Für den internationalen Textil-Discounter Primark sieht es zunehmend düster aus. Das Erfolgsmodell des Unternehmens ist simpel und vielversprechend: Billig-Kleidung zu sehr niedrigen Preisen. Derzeit sieht es allerdings danach aus, dass die Mode-Kette langfristig keinen Bestand haben wird.
Jahrelang war das Geschäftsmodell äußerst profitabel und Primarks Umsätze boomten. Im Jahr 2019 setzte das Unternehmen beispielsweise 7,79 Milliarden britische Pfund um, berichtet das Online-Portal Express. Das entspricht etwas über 9 Milliarden Euro. Die erste Filiale in Deutschland wurde 2009 in Bremen eröffnet und ab diesem Zeitpunkt entflammte ein gewaltiger Primark-Hype. Zwei Standorte hat der Konzern auch in Bayern: München und Ingolstadt. Kommt nun also das Ende von Primark? Das ist trotz der Schließungen nicht sicher.
"Fast-Fashion" als umstrittenes Geschäftsmodell: Große Probleme in Bezug auf Umwelt und Menschenrechte
Umweltschützer*innen und Menschenrechtsorganisationen positionierten sich klar gegen diese Marke. Die Arbeitsbedingungen zur Herstellung von "Fast-Fashion", die zu niedrigen Preisen produziert und verkauft wird - sind für sie nicht tragbar.
Seit 2019 fallen die Umsatzerlöse stetig und drastisch. In Deutschland sind sie von 916 Millionen Euro auf 380 Millionen Euro im Jahr 2021 gesunken. Das einstige Erfolgsmodell zieht nicht mehr und deshalb mussten laut Berichten der Wirtschaftswoche bereits erste Filialen dichtgemacht werden. Der Mutterkonzern ABF habe sich geäußert und eine "Neuausrichtung" des Geschäfts angekündigt. Primark soll "nachhaltig profitabel" werden und so dem drohenden Aus entgegenwirken.
Es ist seltsam, dass einem Discounter in der momentanen Lage die Pleite droht, oder? Wo doch die Inflationsrate im zweistelligen Prozentbereich liegt und die Leute aufgrund der Teuerungen zunehmend sparsamer leben. Das Branchenmagazin führte eine Analyse durch, die ergab, dass Primark beim Expandieren zu optimistisch vorgegangen war. Das Unternehmen hatte an günstig gelegenen Standorten, wie den Fußgängerzonen in belebten Innenstädten, große teure Ladenflächen gekauft. Außerdem ist die Konkurrenz im Internet gewaltig.
Regierung geht gegen Fast-Fashion vor: Neue Gesetze sollen Menschenrechts-Verstöße verhindern
Da Primark bewusst keinen Online-Shop betreibt, hat die Kette es zunehmend schwer. Auch die Politik legte dem Geschäftsmodell Steine in den Weg. Seit einigen Jahren möchte sie vermehrt gegen Fast Fashion vorgehen und führte 2021 das "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz" ein, das in Deutschland angelegten Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten auferlegt.
Nachhaltige Kleidung bei Amazon ansehenDie Mode-Kette Primark ist längst nicht der einzige Konzern, der sich notgedrungen verkleinern muss. H&M musste im Jahr 2022 240 Filialen schließen und C&A 13 hatte 13 Standorte eingebüßt. Die Unternehmen versuchen sich nun, mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit ihr Image zu ändern und ihre Umsätze erneut in die Höhe zu treiben.
"ABF hat, geblendet von den Anfängen, den deutschen Markt überschätzt", wird ein Ex-Mitarbeiter der Wirtschaftswoche zitiert. Problem sei, neben den teuren Ladenflächen und den zahlreichen Expansionen in große deutsche Städte, ein übergroßes Warenangebot in den Läden gewesen. "Damit wich der Konzern signifikant von der Strategie ab, die er in anderen Ländern verfolgte." In Berlin und Weiterstadt bei Darmstadt hatte Primark bereits zu Beginn des Jahres 2022 die Pachtverträge auslaufen lassen und die beiden Filialen, von den 32 in ganz Deutschland, geschlossen.
Online-Shopping wird häufig genutzt: Marken ohne Online-Shop benachteiligt
Auch die bewusste Ablehnung eines Online-Shoppingangebots für Kund*innen wurde Primark zum Verhängnis. In den Corona-Jahren, als fast ausschließlich Internet-Shopping möglich war, büßte der Textil-Gigant einen großen Teil der möglichen Umsätze ein. Eine neue - aber von Greenpeace angezweifelte - Nachhaltigkeits-Strategie soll der Marke wieder zum Erfolg verhelfen: "Click und Collect".
"Click und Collect" kommt einem Online-Shop sehr nahe, allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied. In gewöhnlichen Online-Shops können Kund*innen die gewünschte Ware auswählen, bezahlen und sich zuschicken lassen. Bei "Click und Collect" kann man die Produkte lediglich auswählen und muss sie dann in einer Filiale der Wahl zahlen und abholen. In diesem Fall soll Verpackungsmaterial eingespart und der umweltschädliche Versandvorgang ausgelassen werden.
"Wir bleiben unseren treuen Kunden in diesem wichtigen Markt verpflichtet und prüfen nun Optionen, um unser Geschäft in Deutschland langfristig wieder rentabel zu machen", heißt es von Primark.
Düstere Prognose: Ist es der "Anfang vom Ende?"
Expert*innen sind weniger optimistisch. Sie sehen schwarz. Sie halten die Änderungen, die Primark zu neuem Glanz verhelfen sollen, für verspätet. Man erlebe womöglich gerade den "Anfang vom Ende".
Bei Primark sieht man wohl noch Chancen für die Zukunft, zumal der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021/2022 auf insgesamt 17 Milliarden Pfund (rund 20 Milliarden Euro) gestiegen ist und zwar kräftig: Um etwa 42 Prozent nahm er zu. Daher ist man wohl bereit, die Digitalisierung des Handels als Realität zu akzeptieren: „Im Moment konzentrieren wir uns darauf, in unsere Website und unser digitales Marketing zu investieren“, so eine Primark-Sprecherin.