Constanze Kreuschs Erlanger Inszenierung des Klassikers "Lysistrate" von Aristophanes kann sich nicht entscheiden. Ist das Drama um den Liebesstreik der griechischen Frauen nun politische Agitation oder doch nur Sexual-Klamauk?
Am Ende war alles vergebens. Alle prügeln wieder auf alle ein, Mann auf Mann, Frau auf Mann, Frau auf Frau. Der Frieden - ein schöner Traum? Mag sein, aber "wichtig ist nicht, Dinge zu verändern, sondern zu versuchen, sie zu verändern", beschwört Lysistrate das Prinzip Hoffnung.
Es ist das resignative Fazit einer Inszenierung, die schwankt zwischen handfester pazifistischer und geschlechterpolitischer Agitation und erotischer Groteske. Nicht Fisch, nicht Fleisch; Regisseurin Constanze Kreusch konnte oder wollte sich nicht entscheiden. Klar erfordert die 411 v. Chr. in einer Sklavenhaltergesellschaft entstandene Komödie Aktualisierungen. Allerdings ist das Thema, Krieg und wie man ihn beendet, zeitlos.
Wenn also die Frauen sich den Männern verweigern, die Akropolis samt Kriegskasse usurpieren und erfolgreich verteidigen, bis Frieden zwischen Sparta und Athen geschlossen ist, sollte das uns Heutige nicht kalt lassen.
Freilich sind seit den Hoch-Zeiten der sogenannten Friedensbewegung gut 30 Jahre vergangen, und so wirken die Appelle der Lysistrate (Anja Lechle) - eigentlich zu Unrecht, bedenkt man deutsche Kriegseinsätze der letzten Jahrzehnte - ebenso angestaubt wie der naturgemäß deutlich formulierte Feminismus der Protagonistin. Es ist eine unfrohe Lysistrate, die mit herabgezogenen Mundwinkeln Obszönitäten wie "geil aufs Vögeln" geradezu desillusionierend unerotisch von sich gibt. Denn seit eine Kortner-Fernsehversion des derben Dramas 1961 für reichlich Unruhe sorgte, hat sich viel getan.
So benutzt diese Inszenierung die alles andere als prüde Neuübersetzung von Niklas Holzberg und folgt auch dessen Vorschlag, die Spartaner Bairisch reden zu lassen. Immerhin erspart die Regie Zuschauern wie Darstellern Nuditäten, wenn auch einige liebeskranke Schauspieler mit vorgeschnallten Phalli agieren und Plastikbrüste an den Körpern hängen (für die farbenprächtigen Kostüme und die intelligent eingerichtete Drehbühne mit stilisierter Akropolis sorgt Petra Wilke).
Männer sind Karikaturen Mehrfachbesetzungen und auf jeweils eine Person eingeschrumpfte Chöre folgen dramaturgischen Notwendigkeiten. Dass die Männer lächerliche Männchen sind: geschenkt. Horst Schily als Chorführer und Hermann Große-Berg als u. a.
Ratsherr tun ihr Bestes, so wie Violetta Zupancic als verführerische Myrrhine, Janina Zschernig als handfeste Spartanerin und Anika Herbst als allegorische "Versöhnung" das Auge erfreuen.
Trotzdem kann die Erlanger "Lysistrate" nicht überzeugen. Die Regisseurin findet keine Linie, verzettelt sich. Da dröhnt harter Rock, da trällern die renitenten Frauen einen Popsong, und eine Capoeira-Einlage, Männer im Frauenkleid sowie gleich dreifach prangende Phalli ziehen das Stück dann wieder arg Richtung Spektakel. Dem heftig applaudierenden Publikum gefiel's wohl. Schockieren kann man mit F-Wörtern heute niemanden mehr.