Der Fernseh-Starkritiker Denis Scheck interviewte in Bamberg den Schriftsteller Matthias Göritz. Der ist Stipendiat des Künstlerhauses Villa Concordia und hat einen Interview-Roman verfasst.
Ein Hansdampf in allen literarischen Gassen ist Denis Scheck (49), Redakteur (beim Deutschlandfunk), Kritiker, Übersetzer, Agent, am bekanntesten durch "Druckfrisch", die Literatursendung zu später Sonntagabend-Stunde im Ersten, in der er schon mal herzerfrischend drauflosholzt.
Neugierig machte man sich also am Montagabend auf ins Lichtspiel-Kino, wo ein Dialog zwischen dem Kritiker-Star und dem Schriftsteller Matthias Göritz angekündigt war. Sage einer, Literatur interessiere keinen mehr - bis auf den letzten Platz gefüllt war der Vorführraum des Programmkinos, auf dem Gang gar hatten sich Zuhörer gelagert, um der vom Künstlerhaus Villa Concordia eingefädelten Veranstaltung beizuwohnen.
Denn im Künstlerhaus wohnt zurzeit Matthias Göritz (44), Stipendiat in der Sparte Literatur, auch er Übersetzer, Lyriker, Romancier.
Nun, wenn sich ein Scheck nach Bamberg bemüht hatte und gleich zu Beginn der "Präsentation" das vorgestellte Buch als seine "klügste und anregendste Lektüre dieses Jahres" lobte, waren allzu viele Überraschungen, sarkastisch-polemische Ausfälle auch, kaum zu erwarten.
Autor eines Interview-Romans wird interviewt In "Träumer und Sünder", Göritz' zweitem Roman, interviewt ein junger Journalist den Film-Tycoon Helmut Erlenberg, der einen Film über den von Nazis inszenierten Überfall auf den Sender Gleiwitz drehen will.
Man darf Figuren wie Atze Brauner oder Bernd Eichinger hinter diesem Erlenberg vermuten, der zu dem Interviewer so etwas wie väterliche Zuneigung entwickelt und allerlei aus seinem Leben preisgibt. Deshalb also das originelle Ambiente für ein Gespräch über Literatur und Film, deshalb also die pikante Situation, dass der Autor eines Interview-Romans interviewt wird.
Wenn man selbst bereits diverse Male sich in diesem Genre versucht hat, verfolgt man die Taktiken des Profis gespannt - und erkennt bald, dass auch der nur mit Wasser kocht. Über eher unverbindlichem Geplänkel zu literarischen und cineastischen Vorlieben des Autors, zum Interview an sich, tastete sich Scheck langsam ans Eingemachte heran, sprich an Persönlicheres. Der überaus eloquente Göritz parierte trefflich.
Stets höflich, mied er weitgehend Auskünfte zu Fragen über Familiäres, die, so die schöne Metapher, eine Aufforderung zum "Wundenzeigen" seien. Seine Künstlerehe mit der Ko-Stipendiatin Silke Scheuermann schilderte er galant und diplomatisch als "Florence-Nightingale-Situation".
Am erhellendsten war der Austausch, ergänzt durch von Göritz aus seinem Roman gelesene Passagen, über die "Kampagnenstruktur" in der Vermarktung heutiger Kunstprodukte: Ob Film, ob Buch - produziert wird punktgenau auf die vermuteten Bedürfnisse eines genau definierten Publikums. "Film ist Krieg" heißt es im "Träumer", und Göritz ergänzte nach einer Frage Schecks: "Schreiben auch.
Ein Buch ist ein Produkt geworden."
Ob ihm, Göritz, ästhetischer oder kommerzieller Erfolg wichtiger sei? Erwartungsgemäß bekannte sich der Autor, der für seinen ersten Roman in Geflügelfarmen recherchiert hatte, sich zum ersteren. Aber "ich will immer so viel Erfolg haben, um weitermachen zu können".