Ärger um Agrardiesel
In Deutschland war der Protest am geplanten Ende der Subventionen etwa für Agrardiesel entbrannt. Die Pläne wurden mittlerweile abgeschwächt. Für Einsparungen im Etat 2024 soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung enden - statt auf einen Schlag wie ursprünglich geplant nun schrittweise über drei Jahre. Eine angepeilte Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge hat die Regierung ganz fallen gelassen. Die Branchenverbände fordern eine völlige Rücknahme der Mehrbelastungen.
Dem Magdeburger Extremismusforscher Matthias Quent zufolge versuchten nationalistische, rechtsextremistische und verschwörungsideologische Akteure, die Bewegung in Deutschland politisch zu instrumentalisieren. Teils legten Demonstranten eine drastische Symbolik an den Tag und bauten etwa Galgen, an denen eine Ampel hing.
Deutsche Proteste als Vorbild?
In Rumänien haben Bauern und Transportunternehmer tagelang mit Traktoren Straßen blockiert, auch an Grenzübergängen zu Ungarn, Serbien und der Ukraine. Die Demonstrationen in Deutschland könnten ein Vorbild gewesen sein.
Inzwischen sind die Proteste stark abgeflaut, weil die Regierung die Erfüllung einer der Hauptforderungen - die Senkung der Kfz-Versicherungskosten - versprochen hat. Zudem hat ein Versuch rechtsextremer Politiker, die Proteste zu instrumentalisieren, diesen einen Dämpfer verpasst: Die Mehrheit der Bauern will mit den Rechtsextremisten nichts zu tun haben. Andere Forderungen - Steuererleichterungen, mehr Subventionen, günstigere Kredite - blieben offen.
Ventil für allgemeine Unzufriedenheit
In den Niederlanden liegen die Bauernproteste schon einen Moment zurück, hatten aber gewaltige Auswirkungen. 2021 und 2022 protestierten tausende Bauern im ganzen Land mit oft gewalttätigen Aktionen gegen Umweltauflagen, die nach Schätzungen zum Aus für mehr als 30 Prozent der Zuchtbetriebe führen werden.
Die Bauern-Proteste wurden aber auch ein Ventil für allgemeine Unzufriedenheit von Bürgern. Eine neue rechtspopulistische Partei wurde gegründet, die BauerBürgerBewegung BBB. Und auch andere radikal-rechte Parteien versuchten, den Unmut der Bauern für ihre Zwecke zu nutzen.
Bei den Regionalwahlen im Frühjahr 2023 wurde die rechte BBB auf Anhieb stärkste Kraft in allen Regionen. Auch bei der jüngsten Parlamentswahl im Oktober 2023 legte die BBB stark zu und könnte nun sogar mit in die Regierung einziehen, gemeinsam mit der Anti-Islam-Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders und zwei weiteren rechten Parteien.
Kritik an Agrarpolitik der EU
In der Kritik sieht die Expertin Kirsch vor allem die gemeinsame EU-Agrarpolitik. Die EU zahlt Landwirten jedes Jahr dutzende Milliarden als Unterstützung. Ein großer Teil des Geldes wird vor allem nach Flächen vergeben, es gibt aber beispielsweise auch Zahlungen, die an Umweltauflagen geknüpft sind. Das Budget sei nicht hoch genug und die Vergabe nicht mehr an heutige Bedürfnisse angepasst.
Auch Agrarsoziologe François Purseigle von der Toulouser Agrarhochschule INP-ENSAT sieht hier Probleme. «Diese Bewegungen in Europa zeigen eine Sache: Wie schwer es der EU-Agrarpolitik fällt, eine große Diversität landwirtschaftlicher Modelle und Unternehmensprojekte zu begleiten.»
Beide Experten betonen aber auch, dass man die Proteste nicht über einen Kamm scheren sollte. Je nach Land gebe es spezifische Gründe für den Frust.