Die Berichterstattung für diesen Artikel ist beendet. Alle aktuellen Entwicklungen ab dem 01. Juni 2023 lest ihr in unserem neuen Ukraine-Ticker.

Update vom 01.06.2023, 10 Uhr: Medwedew erklärt Briten zu "militärischen Zielen"

Vom früheren russischen Präsidenten Dmitri Medwedew gab es jetzt deutliche Worte in Richtung Großbritannien. Laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sieht er Vertreter der britischen Regierung als mögliche legitime Ziele im Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Person: Dmitri Anatoljewitsch Medwedew
Geboren 14. September 1965
Amt:  Stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates der Russischen Föderation seit 2020
Präsident Russland: 2008 bis 2012

Demnach soll sich der heutige Vizechef des nationalen Sicherheitsrates am Mittwoch bei Twitter dazu geäußert haben. Großbritannien unterstütze die Ukraine militärisch mit Ausrüstung und Spezialisten und führe so einen "unerklärten Krieg" gegen Russland. Weiter heißt es: "Da das der Fall ist, können alle seine öffentlichen Vertreter (sowohl militärische als auch zivile, die den Krieg unterstützen) als legitime militärische Ziele betrachtet werden." Bei Kämpfen in der Ukraine sind bereits britische Freiwillige getötet worden.

Grund für die scharfe Verbal-Attacke soll dem dpa-Beitrag nach eine Äußerung des britischen Außenministers James Cleverly gewesen sein. Dabei ging es darum, dass die Ukraine das Recht habe, zur Selbstverteidigung auch Ziele auf russischem Territorium anzugreifen. Bereits der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisierte diese Aussage bei einer Pressekonferenz in Mosambik.

London agiere als "Strippenzieher" und stifte die "Terroristen" in Kiew an. Weiter erklärte Lawrow dem Bericht nach: "Was die Folgen dieser kriminellen Linie angeht, so müssen sich unsere Streitkräfte damit auseinandersetzen." 

Update vom 31.05.2023, 11 Uhr:  Moskau droht mit Vergeltung nach Drohnenangriffen

Nach den Drohnenangriffen in Moskau hat Russland der Ukraine mit Vergeltungsschlägen gedroht. Neben Kremlchef Wladimir Putin, der Kiew Terror vorwarf und eine Reaktion ankündigte, schwor sein enger Vertrauter Ramsan Kadyrow Rache: Der Anführer der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus forderte die Verhängung des Kriegsrechts in Russland, um härter gegen die Ukraine vorzugehen. Die immer wieder von Russland angegriffene Ukraine hatte eine direkte Verantwortung für die Attacken gegen Moskau zurückgewiesen.

"Wir werden in der Zone der militärischen Spezialoperation bald zeigen, was Rache im ganzen Sinne des Wortes ist", schrieb Kadyrow in seinem Blog im Nachrichtenkanal Telegram. Einmal mehr drohte er auch Westeuropa mit russischen Angriffen, Russland könne an die Türen zum Beispiel Deutschlands oder Polens klopfen, meinte er.

Während Moskau erst seit kurzem Schauplatz derartiger Drohnenattacken ist, berichten vor allem auch grenznahe Regionen zur Ukraine schon seit längerem immer wieder von Angriffen mit Artillerie und Drohnen aus dem Nachbarland. Der Gouverneur des Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkiw, meldete am Dienstagabend neuen Beschuss der Region von ukrainischer Seite. Es gebe einen Toten und Verletzte.

In der russischen Hauptstadt hatte die Flugabwehr am Dienstagmorgen mehrere Drohnen abgeschossen. Nach Angaben der Behörden wurden mehrere Häuser beschädigt und zwei Menschen verletzt. Woher die Drohnen kamen, blieb unklar. Bereits Anfang Mai war ein Drohnenangriff über dem Kreml abgewehrt worden. Kremlchef Putin lobte die Arbeit der Luftverteidigung, sagte aber auch, dass sie dichter und besser werden müsse.

Weißes Haus: Unterstützen keine Angriffe innerhalb Russlands

Die US-Regierung bekräftigte nach den Drohnenangriffen auf Moskau, sie unterstütze keine Angriffe innerhalb Russlands. "Wir haben uns nicht nur öffentlich, sondern auch privat gegenüber den Ukrainern klar geäußert, aber wir wollen uns nicht auf Hypothesen einlassen", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, in Washington. Man sammle derzeit Informationen, um herauszufinden, was genau passiert sei. Gleichzeitig machte sie deutlich: "Wir unterstützen keine Angriffe innerhalb Russlands. Punkt."

