Jochen Mischner ist mehr als der Herr über Tand und Trödel. Als Chef-Requisiteur im E.T.A.-Hoffmann-Theater muss der Bastler auch ausgefallene Regie-Wünsche erfüllen. Teil acht unserer Reihe über Berufe am Theater.
"Das Lied vom Trödler Abraham" ist ein längst vergessener Schlager aus dem Jahr 1972; Flohmärkte dagegen sind quicklebendig. Offenbar haben viele eine Affinität zu alten, oft schon etwas ramponierten oder schmuddligen Dingen. Ihnen müsste der Arbeitsplatz Jochen Mischners vorkommen wie ein Paradies.
Regale voll gestopft mit altem Geschirr, mit Uhren, wie sie die Oma früher auf dem Schrank stehen hatte, mit Haushaltsgeräten, die keiner mehr nutzt, mit Filmkameras, mit medizinischem Bedarf, mit vergilbten Zeitungen aus Japan, mit gefühlt einer Quintilliarde Brillen, mit Obst aus Plastik ... Es gibt eben nichts, was auf der Bühne
nicht verwendet werden könnte. Die Requisiteure im Theater verwalten all den Tand, der mitunter jahrelang seiner Verwendung harrt. Es lagert ja nicht nur Trödelware in den Arsenalen von Chef-Requisiteur Jochen Mischner und seinen Kollegen.
Ausgelagert in den Keller sind Waffen wie Karabiner und Dolche, nach denen sich mancher Sammler die Finger lecken würde, außerhalb des Hauses lagern Computer, Fahnen, Fernseher, Fahrräder.
Nun ist es nicht so, dass die Requisiteure nur das alte oder auch neuere Zeug auf die Bühne stellen und wieder wegräumen. Wenn's im Theater blitzt und knallt, hat ebenfalls ein Requisiteur auf den pyrotechnischen Knopf gedrückt; immer eine heikle Sache, sagt Mischner, ebenso wie offenes Feuer - oder Zigaretten. Sicherheit steht oben an, deshalb darf auch nichts Scharfes und Spitzes auf die Bretter: Degen sind abzuschleifen, die Klinge der Trickmesser muss sich zurückschieben lassen.
Stolz ist Mischner auf einen Regenschirm mit Stockdegenautomatik, selbst ausgetüftelt und gebaut.
Berufspraxis für Weiterbildungs-Abschluss Zwei rechte Hände sollten Requisiteure haben, denn sie bauen und basteln, müssen auch manches Teil umbauen und umstreichen, denn der Etat ist knapp. Einen vorgeschriebenen Ausbildungsgang gibt es nicht. Der heute 43-jährige Mischner ist gelernter Schriftsetzer, war dann auf Reisen, hat dann an der Nürnberger Werkbund-Werkstatt den kunsthandwerklichen Umgang mit Materialien aller Art gelernt. Mittlerweile gibt es den Weiterbildungs-Abschluss "staatlich geprüfter Requisiteur". Wer den erwerben will, muss bereits Berufspraxis vorweisen können.
Wie alle anderen Abteilungen ist die Requisite frühzeitig in eine Inszenierung eingebunden. Mischner liest den Text und überlegt sich bereits, was gebraucht werden könnte.
Mit Bühnenbildner und Regieassistenz arbeitet er laufend zusammen, stellt Proberequisiten, baut neue wie über die Bühne laufende Männchen für "39 Stufen" oder mit den Flügeln schlagende Falken im Karl-May-Freiluftspiel. Für eine Jagdszene in "König Lear" hat er ein Eisengestell gebaut, es mit Rehfell überzogen und mit Silikon-Eingeweiden befüllt.
Was schon erhellt, dass er eng mit anderen Abteilungen im Haus zusammenarbeitet, mit Schlosserei, Malern, Schneidern. Auch Lebensmittel muss er besorgen und schon einmal ein Fischfilet durch eine Grießschnitte ersetzen, falls der Schauspieler Fisch verabscheut. Eines jedoch ist auf der Bühne absolut tabu: Alkohol.