In Dennis Kellys "Opferung von Gorge Mastromas" im Bamberger Studio am E.T.A.-Hoffmann-Theater wird mit dem Neoliberalismus abgerechnet. Das Stück überzeugt nicht hundertprozentig, doch Regie und vor allem die Schauspieler machen ein großes Theatererlebnis daraus.
Ein realistisches Stück ist "Die Opferung von Gorge Mastromas" des britischen Dramatiker-Stars Dennis Kelly, 2012 uraufgeführt, bestimmt nicht. Was dann? Eine Moritat? Ein Lehrstück? Schon eher, denn die Figur wird in mehreren Stationen wie in einem Versuchslabor moralischen Versuchungen ausgesetzt. Altruismus oder Egoismus, Güte oder Feigheit?
Zwischen diesen Antipoden muss sich Gorge schon als Kind entscheiden. Das teilen uns fünf Erzähler mit: In der ersten halben Stunde wird nicht gespielt, sondern die Fünf, uniform im Business-Look gekleidet, schildern im stakkatohaften Tempo von der puritanisch gehaltenen Bühne samt Steg ins Publikum (Ausstattung Markus Pysall) den Weg des Gorge Mastromas von der Zeugung über die ersten moralischen Anfechtungen, die er als Guter meistert, um den Preis, "im oberen Drittel der unteren Hälfte der Beliebtheit" zu landen.
Es ist eine sehr kluge Entscheidung der Regie (Frank Behnke), einerseits die Erzähler-Rolle aufzusplitten, andererseits die Hauptfigur von mehreren Schauspielern übernehmen zu lassen. So wird Schmiss ins Spiel gebracht, schillern unterschiedliche Facetten der Gestalt auf - Gorge ist kein Monster, sondern ein Sozialcharakter.
Einer, den der Neoliberalismus vor allem angelsächsischer Prägung in der Post-Thatcher-und-Reagan-Ära geprägt hat. Als der kleine Angestellte Gorge sich wieder einmal zwischen Güte und Feigheit zu entscheiden hat, wechselt er auf die dunkle Seite der Macht. Verrat am Chef, an der Moral; darauf folgt derAufstieg zum Spitzenmanager und Besitzer eines 280-Zimmer-Anwesens.
Dazwischen erteilt uns die eiskalte Karrierefrau A (hervorragend Sybille Kreß) Nachhilfe in sozialdarwinistischem Management-Macchiavellismus: "Materie ist mitleidlos, wenn du etwas willst, nimm es dir!"
Expressive Ausbrüche War der Durchschnittsmensch Gorge in einer ersten Beziehung noch skrupulös, erobert er Louisa (Iris Hochberger) mit Lug und Trug, indem er der als Kind Missbrauchten ein ähnliches Schicksal vorgaukelt, gar noch einen Bestseller über seine Biografie verfasst und buchstäblich über die Leiche seines gescheiterten Bruders Sol geht.
Dies erzählt Kelly im Wechsel von narrativen und Spielszenen. Vor allem im zweiten Teil trägt er zu dick auf, wenn auch das Beispielhafte der Figur durch Brecht'sche Epik-Elemente ("Sind Sie schon angewidert? Sind Sie schon abgestoßen?") aufscheint.
Nicht "Gier" generiert den Kapitalismus; das kann man im ersten Band des "Kapitals" nachlesen. Kurz: Dieses Stück überzeugt nicht hundertprozentig, doch die Regie ist gekonnt, und die Schauspieler laufen zu geradezu grandioser Form auf. Nie hat man zum Beispiel Volker J. Ringe in derart expressiven Ausbrüchen erlebt.
Aber auch Gerald Leiß als u. a. Sol, Florian S. Federl, Iris Hochberger brillieren in diversen Rollen und wurden durch lang anhaltenden Beifall belohnt. Am Ende liegt Gorge in einer versifften Kammer und sein Enkel (Florian S. Federl) besucht als Widerständler das psychische Wrack, das zu ermorden sich nicht mehr lohnt: "Du bist bereits tot. Du wurdest geopfert."
Weitere Vorstellungen 4., 8.-11., 16.-18., 23./24. Mai.
Dauer ca. 2 Stunden, keine Pause
Karten unter 0951/873030, E-Mail kasse.theater@stadt.bamberg.de