Dagegen hat die Ukraine nach Meinung des britischen Außenministers James Cleverly das Recht, zum Zweck der Selbstverteidigung auch Ziele auf russischem Staatsgebiet anzugreifen. "Legitime militärische Ziele außerhalb ihrer eigenen Grenze sind Teil des Selbstverteidigungsrechts der Ukraine", sagte Cleverly am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit seinem estnischen Amtskollegen Margus Tsahkna in Estlands Hauptstadt Tallinn. Zu den auf Moskau niedergegangenen Drohnen wollte sich Cleverly nicht äußern.

Update vom 30.05.2023, 9.15 Uhr: Drohnen-Angriff auf Moskau und klare Ansage der Ukraine 

Russlands Hauptstadt Moskau ist Bürgermeister Sergej Sobjanin zufolge von mehreren Drohnen angegriffen worden. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) meldet hat sich Sobjanin am Dienstag (30. Mai) auf Telegram dazu geäußert: "Infolge eines Drohnenangriffs sind heute am frühen Morgen einige Gebäude geringfügig beschädigt worden." Es sei niemand "ernsthaft verletzt" worden heißt es in dem Text weiter.

Zu den Hintergründen werde noch ermittelt. Hausbewohner seien in Sicherheit gebracht worden, Sicherheitskräfte seien im Einsatz. Auch der Gouverneur der Region Moskau, Andrej Worobjow, gab eine erklärte ab: "Im Anflug auf Moskau wurden einige Drohnen abgeschossen." Unbestätigten Berichten russischer Telegram-Kanäle zufolge sollen insgesamt rund 25 unbemannte Flugkörper zugeflogen sein, von denen der Großteil demnach abgewehrt wurde.

Russland machte die Ukraine für die Drohnenangriffe auf Moskau verantwortlich - und sprach von einem "Terrorakt". "Heute Morgen hat das Kiewer Regime einen Terrorakt mit unbemannten Flugkörpern auf Objekte der Stadt Moskau verübt", teilte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag mit. Insgesamt seien acht Drohnen eingesetzt worden, die mittlerweile alle zerstört seien. Drei seien von ihrer ursprünglichen Flugbahn abgebracht worden, die restlichen fünf von der russischen Flugabwehr abgeschossen worden, hieß es weiter.

Beweise für die Anschuldigungen legte Moskau nicht vor. Aus der Ukraine gab es zunächst keine Reaktion. Russland führt seit mehr als 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. In den vergangenen Wochen häuften sich auch in russischen Regionen Beschuss und Drohnenattacken.

Der wohl spektakulärste Vorfall ereignete sich Anfang Mai, als unmittelbar über dem Kreml zwei Flugobjekte abgeschossen wurden. Moskau machte für den angeblichen Anschlagsversuch auf Präsident Wladimir Putin die Führung in Kiew verantwortlich und sprach auch damals von "Terror". Die Ukraine hingegen stritt eine Beteiligung ab. Viele internationale Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass die Kreml-Attacke von Moskau selbst inszeniert gewesen sein könnte, um die brutalen Angriffe auf das Nachbarland zu rechtfertigen.

Resnikow: Russland wird diesen Krieg verlieren

Bereits zuvor gab es deutliche Worte vom ukrainischen Verteidigungsminister Oleksij Resnikow. Er bezeichnete, laut einem des BR, die Niederlage Russlands als wichtigstes Ziel der bevorstehenden Gegenoffensive seines Landes. Resnikow erklärte demnach gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung Quest-France:"Wir müssen die Gewissheit der Russen erschüttern, dass sie diesen Krieg gewinnen können. Russland muss und wird diesen Krieg verlieren." 

Man werde, so der Minister, "alle vorübergehend besetzten Gebiete der Ukraine befreien, bis wir die international anerkannten Grenzen von 1991 wiederhergestellt haben." Das schließe die Krim ebenso ein wie die Gebiete Luhansk und Donezk.

