Im Januar tritt ein Gesetz in Kraft, mit dem der Bund die Bedingungen in der Pflege verbessern will. Die Politik verbucht es als Erfolg, Pflegeexperten kritisieren es als Tropfen auf den heißen Stein.
Im Landkreis leben aktuell (Stand 2011) mehr als 3800 Pflegebedürftige Menschen, rund 1200 von ihnen sind vollstationär in einem Pflegeheim untergebracht. Der Rest wird entweder teilstationär oder häuslich von Pflegediensten und Angehörigen versorgt. Die große Koalition will helfen und hat im Oktober das sogenannte Pflegestärkungsgesetz verabschiedet, das zum 1. Januar in Kraft tritt.
2,5 Milliarden Euro stellt die Regierung jährlich bereit, um die Bedingungen in der Pflege besser zu machen.
Die SPD-Gesundheits- und Pflegeexpertin Sabine Dittmar verbucht das Gesetz als Erfolg. "Verbesserte Leistungen für die mehr als 2,6 Millionen Pflegebedürftigen, Entlastungen für die etwa 3,5 Millionen pflegenden Angehörigen und bessere Arbeitsbedingungen für die rund 700 000 Beschäftigten", freut sich die Bundestagsabgeordnete für
den Wahlkreis Bad Kissingen in einer Pressemitteilung. "Besonders die flexiblere Gestaltung der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege kommt den pflegenden Angehörigen wie den Gepflegten zugute."
Keine Entlastung in Sicht Für Barbara Mayerhofer, Geschäftsleiterin im Bereich Altenpflege bei der Diakonie Schweinfurt, ist das Pflegestärkungsgesetz kaum mehr als ein kleines Signal der Politik.
"Das ist ein erster vorsichtiger Schritt", sagt sie und "nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein." Das Gesetz sei nicht geeignet, das Pflegesystem zu entlasten. Der Personalschlüssel (also mehr Pflegekräfte die dieselbe Anzahl Patienten betreuen) müsse verbessert und ein Inflationsausgleich bei den Löhnen geschaffen werden. Mayerhofer sieht weiter dringenden Handlungsbedarf.
"Spült mehr Geld ins System", fordert sie.
Pflegeberaterin Antje Beer sieht zumindest keinen Nachteil, "weil die Leistungen alle erhöht werden", sagt sie. Manche Erhöhungen brächten allerdings keine nennenswerten Effekte, kritisiert sie. Sinnvoll sei jedenfalls, dass die Pflegesachleistungen für alle Pflegestufen um zwischen 2,6 und vier Prozent angehoben werden.
Patienten, die zuhause betreut werden, bezahlen mit dem Geld den Pflegedienst und "können also mehr Leistungen einkaufen". Für einen Patienten mit Pflegestufe drei gibt es ab Januar 66 Euro im Monat zusätzlich. "Davon kann er etwa vier Mal gebadet werden", sagt Beer, die die Ambulante und Tagespflege "Am Schlossberg" leitet.
Sie lobt die neue Regelung bei der Urlaubs- und Verhinderungspflege.
Dort sind ab Januar rechnerisch für bis zu 900 Euro mehr Leistungen über einen längeren Zeitraum (
siehe Infokasten) möglich. Das Geld gibt es , wenn pflegende Angehörige selbst eine gesundheitliche Pause brauchen und ein Pflegedienst für sie als Ersatz einspringt. "Einen Angehörigen zuhause zu versorgen ist anstrengend.
Die Menschen tragen eine hohe Verantwortung und sind einer hohen psychischen und körperlichen Belastung ausgesetzt", schildert die Pflegeberaterin. Dass die Politik sie stärker unterstützt und somit entlastet findet Beer "sehr positiv". "Es ist schlimm, wenn die Angehörigen selbst einen Burnout bekommen."
Ein wichtiges Anliegen ist für die Bundespolitikerin Dittmar, die Situation für die Pflegekräfte zu entschärfen.
"Wir haben die Bezahlung nach Tarif gestärkt. Zudem verbessern wir die Arbeitsbedingungen im stationären Bereich durch eine Erhöhung des Personalschlüssels", sagt Dittmar. Der bezieht sich allerdings auf Betreuungs- nicht auf Pflegepersonal, entgegnet Mayerhofer von der Diakonie. Der Arbeitsdruck bleibe. Laut Antje Beer werden in der Pflege nicht selten Löhne unter der Tarifgrenze bezahlt. Da bewegt das neue Gesetz nicht viel.
Denn: Wenn die Patienten mehr Geld ausgeben und mehr Leistungen buchen, werden die Pflegedienste zwar mehr verdienen, aber auch mehr Personal einstellen. Beer zieht daraus die Konsequenz: "An dem Lohn für die Mitarbeiter ändert sich nichts."
Vor allem die häusliche Betreuung profotiert vom Pflegestärkungsgesetz Pflege zuhause Erstens: Mit der Pflegesachleistung zahlt die
Krankenkasse Pflegekräfte dafür, dass sie die häusliche Grundpflege übernehmen. Mehr Geld bedeutet: mehr Pflege für den Patienten und weniger eigene Kosten. Zweitens wird das Pflegegeld um zwischen 2,5 und vier Prozent angehoben. Es unterstützt die Angehörigen, die ein Familienmitglied zuhause versorgen. Drittens: Wenn der pflegende Angehörige ausfällt, muss Ersatz her. Die Krankenkassen zahlen ab Januar bis zu zwei Wochen länger 66 Euro mehr.
Reicht das Geld nicht aus, besteht außerdem die Möglichkeit bis zu 806 Euro zusätzlich aus der Kurzzeitpflege zu beantragen.
Pflege im Heim Die Kasse übernimmt bei der Kurzzeitpflege 1612 statt bislang 1550 Euro. Die Leistungen für die vollstationäre Unterbringung im Pflegeheim werden um vier Prozent je Pflegestufe erhöht.