecht. Landwirtschaft war eher ein sekundärer Erwerbszweig.
Obwohl eine Zweigstelle der Ruhla-Uhrenfabrik sowie eine Limonadenfabrik im Ort ansässig waren, konzentrierten sich die Bewohner auf die Heimarbeit. Zur Blütezeit um 1840 stellten 60 Familien Holzarbeiten und Schnitzereien her, die sogar in Berlin und bis in die USA exportiert wurden.
1938 wurden die Bewohner für den Bau des Truppenübungsplatzes abgesiedelt. Sieben Familien von damals 1000 Einwohnern weigerten sich und blieben ihrer Heimat treu. 1945 wurden Vertriebene aus den Oststaaten in Dalherda untergebracht - "es entstand ein komplett neues Dorf", erzählt Kömpel. Von den Ur-Dalherdaern "ist keiner zurückgekommen", weiß der 54-Jährige.
Die Bewohner wurden vom Bund geduldet, erst 20 Jahre später durften sie die Häuser vom Staat erwerben. Seit 1972 ist Dalherda ein Stadtteil von Gersfeld.
Neben den Auswanderungen nach Ungarn und Nordamerika hat sich Walter Kömpel für das Buch auch mit Gemeindediensten, dem Deutsch-Französischen Krieg, Heimarbeit und Vogelzucht, Strom und Wasser, Gewerbetreibenden und historischen Vereinen beschäftigt. Auch die Ur-Dalheraer Mundart und alte Sagen werden behandelt. "Sehr umfangreich" nennt er das Werk und ist "mit dem Ergebnis zufrieden".
Für die offizielle Vorstellung am Samstag, 27. 9., hofft Kömpel, dass Nachkommen der Ur-Dalherdaer auf Bildern Gesichter erkennen und weitere, in Archiven und Zeitungen nicht verzeichnete Informationen geben können. Nach der Vorstellung um 15 Uhr erfolgt der Buchverkauf.