"Das Fest" ist eine düstere Geschichte um sexuellen Missbrauch. Der "Dogma"-Film von Thomas Vinterberg war 1998 sehr erfolgreich, Wolfgang Groppe hat ihn fürs Erlanger Markgrafentheater adaptiert. Kürzungen hätten dem intensiven Drama gut getan.
Adaptionen von Filmen für die Bühne sind reizvoll und problematisch. Naturgemäß fehlen die technischen Möglichkeiten des Films im Theater. Aber was, wenn der Film bereits kammerspielartigen Charakter hatte und sich selbstverpflichtend Beschränkungen auferlegte?
"Das Fest" von Thomas Vinterberg und Mogens Rukov ist so ein Fall. Gedreht nach den Regeln der dänischen Dogma-95-Gruppe, in die Kinos gekommen 1998 und bei Kritik und Publikum überaus erfolgreich. Spartanisch sollten Ausstattung und Technik agieren, nah an den Personen, ohne künstliches Licht. Kein Wunder, dass das "Fest", die Geschichte um dunkle Familiengeheimnisse, rasch auf deutschen Bühnen reüssierte.
Nun also auch in Erlangen. Zunächst ist das kluge Bühnenbild Ulrike Schlemms zu loben.
Wir sehen bereits vor Beginn der Inszenierung von Wolfgang Gropper einen Hotel-Speisesaal mit einer teilweise durchsichtigen hinteren Spiegelwand, einen Zeremonienmeister, das Tische deckende Personal. Dann treffen die Protagonisten des Familien-Dramas zur Feier des 60. Geburtstags ihres Patriarchen ein: Sohn Christian (Daniel Seniuk), introvertiert, offensichtlich psychisch angeschlagen, sein nicht eingeladener rüpelhafter Bruder Michael (Patrick Nellenssen) mit Frau Mette (Anika Herbst) und Tochter, die Tochter Helene (Linda Foerster), deren farbiger Liebhaber Gbatokai im Laufe des Familienfests noch auftaucht.
Es ist ein fast mustergültig analytisches Drama, das sich da rund um den Esstisch im familieneigenen Hotel entspinnt, modernen Klassikern wie Ibsen verpflichtet.
Wir erfahren, dass sich die Zwillingsschwester Christians umbrachte, wir erfahren das Ungeheuerlichste überhaupt: Vater Helge hat zwei seiner Kinder regelmäßig missbraucht, Mutter Else (Annagerlinde Dodenhoff) wollte das Verbrechen schlicht nicht wahrhaben.
Könnte der monströse Vorwurf nicht der gestörten Psyche Christians entsprungen sein? Der Zuschauer ist unschlüssig, zumal sich der Vater als souveräner älterer Herr geriert, der mit der Enkeltochter umhertollt. Erst der Abschiedsbrief der traumatisierten Selbstmörderin schafft Klarheit: Ja, so war's. Dazwischen oszilliert das Drama zwischen tumultuarischen Szenen samt Polonäse, "Schwarzbraun ist die Haselnuss" und "Eisgekühltem Pommerlunder" und gespannter Ruhe, durchschauen wir das komplexe Beziehungsgeflecht der Familienmitglieder untereinander und mit dem Personal allmählich.
Zu dick aufgetragen Das ist alles sehr spannend und professionell auf die Bühne gebracht, allein es stören zwei Punkte, die - Zufall? - gerade am Erlanger Theater schon häufiger aufgefallen sind. Einmal wird zu dick aufgetragen. Patrick Nellensen gibt den proletenhaften Sohn zu aufdringlich, zu wüst. Nicht einmal der übelste Rassist würde bei einer Familienfeier den Freund der Schwester so dumpf beleidigen. Zum anderen dauert das Stück zu lange. Nach dem Höhepunkt, dem Aufdecken des Verbrechens, zieht sich der Schluss gefühlt endlos hin, bis die Kinder am nächsten Morgen schließlich abreisen und Vater und Mutter alleine am Tisch sitzen.
Auch die Rolle des Personals als menschliches Gegengewicht zu der verkommenen und neurotischen Bürgerfamilie wird in dieser Inszenierung nicht deutlich genug herausgearbeitet.
Dennoch gelingen Regie und Ensemble beeindruckende, bedrückende Szenen. Man nimmt hautnah teil an den Peinlichkeiten, windet sich geradezu mit den Protagonisten. Wenn der Text gestrafft worden wäre, die Schauspieler sich etwas zurückgenommen hätten - es hätte eine nahezu perfekte Inszenierung werden können. Aber auch diese wurde vom Premierenpublikum heftig beklatscht.