Die ehemaligen Bundestagsabgeordneten Susanne Kastner und Eduard Lintner erinnern sich an die Zeit vom 9. November 1989 bis 3. Oktober 1990.
Die Ex- Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) und Staatssekretär a. D. Eduard Lintner (CSU) gehören zwar unterschiedlichen politischen Lagern an, aber in einem sind sie sich einig: Die deutsche Wiedervereinigung war das herausragende Ereignis ihrer Zeit im Bundestag. "Man hat damals mit den Händen greifen können, dass man Weltgeschichte erlebt", blickt der 70-jährige Lintner zurück.
"Ich habe den Mauerfall damals mit einem ungläubigen Erstaunen verfolgt", erinnert sich die zwei Jahre jüngere Kastner.
"Das war eine sehr aufregende Zeit vom Mauerfall bis zur Wiedervereinigung", sagt Lintner und spricht von einer "großen Genugtuung". Schließlich habe er jahrzehntelang für die Wiedervereinigung gekämpft.
"Ich habe immer daran geglaubt, die Stasi hat mich deshalb sogar in meiner Akte als Spinner bezeichnet." Selbst in West-Deutschland habe es viele gegeben, die eine Zwei-Staaten-Lösung wollten. "Der 3. Oktober 1990 war eine eindrucksvolle Bestätigung, dass die Menschen in der DDR Freiheit und Einheit wollten."
"Politischer Ausnahmezustand"
Aus Lintners Sicht war das Tempo, mit dem die Einheit vorangetrieben wurde, auch gleichzeitig
das Erfolgsgeheimnis. "Es gab ja so viele rechtliche Fragen, bis hin zu der, ob das Grundgesetz durch eine neue Verfassung ersetzt werden muss." Lintner ist froh, dass stattdessen die Aufnahme der neuen Bundesländer in die Bundesrepublik als Ausweg gefunden wurde: "Alles andere hätte so lange gedauert, dass der Widerstand immer größer geworden wäre, in der Bevölkerung und im Ausland."
Überhaupt sei die Zeit zwischen dem 9. November 1989 und 3.
Oktober 1990 ein "politischer Ausnahmezustand" gewesen: "In dieser euphorischen Phase war vieles möglich, was später undenkbar geworden wäre", verweist er zum Beispiel auf der Umtausch der Ostmark 1:1 in D-Mark. "Das war eine Zäsur in der Nachkriegsgeschichte und ein Jahrhundertereignis", fasst Lintner die Wiedervereinigung zusammen.
Keine Feiern im Landkreis
Umso mehr ist er enttäuscht darüber, dass es im Landkreis Bad Kissingen keine Feiern zum 25. Tag der Deutschen Einheit gibt. Lintner selbst ist für morgen zu einem Festakt in den Berliner Reichstag eingeladen. Für den 11. Oktober sei dann eine Feier im thüringischen Hellingen geplant, sonst habe er keinerlei Einladungen rund um den deutschen Nationalfeiertag.
Und wie weit ist die
Wiedervereinigung heute? "Viele reden die Verhältnisse in der DDR wieder schön", bedauert Lintner, dass es immer noch unterschiedliche Mentalitäten in Ost und West gebe. Für ihn persönlich bleibe die Wiedervereinigung ein historischer Glücksfall, "auch wenn sich nicht alle Erwartungen erfüllt haben".
Susanne Kastner hatte als Bundestagsabgeordnete in der Opposition zwar keine Einblicke in die Verhandlungen rund um die Einheit, wohnt aber in Sichtweite zur
früheren Zonengrenze: "Wir sind damals jeden Sonntag mit unseren Kindern von Maroldsweisach nach Hellingen gelaufen", erinnert sie sich an den Sommer 1990. Den Mauerfall im November 1989 habe sie im Bundestag in Bonn miterlebt, wenige Wochen danach fuhr sie mit ihrer Familie nach Berlin, um die Berliner Mauer noch einmal anzufassen.
"Alle haben sich gefreut"
"Vieles war damals noch nicht klar, alle haben sich gefreut, die Stimmung ist
erst später gekippt", fasst sie ihre Erinnerungen zusammen. Den 3. Oktober 1990 habe sie daheim im Wahlkreis verbracht: "Es kann sein, dass ich auch bei irgendwelchen Festakten war, aber in Erinnerung geblieben ist mir das fröhliche Fest mit den Menschen", sagt Kastner.
Susanne Kastner wurde am 11. Dezember 1946 als Susanne Baumgärtel in Karlstadt geboren.
Sie zog im Mai 1989 für die SPD in den Bundestag ein und gehörte ihm bis 2013 an - von 2002 bis 2009 als Vizepräsidentin. Die evangelische Religionslehrerin engagiert sich bis heute für Rumänien und ist noch in ihrer SPD-Ortsgruppe aktiv.
Eduard Lintner wurde am 4. November 1944 in Marktlangendorf, Sudetenland, geboren.
Von 1976 bis 2009 war Lintner Mitglied des Bundestages, von 1982 bis 1990 Vorsitzender der Arbeitsgruppe Deutschlandpolitik und Berlinfragen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Von 1991 bis 1998 war er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, von 1992 bis 1998 Drogenbeauftragter der Bundesregierung. Heute ist Lintner noch als Bezirksvorsitzender der Seniorenunion aktiv.