"Nur eine Kopfsache": Eiscafé wirbt mit Eissorte "Hausgrille" - Und belohnt mutige Probierende

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Eiscafé by Rino bietet Eissorte "Hausgrille" an
In dem Milchspeiseeis wurde Insektenmehl verarbeitet.
Eiscafé by Rino bietet Eissorte "Hausgrille" an
Eiscafé by Rino/Thomas Micolino
Eiscafé by Rino bietet Eissorte "Hausgrille" an
Mutige Probierende bekommen eine zusätzliche Kugel aufs Haus.
Eiscafé by Rino bietet Eissorte "Hausgrille" an
Eiscafé by Rino/Thomas Micolino

Insekten in Lebensmittel ist zurzeit ein Trend. Das hat eine neue Verordnung der EU ermöglicht. Eine Eisdiele treibt es bis auf die Spitze und bietet mutigen Probierenden ein Insekten-Eis an - wohl als erste in ganz Deutschland.

Die Verordnung der EU, dass nun Insekten zu Lebensmittel verarbeitet werden dürfen, hat einiges losgetreten. Viele Leute fürchten sich vor versteckten Insekten in alltäglichen Lebensmitteln und beim Bäcker. Auf der anderen Seite nutzen Lebensmittelhersteller und Bäcker genau diese Verordnung aus. So auch eine Eisdiele in Rottenburg (Kreis Tübingen, Baden-Württemberg).

Das "Eiscafé by Rino" aus Rottenburg am Neckar bietet "Hausgrille" als Eissorte an. Auf einem Foto bei Instagram zeigt sich Inhaber Thomas Micolino mit einer Kufte davon - dekoriert mit knusprigen Hausgrillen. "Milchspeiseeis aus Grillenmehl, Sahne, Vanilleextrakt, Cookies und Honig für einen überraschend leckeren Geschmack", wirbt Micolino auf seinem Bild-Beitrag, "Wir nehmen die Herausforderung an... Sind wir echt bereit für das sogenannte Essen der Zukunft? Kommt vorbei und lasst euch überraschen."

Jetzt auch im Dessert: Erste Eisdiele bietet Insektenmehl-Eiscreme an

Ganz unterschiedlich fallen die Reaktionen auf diese Ankündigung aus: Von Ekel bis Hochachtung ist alles dabei. Eigentlich sollte die Produktion der Sorte eher weniger überraschen, denn das Eiscafé Rino kreierte bereits in der Vergangenheit ungewöhnliche Eissorten. Der Inhaber habe laut dpa schon Eiscreme aus Gorgonzola gefertigt, aus Leberwurst und mit 24-karätigem Gold. Eine fränkische Bäckerei hat aufgrund der EU-Verordnung bereits Krapfen aus Insektenmehl hergestellt.

Das verarbeitete Hausgrillenmehl sollte so verarbeitet werden, dass man beim Genießen des Eises keinen Beigeschmack nach Insekt bemerkt. Allen Kund*innen, die mutig genug sind, das Hausgrillen-Eis zu testen, spendiert der Inhaber eine weitere Kugel Eis nach Wahl als Belohnung.

Um ängstlichen Besuchern die Angst zu nehmen, stellte der Inhaber zudem in den sozialen Medien klar: Die Grillen und das verwendete Mehl stamme aus einer deutschen Speiseinsektenzucht, die auf Antibiotika, Pestizide und Hormone verzichtet. Die Insekten seien mikrobiologisch untersucht und auf rein pflanzlicher Basis gezüchtet worden.

Soll nicht nach Insekt schmecken: Milchspeiseeis mit Heimchen

Monatelang hat er in seiner kleinen Eisfabrik im Hinterzimmer herumprobiert, an der richtigen Komposition mit dem Krabbeltier gearbeitet, den Geschmack verfeinert. Er kocht das Pulver extra nochmal ab bei 90 Grad. Um vier Kilo Eis herzustellen, braucht er 200 Gramm Heimchen-Mehl, dazu unter anderem Sahne, Zucker, Milch, Vanille, Cookies und Wildhonig aus dem Schwarzwald.

Zudem werde das Eis der Eisdiele mehrmals jährlich durch die Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes Tübingen und das BAV Institut untersucht. Die Herstellung des Grillen-Eises laufe getrennt von der Produktion der übrigen Eissorten ab. In der Eistheke werden getrennte Behältnisse und ein separater Eiscreme-Portionierer verwendet.

"Dann keine Sorge! Unsere lieben und treuen Kunden werden keine Bestandteile der Grillen in einer Schoko-Kugel finden", betont der Inhaber. Eine Verwechslung ist sowieso ausgeschlossen. Die spezielle Eiscreme ist garniert mit getrockneten braunen Insekten. Tote Grillen mit stacheligen Hinterbeinchen und langen Fühlern schmücken das Speiseeis. Damit klar wird, dass genau das drin ist: Getrocknete Heimchen, Acheta domesticus, Hausgrillen.

Kein Marketing-Gag: Experimentieren bereitet Inhaber Freude

Micolino behauptet, er habe die erste deutsche Eisdiele mit Insekten-Eis, überprüfen lässt sich das schwer. Es soll kein Marketing-Gag sein, ihn habe einfach die Lust am Experimentieren getrieben. Er habe selbst schon Insekten im Urlaub probiert, auch Schlange und Krokodil, berichtet er. "Mir wird langweilig, wenn ich immer dasselbe mache."

Aber natürlich freut sich der Eisverkäufer über die Aufmerksamkeit für seinen kleinen Laden. Nach einem Instagram-Post über das Insekten-Eis meldete sich die örtliche Zeitung, seitdem geben sich die Journalisten die Klinke in die Hand. Eigentlich wollte er sein Insekten-Milcheis nur ein paar Tage anbieten, aber nun verlängert er aufgrund des Andrangs die Aktion.

Ein älterer Herr spazierte in die Eisdiele, er stellt sich der dpa als Micolinos Nachbar vor. "Ich habe draußen zwei tote Mäuse gefunden", ruft er fröhlich und grinst. "Wollen wir auch Eis daraus machen?" Er selbst esse ja lieber Schnitzel und Spätzle, sagt er. Aber Mut habe der Micolino schon.

Mutige Probierende mit erstem Feedback

Viele Kunden wollen zumindest einmal probieren. "Sonst kann ich nicht mitreden", sagt einer, der gerade genüsslich eine Portion Grillen-Eis aus der Waffel schleckt. Ins Dschungelcamp, sagt er, würde er zwar nicht gehen, aber so ein wenig Insekten-Eis finde er nicht eklig. "Solange mich keine Augen dabei angucken", sagt er. Nussig schmecke es. "Haferflockig, etwas bitter", urteilt ein weiterer Kunde.

Bislang sei niemand, der probiert habe, enttäuscht gewesen, berichtet Micolino. Aber die Reaktion fällt bei Weitem nicht nur positiv aus. In den sozialen Medien haben empörte Follower ihm die Kundschaft aufgekündigt. Er präsentiert auf seinem Handy eine Wut-Mail. "Müssen Sie jeden Sch... mitmachen?" schreibt ihm da einer.

Der Eisverkäufer kann das nicht verstehen, schließlich zwinge er die Menschen ja nicht dazu, sagt er. "Das ist nur eine Kopfsache." Jeder, der dagegen sei, solle vorbeikommen und probieren. Er lockt seine Kunden sogar mit einem Angebot: Jeder, der eine Kugel Insekten-Eis bestellt, bekommt eine zweite Kugel seiner Wahl spendiert.

(mit dpa)