Nachruf auf Lou Reed: Gigant des Rock 'n' Roll

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Lou Reed bei einem Konzert 2008, unten mit der Heavy-Metal-Band Metallica, links unten das von Andy Warhol entworfene Cover der legendären ersten Platte von Velvet Underground Fotos: Ansis Starks/dpa; Verve Records; Archiv
Lou Reed bei einem Konzert 2008, unten mit der Heavy-Metal-Band Metallica, links unten das von Andy Warhol entworfene Cover der legendären ersten Platte von Velvet Underground  Fotos: Ansis Starks/dpa; Verve Records; Archiv
 
 

Mit dem rebellischen Songwriter Lou Reed ist einer der letzten Underground-Helden gestorben. Ein Nachruf von Rudolf Görtler.

Als den "Gipfel des Menschenhasses in der Rockmusik" bezeichnet ein Lexikon Lou Reeds Platte von 1975, "Metal Machine Music", vier LP-Seiten mit nichts als Rückkopplungsgeheul, "Noise Music", lange bevor es diesen Begriff gab.

Das war die eine Seite des einflussreichen Musikers, dessen kommerzieller Erfolg niemals Schritt hielt mit seinem Einfluss. Zu Glam-Rock-Zeiten in den frühen 70er Jahren oft mit Iggy Pop und David Bowie in einem Atemzug genannt - dass er in Berlin mit den beiden damals in einer WG zusammenlebte, hat er später bestritten -, gilt er als Vorläufer des Punk ("ein Akkord ist gut, zwei sind noch besser, drei sind Klassik"), schrieb aber auch sensible und melancholische Balladen.

Geboren wurde Reed 1942 auf Long Island, New York, und wuchs in Mittelschichtsverhältnissen auf.
Angeblich wegen homosexueller Neigungen mit Elektroschocks behandelt, wurde er früh zum Außenseiter und Poète maudit. An der Universität lernte er den Waliser John Cale kennen und gründete mit ihm die Band Velvet Underground, eine der einflussreichsten der Rockmusik-Geschichte. Ihr erstes Album von 1967, dessen Cover Andy Warhol mit einer abziehbaren Bananenschale gestaltete, ist ein Klassiker. Weit weg von Hippie-Romantik drehten sich die düsteren Songs um Rauschgiftsucht ("Heroin") oder Sadomasochismus, changierte die Musik zwischen wüstem Lärm und scheinbarer Idylle. Das stakkatohafte, monotone Riff von "Waiting For My Man" ist später tausendfach imitiert worden.

Nach der Trennung von Velvet Underground schaffte Reed mit "Walk On The Wild Side" von der LP "Transformer" einen All-Time-Hit, die Schwulen-Hymne schlechthin. Sein hypnotischer Sprechgesang, seine karge Gitarre wurden zum Markenzeichen. Seine Reputation als Rock'n'-Roll-Held wurde durch seine Drogensucht und seine sexuelle Ambiguität nur gestärkt. Dabei versuchte er durchaus immer wieder, kommerziell erfolgreicher zu werden wie auf "Coney Island Baby" von 1976; aber Alben wie "Berlin" (1973) konterkarierten solche Ambitionen - zum Glück.

Als Ende der 70er Punk aufkam, verehrten ihn viele - wie Patti Smith - als Ahnherrn. Nach dem Album "New York" von 1989 mit wütenden politischen Texten machte Reed in den 90ern den misslungenen Versuch, Velvet Underground wiederzubeleben. Weiterhin produzierte er Lärm, schrieb jedoch auch ein Musical nach Texten von Edgar Allan Poe. Zuletzt arbeitete er mit der Heavy-Metal-Band Metallica zusammen, streckte seine Fühler aber auch in andere musikalische Genres aus. Reed war seit 2008 mit der Performance-Künstlerin Laurie Anderson verheiratet. Nachdem er sich schon im Mai dieses Jahres einer Lebertransplantation hatte unterziehen müssen, ist er am Sonntag in seinem Haus auf Long Island gestorben.