Update vom 27.05.2023, 13.30 Uhr: Russland weist Hunderte Deutsche aus

Spätestens seit Beginn des Ukraine-Krieges für fast anderthalb Jahren herrscht Eiszeit zwischen Berlin und Moskau. Auf diplomatischer Ebene knirscht es deutlich. Im April mussten 34 von 90 zuletzt verbliebenen russischen Botschaftsmitarbeitern die Bundesrepublik verlassen. Sie sollen Spione und nicht Diplomaten gewesen sein.

Gut einen Monat später hat Russland seine Antwort darauf konkretisiert, wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) am Samstag berichtete. Ab Juni wird in Russland die Obergrenze für die Präsenz deutscher Diplomaten und Staatsbediensteten reduziert. "Diese von Russland ab Anfang Juni festgelegte Grenze erfordert einen großen Einschnitt in allen Bereichen unserer Präsenz in Russland", zitiert die SZ Bundesaußeniministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Konkret bedeutet das: Eine niedrige bis mittlere dreistellige Zahl an deutschen Staatsbediensteten muss Russland verlassen. Das betrifft nicht jedoch nicht nur Diplomaten und Botschaftsangehörige. Auch zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer der deutschen Schule in Moskau, Kulturmittler sowie Mitarbeitende des Goethe-Instituts sind in der Russischen Föderation künftig nicht mehr erwünscht.

Für die deutschen Bürger in Russland hat das einschneidende Folgen. Denn unter anderem die konsularischen Leistungen werden weiter eingeschränkt werden müssen - so dürften sich die Wartezeiten beispielsweise zur Ausstellung neuer Dokumente deutlich verlängern. "Angesichts dieser einseitigen, nicht gerechtfertigten und nicht nachvollziehbaren Entscheidung geht es der Bundesregierung nun darum, eine Minimalpräsenz der Mittler in Russland bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung auch der diplomatischen Präsenz sicherzustellen", so das Auswärtige Amt in Berlin gegenüber der SZ.

Update vom 26.05.2023, 6.25 Uhr: Russland bringt Aufteilung der Ukraine mit der EU ins Gespräch

Russland wäre zu einem dauerhaftem Frieden in der Ukraine nach eigenen Angaben erst dann bereit, wenn es sich den Großteil des angegriffenen Nachbarlands einverleibt hat. Der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates, Ex-Präsident Dmitri Medwedew, skizzierte am Donnerstag drei nach seiner Darstellung wahrscheinliche Szenarien für den Ausgang des Krieges. In der von ihm bevorzugten Variante würden westliche Regionen der Ukraine mehreren EU-Staaten zugeschlagen und die östlichen Russland, während die Einwohner der zentralen Gebiete für den Beitritt zu Russland stimmen.

Bei diesem Ausgang "endet der Konflikt mit ausreichenden Garantien, dass er auf lange Sicht nicht wieder aufgenommen wird", schrieb Medwedew im Online-Dienst Telegram. Sollte hingegen ein unabhängig gebliebener Teil der Ukraine der EU oder der Nato beitreten, sei mit einem Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zu rechnen, "mit der Gefahr, dass es schnell in einen vollwertigen dritten Weltkrieg übergehen kann", behauptete der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin.

Bei einem für Moskau nach Medwedews Worten "temporär" annehmbaren Szenario würde die Ukraine im Zuge des Krieges vollständig zwischen EU-Ländern und Russland aufgeteilt, während in Europa eine ukrainische Exil-Regierung gebildet würde. Andere Varianten als diese drei seien nicht realistisch, "das ist allen klar", behauptete Medwedew - auch wenn es einigen im Westen "unangenehm" sei, dies zuzugeben. Die Ukraine bezeichnete er als "sterbenden Staat", der infolge eines verlorenen militärischen Konflikts zerfallen werde.

Lukaschenko: Stationierung russischer Atomwaffen hat begonnen

Zudem habe Russland nach Angaben des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko mit der Stationierung taktischer Atomwaffen in dem Nachbarland begonnen. Dies bestätigte Lukaschenko am Donnerstag in Moskau nach einem Treffen mit Präsident Wladimir Putin. Auch Zahl der Waffen und Orte der Lagerung seien festgelegt worden. Details nannte Lukaschenko nicht. "Ich werde nicht über die Zahl und über die Stationierung reden", sagte er.

Putin habe konkrete Entscheidungen getroffen und ein entsprechendes Dekret unterzeichnet, fügte der belarussische Machthaber hinzu. Damit seien mündliche Absprachen besiegelt worden. Die Waffen sollen nach früheren Angaben an der Grenze zu Polen stationiert werden. Russland führt seit mehr als 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hat mehrfach mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht.

