Neues Zuhause im Campus
Auch Matiullah hilft nach der Schule schon seinen Mitbewohnern bei den Hausaufgaben. Im Campus Bad Kissingen leben sie in einer Wohngruppe von zwölf Jugendlichen, bis sie volljährig werden. Hannes Schnabel, von der Abteilung Jugendhilfe des Campus, ist ihr Betreuer - sozusagen Eltern-Ersatz, "wobei es natürlich schwierig ist, den psychologisch-emotionalen Teil zu ersetzen", sagt er. Seine Aufgaben sind neben der Beherbergung und Verpflegung vor allem Hilfe zur Selbsthilfe. Das heißt zum Beispiel Geld zum selber Einkaufen, Hilfe beim Lernen lernen, Ratschläge beim Putzen und Waschen: "Wenn es noch an den Sprachkenntnissen hapert, kann es schon mal passieren, dass mit Spülmittel das Klo geputzt wird - oder umgekehrt", schmunzelt er. Die Jugendlichen sind im Schnitt ein bis zwei Jahre im Campus, "ein Art Turbo-Jugendhilfe", sagt der Sozialpädagoge, bis sie mit 18 Jahren in eine Flüchtlingsunterkunft oder eine eigene Wohnung können. Zusammen mit Jugendamt und ihrem gesetzlichen Vertreter, dem Vormund, ist die Jugendhilfe einer der wichtigsten Ansprechpartner für die unbegleiteten Jugendlichen. Und natürlich die Schule, zu der wöchentlich Kontakt besteht.
Belastende Erlebnisse
Was die jungen Menschen in ihrem Heimatland oder auf der Flucht erlebt haben, ist oft nur schwer zu erfahren: "Manche erzählen schon mal von sich aus, zum Beispiel von ihren schlechten Erfahrungen in Durchgangsländern. Aber wir möchten nichts aufwühlen, was weh tut", erklärt Klaus Neumeyer. Hannes Schnabel ergänzt: "Man merkt schon, wenn ein Thema die Jugendlichen stark belastet, zum Beispiel als die Taliban in Afghanistan die Macht übernommen haben - das hat Matiullah schon sehr mitgenommen, weil er nicht weiß, wo seine Eltern sind." Manchmal gäbe es zwischen den Nationalitäten auch eine leichte Konkurrenzstimmung, nach dem Motto: "bei uns ist es schon viel länger so schlimm wie bei euch", erklärt Schnabel, "aber nicht in einer aggressiven Weise".
Glücklich hier
Ihre Freizeit verbringen Matiullah und Hussein ähnlich wie andere Teenager: Freunde treffen, Sport machen oder am Computer tüfteln. "Schön ist es, wenn die Jugendlichen abends gemeinsam zusammen sitzen und Tee trinken oder gemeinsam kochen", erzählt Schnabel, "Manchmal dauert es dann bis geklärt ist, wer spült, aber das ist uns lieber, als wenn sie auf der Straße rumhängen".
Matiullah ist hier sehr glücklich und auch Hussein sagt begeistert: "Es geht mir sehr, sehr gut hier." Er habe viel Respekt vor seinem Betreuer und der Heimleitung des Campus, "sie sind wie Mama und Papa zu mir. Sie haben ein gutes Herz!" Beide würden am liebsten hier bleiben, weiterhin Deutsch lernen und eine Ausbildung machen. Aber noch nicht heiraten, wie es in ihrem Alter oft zu Hause der Fall ist: "Meine Mutter hat gesagt, erst mit 30 Jahren darfst Du heiraten", lacht Hussein.
Jugendhilfeeinrichtungen:
Im Landkreis Bad Kissingen gibt es zwei stationäre Jugendhilfeeinrichtungen, in Münnerstadt und in Bad Kissingen, mit insgesamt knapp 30 Plätzen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Beide sind zurzeit voll belegt.
Unterfranken hat insgesamt 101 Plätze für minderjährige Flüchtlinge - nur noch wenige Plätze davon sind frei.
Momentan leben laut Landratsamt 29 unbegleitete Flüchtlinge im Landkreis Bad Kissingen im Alter von 15 bis 18 Jahren. Die meisten stammen aus Afghanistan, Syrien und der Ukraine.
Für unbegleitete, minderjährige Mädchen gibt es separate stationäre Jugendhilfe-Einrichtungen, allerdings nicht im Landkreis Bad Kissingen.