Beben in der FDP nach Ampel-Bruch: Überraschende Rückritte nach "D-Day"-Papier

2 Min

In der FDP ziehen hochrangige Mitglieder personelle Konsequenzen. Ein umstrittenes Parteipapier sorgt für politisches Aufsehen.

Nach dem Bekanntwerden eines Plans zum Ausstieg aus der Ampelkoalition zieht die FDP personelle Konsequenzen. Sowohl Generalsekretär Bijan Djir-Sarai als auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann erklärten ihren Rücktritt, wie Parteichef Christian Lindners Vertraute in Berlin mitteilten.

Der 48-jährige Djir-Sarai äußerte sich in einer kurzen Erklärung im Hans-Dietrich-Genscher-Haus: "Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert. Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis von diesem Papier hatte", erklärte er. "Dafür entschuldige ich mich." Für diesen Vorgang trage der Generalsekretär die Verantwortung – "daher übernehme ich die politische Verantwortung, um Schaden von meiner Glaubwürdigkeit und der der FDP abzuwenden."

Nach Veröffentlichung des "D-Day"-Papiers der FDP: Zahlreiche Rücktritte

Diese Reaktionen der FDP-Politiker folgten auf das am Vortag bekanntgewordene sogenannte "D-Day"-Papier der Partei, in dem ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampelkoalition mit SPD und Grünen vorgestellt wird.

Djir-Sarai hatte noch am 18. November betont, dass Berichte über die "D-Day"-Formulierung nicht zutreffen: "Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden." Offensichtlich spielte dieser Widerspruch in seiner Rücktrittserklärung eine Rolle.

In einer schriftlichen Erklärung von Reymann hieß es, er habe Lindner seinen Rücktritt angeboten, welches dieser annahm. "Ich tue dies, weil ich eine personelle Neuaufstellung der Partei im Hans-Dietrich-Genscher-Haus ermöglichen möchte." Die FDP stehe vor einer wichtigen Bundestagswahl, die eine Richtungswahl für Deutschland sei. "In diesen Wahlkampf sollte die FDP mit voller Kraft und ohne belastende Personaldebatten gehen."

"D-Day"-Papier: Informationen über Austritt der FDP aus Koalition

Das Papier bezüglich des Koalitionsendes beschreibt unter anderem, dass der "ideale Zeitpunkt" für den "avisierten Ausstieg" aus der Ampelkoalition Mitte der 45. Kalenderwoche, zwischen dem 4. und 10. November, liegen könnte. Am 6. November erfolgte tatsächlich der Bruch des Bündnisses, als Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses Lindner als Finanzminister entließ.

Direkt vor Djir-Sarais Erklärung hatte die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, den Rücktritt des FDP-Generalsekretärs gefordert. "Als Generalsekretär trägt Bijan Djir-Sarai die politische Verantwortung für die Inhalte und die Ausrichtung der Partei. Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich Bijan Djir-Sarai als JuLi-Bundesvorsitzende dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten", schrieb Brandmann auf dem Kurznachrichtendienst X.

Sie betonte, das am Vortag öffentlich gewordene Papier sei "einer liberalen Partei unwürdig". Es sei nicht nur die Öffentlichkeit, die den Eindruck bekommen habe, über Wochen getäuscht worden zu sein – auch die eigene Partei. "Das gilt auch für mich – auch ich wurde getäuscht. Ich weiß, dass das Gefühl, das sich deshalb in mir breit macht, von vielen Mitgliedern der Freien Demokraten geteilt wird", so Brandmann.

Kritik auch am Wortlaut des Strategiepapiers

Bei dem Papier sorgte nicht nur der Inhalt, sondern auch die Wortwahl für Kritik. So taucht mehrfach der historisch vorbelastete Begriff "D-Day" auf – als Synonym für den möglichen Zeitpunkt, um aus der Ampelkoalition auszusteigen.

Der englische Begriff "D-Day" lässt sich mit "Tag X" übersetzen – er kann aber auch "Tag der Entscheidung" bedeuten. Bekannt ist dieser Ausdruck vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Der "D-Day" am 6. Juni 1944 markierte den Beginn, steht jedoch auch für horrendes Blutvergießen mit Zehntausenden Toten und Verwundeten.

Djir-Sarai bekleidet seit April 2022 den Posten des Generalsekretärs der FDP. Geboren 1976 in Teheran, kam er in jungen Jahren nach Deutschland, wo er das Abitur ablegte und Betriebswirtschaft studierte. Seine erste Bundestagsmitgliedschaft erlangte er 2009 und seit 2017 ist er erneut Teil des Parlaments. Er fungierte als außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion von 2017 bis 2021 und gehört weiterhin dem Auswärtigen Ausschuss an. Djir-Sarai vertritt im Bundestag den nordrhein-westfälischen Wahlkreis Neuss I und ist zudem Mitglied im Landesvorstand der NRW-FDP.

Im Gegensatz zu Djir-Sarai operierte Reymann eher im Hintergrund. Der Bundesgeschäftsführer trat sein Amt erst am 1. März an. Zuvor war er zunächst Büroleiter von Lindner im Bundestag, danach Teil des Leitungsstabs im Bundesfinanzministerium.

Wie wir künstliche Intelligenz einsetzen 
Vorschaubild: © Christoph Soeder/dpa