Zuvor hatte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu in Minsk bei einer Vertragsunterzeichnung erklärt, dass Kontrolle und Entscheidung über den Einsatz der Atomwaffen ausschließlich auf Moskauer Seite lägen. Für Belarus unterschrieb Verteidigungsminister Viktor Chrenin. Als Grund der Stationierung nannte er: "Heute übt der ,kollektive' Westen beispiellosen Druck in allen Bereichen der nationalen Sicherheit sowohl auf Belarus als auch auf Russland aus." Putin hatte die Stationierung auch damit begründet, dass die USA seit Jahren Atomwaffen in Europa haben, auch in Deutschland.

Belarus ändert Verfassung wegen Atomwaffen

Belarus erhält nach der freiwilligen Abgabe seiner Atomwaffen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nun erstmals seit den 1990ern Jahren wieder nukleare Raketen. Dazu ließ Lukaschenko die Verfassung ändern, so dass kein atomwaffenfreier Status mehr festgeschrieben ist. Belarussische Soldaten wurden in Russland bereits im Umgang mit Iskander-Raketen geschult, die Atomsprengköpfe tragen können. Auch mehrere belarussische Kampfflugzeuge wurden auf die neuen Waffen umgerüstet.

Lukaschenko hielt sich seit Mittwoch in Moskau auf. Nachdem es Spekulationen über seine Gesundheit gegeben hatte, zeigte er sich zufrieden lächelnd im Staatsfernsehen. Am Dienstag hatte er erklärt, an einem Virus gelitten zu haben. Er habe wegen vieler Termine keine Zeit gehabt, sich zu kurieren. "Aber ich habe nicht vor zu sterben, Leute. Ihr werdet mit mir noch lange zu tun haben", sagte der 68-Jährige. Lukaschenko, der als letzter Diktator Europas gilt, ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht.

Update vom 24.05.2023, 19.30 Uhr: Henry Kissinger sieht Kriegs-Schuld nicht allein bei Moskau

Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger sieht die Schuld am Ukraine-Krieg nicht bei Russland allein. Der Friedensnobelpreisträger von 1973 erinnerte in der Wochenzeitung Die Zeit daran, dass er schon 2014 Zweifel am Vorhaben geäußert habe, "die Ukraine einzuladen, der Nato beizutreten". Der gebürtige Fürther, der an diesem Samstag 100 Jahre alt wird, fügte hinzu: "Damit begann eine Reihe von Ereignissen, die in dem Krieg kulminiert sind."

Kissinger sprach in dem Interview von einem "höchst rücksichtslosen" Angriffskrieg Russlands unter Präsident Wladimir Putin. "Der Krieg selbst und die Kriegsführung sind höchst rücksichtslos, der Angriff muss zurückgeschlagen werden, und ich befürworte den Widerstand der Ukrainer und des Westens." Russland dürfe nicht gewinnen. Er sei aber weiterhin der Auffassung, "dass es nicht weise war, die Aufnahme aller Länder des ehemaligen Ostblocks in die Nato mit der Einladung an die Ukraine zu verbinden, ebenfalls der Nato beizutreten".

Damals sei er der Meinung gewesen, "dass die Ukraine am besten neutral geblieben wäre, mit einem Status ähnlich wie seinerzeit Finnland". Inzwischen spricht er sich jedoch dafür aus, dass die Ukraine nach Kriegsende ins westliche Militärbündnis kommt. "Heute bin ich absolut dafür, die Ukraine nach dem Ende des Krieges in die Nato aufzunehmen. Jetzt, da es keine neutralen Zonen mehr zwischen der Nato und Russland gibt, ist es besser für den Westen, die Ukraine in die Nato aufzunehmen." Auch Finnland gehört inzwischen zur Nato.

Kissinger sagte weiter, er glaube nicht, dass Putin gegen die Ukraine Atomwaffen einsetzen werde. "Aber je mehr es um den Kern der russischen Identität geht, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er es tut." Den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den Kremlchef kritisierte er. "Putin vor Gericht? Besser nicht!" Es werde "unmöglich, oder sehr viel schwieriger, einen Krieg zu begrenzen, wenn man den Ausgang des Krieges mit dem persönlichen Schicksal eines politischen Führers verknüpft".

Kissinger war Außenminister der Vereinigten Staaten von 1973 bis 1977. Den Friedensnobelpreis bekam der Republikaner für seine Bemühungen um ein Ende des Vietnam-Kriegs.

Update vom 22.05.2023, 07.30 Uhr: Streit um Eroberung Bachmuts

Gegensätzliche Standpunkte vertreten Moskau und Kiew bei der Frage, ob Bachmut nun von Russen erobert wurde oder nicht. Am Samstag hatte zunächst der Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, die Einnahme verkündet. Später gab auch das reguläre Militär die Eroberung bekannt. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte bereits die Verteilung von Orden an.

Die ukrainische Führung allerdings bestreitet den militärischen Erfolg Moskaus. Selenskyj, der zunächst mit missverständlichen Äußerungen die Spekulationen um die Eroberung der Stadt noch befeuert hatte, wies später die vollständige Einnahme Bachmuts durch russische Truppen zurück. "Bachmut ist heute nicht von Russland besetzt worden", sagte er in Hiroshima. Der Generalstab in Kiew schrieb ebenfalls im morgendlichen Lagebericht: "Der Kampf um die Stadt Bachmut geht weiter."

Auch das ukrainische Militär hält - zumindest rhetorisch - weiter an Bachmut fest. "Unsere Soldaten halten Befestigungsanlagen und einige Räumlichkeiten im Südwesten der Stadt", sagte der Sprecher der Heeresgruppe Ost, Serhij Tscherewatyj, am Sonntag im ukrainischen Fernsehen. Er räumte allerdings ein, dass die Lage kritisch sei und es schwere Kämpfe gebe. Unabhängig lassen sich die Angaben der Kriegsparteien nicht überprüfen.

Später teilte die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar mit, dass den ukrainischen Truppen an den Flanken weitere Vorstöße gelungen seien. Das Militär habe mehrere Höhenzüge eingenommen, was es den Russen schwer mache, in Bachmut zu bleiben. Die ukrainischen Kräfte hätten bereits einen Halbkreis um die Stadt gebildet, schrieb sie am Sonntag auf Telegram.

Tscherewatyj meldete sich am Sonntagabend ebenfalls noch einmal zu Wort. Seinen Angaben nach ist das Militär nahe Bachmut weiter vorgerückt. "Speziell in den letzten 24 Stunden sind wir an einigen Teilstücken etwa 200 Meter vorgestoßen", sagte Tscherewatyj im ukrainischen Fernsehen. Bereits die ganze Woche sei das ukrainische Militär in der Umgebung der Stadt auf dem Vormarsch.

Die Stadt Bachmut ist seit Monaten hart umkämpft und gilt als Hauptteil der russischen Verteidigungslinie im Oblast Donezk. Inzwischen sei die Stadt fast komplett zerstört. Selenskyj sprach beim G7-Gipfel von einer "Tragödie". Laut Experten wäre der Verlust der Stadt für die Ukraine aber nicht kriegsentscheidend. Russland müsste noch viele weitere Städte einnehmen, um das Gebiet Donezk vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen.

Update vom 17.05.2023, 10.45Uhr: Hochverrat durch den Wagner-Boss? - Experten äußern sich zu Bestrafung

Am Montag (15. Mai) sickerten laut Bild Informationen darüber durch, dass der Söldner-Chef der Wagner-Truppe Jewgeni Prigoschin Verrat an Russland begehen würde. Er habe der Ukraine militärische Informationen über ihren Kriegsgegner angeboten. Der Kreml könnte das als "Hochverrat" werten.

Russland wies diese Tatsache zurück. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nannte ihn "Fälschung". Prigoschin wetterte darüber: "Sie werden versuchen, so viel Scheiße über mich zu gießen, wie sie nur haben."

Die Ukraine habe allerdings eine mehrfache Kontaktaufnahme durch Prigoschin bestätigt. Weil man dem Wagner-Chef nicht traue, sei die Regierung nicht darauf eingegangen.

Experten des Institute for the Study of War (ISW) haben die Situation analysiert und seien zu dem Schluss gekommen, dass Russland davon gewusst haben muss. In einem ISW-Bericht vom Dienstag habe es geheißen: "Der Kreml vermutet wahrscheinlich, dass Prigoschin mit dem ukrainischen Geheimdienst kommuniziert hat, oder ist sich dessen bewusst. Man wurde wahrscheinlich nicht von dem Bericht der Washington Post oder den durchgesickerten US-Geheimdienstdokumenten überrumpelt."

Weil Russland die Wagner-Armee dringend brauche, gehen die Experten nicht von einer Tötung oder Verhaftung Prigoschins aus. Für wahrscheinlicher halten sie eine rufschädigende Kampagne, die ein schlechtes Licht auf den Söldner-Chef werfen solle. "Der Kreml bereitet wahrscheinlich Mechanismen vor, um Prigoschin als Verräter zu diskreditieren", heißt es weiter.

Auch soll Prigoschin Hochverrat vorgeworfen worden sein. Nicht, weil er die Ukraine kontaktiert haben soll, sondern weil er sich gegen die russische Militärführung ausgesprochen habe. Er habe Munitionslieferungen und Waffen gefordert, die zu lang auf sich warten ließen. Infolge dessen habe er den Militär-Chef verbal angegriffen.

Update vom 15.05.2023, 8 Uhr: Ist Russland auf eine Niederlage eingestellt?

Russlands Führung hat sich Aussagen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge insgeheim bereits auf eine Niederlage im Krieg gegen sein Land eingestellt. "In ihren Köpfen haben sie diesen Krieg bereits verloren", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Freitag. "Wir müssen täglich Druck auf sie ausüben, damit sich das Gefühl der Niederlage bei ihnen in Flucht, Fehler und Verluste verwandelt." Zugleich verkündete der ukrainische Staatschef weitere Sanktionspakete gegen Russland - unter anderem gegen die dortige Rüstungsindustrie.

Aus Russland gab es mehr als 14 Monate nach Beginn des Angriffskriegs zuletzt teils düstere Einschätzungen über die eigene Lage an der Front. So sprach etwa der russische Söldnerchef Jewgeni Prigoschin von einer "Flucht" der Armee nordwestlich der umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut. Das Verteidigungsministerium in Moskau hingegen betonte, es habe lediglich strategische Umgruppierungen gegeben.

Der Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, soll einem US-Medienbericht zufolge der Ukraine angeboten haben, Stellungen russischer Truppen zu verraten. Als Gegenleistung habe er den Abzug ukrainischer Soldaten aus der umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut gefordert. Kiew habe das Angebot abgelehnt, schrieb die Washington Post am Sonntag. Das Blatt bezieht sich auf durchgesickerte Dokumente des US-Geheimdienstes, die auf der Plattform Discord aufgetaucht waren. Für das Angebot von Ende Januar habe Prigoschin seine Kontakte zum ukrainischen Militärgeheimdienst genutzt.

Russland hat vor mehr als 14 Monaten seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet. Die Söldnertruppe Wagner kämpft an der Seite regulärer russischer Truppen. Seit Monaten sind Wagner-Kampfverbände vor allem im Raum Bachmut aktiv, wo derzeit die blutigsten Kämpfe mit hohen Verlusten auf beiden Seiten laufen.

Prigoschin hat sich öffentlich mit der russischen Militärführung angelegt. Der Söldnerchef beklagte sich mehrfach über die seiner Ansicht nach fehlende Unterstützung seitens des russischen Verteidigungsministeriums. Ihm werde zu wenig Munition geliefert, sagte er. Vergangene Woche hatte Prigoschin eingeräumt, dass seine Söldnertruppe in Bachmut immer stärker in Bedrängnis gerate.

Doch Prigoschin gilt als Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin, der ein solches Angebot an die Ukraine als Verrat werten könnte, schreibt die Washington Post. Aus den Dokumenten gehe nicht hervor, welche russischen Truppenpositionen Prigoschin preisgeben wollte.

Prigoschin habe der Ukraine gar mehrfach Informationen über russische Truppen in Bachmut angeboten, sagte ein namentlich nicht genannter ukrainischer Beamter dem Blatt. Kiew habe abgelehnt, da Prigoschin als nicht vertrauenswürdig gelte. Ähnliche Zweifel an Prigoschins Absichten habe es auch in Washington gegeben, schrieb die Zeitung unter Berufung auf einen US-Beamten, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden wollte.

Die Washington Post berichtete weiter, Prigoschin habe sich mit Vertretern des ukrainischen Militärgeheimdienstes in einem afrikanischen Land getroffen. Prigoschin selbst reagierte am Sonntagabend sarkastisch auf den Bericht. Er könne das Treffen mit dem Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, in Afrika bestätigen. "Wir befinden uns bis jetzt mit Budanow in Afrika", sagte er auf dem Telegram-Kanal seines Pressedienstes - was ganz offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Er hatte sich zuletzt mehrfach aus Bachmut gemeldet.

(mem/mit dpa)

Update vom 14.05.2023, 19.20 Uhr: Selenskyj nennt Scholz "Verteidiger Europas"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Bundeskanzler Olaf Scholz für seine sicherheitspolitische Kehrtwende nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gelobt. "Als Du die Zeitenwende sahst, begannst Du so zu handeln, wie ein Verteidiger Europas zu handeln hat", sagte er am Sonntag bei der Verleihung des Karlspreises in Aachen. "Europa wird Dir und dieser Regierung Deutschlands immer dankbar sein."

Konkret dankte Selenskyj Scholz für die Waffenlieferungen der vergangenen Monate. Das Flugabwehrsystem Iris-T habe beispielsweise bereits Tausende Menschenleben gerettet. Ausdrücklich nannte Selenskyj auch die Leopard- und Marder-Panzer. "Wichtig ist auch, dass Deutschland nicht nur militärisch, sondern mit seiner Führung in den wirtschaftlichen, humanitären Bereichen und der Diplomatie hilft."

Scholz hatte sich wenige Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine dafür entschieden, der Ukraine Waffen zu liefern. Außerdem kündigte er eine massive Aufrüstung der Bundeswehr an. Heute zählt Deutschland nach den USA und neben Großbritannien zu den größten Waffenlieferanten der Ukraine. Dennoch hatte es Spannungen zwischen Scholz und Selenskyj gegeben. Der ukrainische Präsident beschwerte sich über die Zurückhaltung des Kanzlers bei den Waffenlieferungen. So sagte Selenskyj im Februar in einem "Spiegel"-Interview: "Ich muss Druck machen, der Ukraine zu helfen, und ihn ständig überzeugen, dass diese Hilfe nicht für uns ist, sondern für die Europäer."

Deutschland lag zu diesem Zeitpunkt bei der militärischen Hilfe schon zusammen mit Großbritannien auf Platz zwei. Als kurze Zeit danach die Zusage für Leopard-Panzer kam, änderte sich der Ton jedoch. Das neue milliardenschwere Waffenpaket tat sein übriges. Selenskyj lobt nun die deutsche Hilfe. "Wir werden daran arbeiten, dass wir Deutschland auf den ersten Platz bringen bei der Unterstützung", sagt er sogar mit einem Augenzwinkern. Seinen Bitten nach modernen Kampfjets westlicher Bauart kommt Scholz dennoch nicht nach. Der Kanzler macht deutlich, dass er derzeit keine Waffen neuer Qualität bereitstellen will. Er verwies auf die deutsche Unterstützung der Ukraine bei der Luftverteidigung. "Das ist das, worauf wir uns als Deutsche jetzt konzentrieren."

Update vom 14.05.2023, 8.45 Uhr: Selenskyj in Deutschland angekommen - Tagesablauf geheim

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wird am Sonntagnachmittag in Aachen der Internationale Karlspreis 2023 verliehen. Zusammen mit Selenskyj wird auch das ukrainische Volk ausgezeichnet für seinen Widerstand und Mut bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs gegen das Land. Damit würden "auch Europa und die europäischen Werte" verteidigt, erklärte die Karlspreisstiftung.

In der Nacht zu Sonntag traf Selenskyj erstmals seit dem russischen Angriff auf sein Land zu politischen Gesprächen in Berlin ein. Das genaue Programm wurde aus Sicherheitsgründen bislang nicht bekanntgegeben, seine persönliche Teilnahme an der Preisverleihung in Aachen ist noch nicht bestätigt. Es gab Spekulationen, dass der Gast aus Kiew von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz (SPD) empfangen wird.

Festredner bei der Zeremonie in Aachen sind Scholz, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Schon länger stand die Möglichkeit im Raum, dass Selenskyj persönlich nach Aachen kommt. Vor der Verleihung hieß es aber, dass auch eine ranghohe ukrainische Vertretung den Preis entgegennehmen könne. Auch eine per Video zugeschaltete Teilnahme sei möglich, teilte die Stadt Aachen mit.

Die Polizei plante den Einsatz von Anfang an unter der Maßgabe, dass Selenskyj nach Aachen kommt. Der ukrainische Präsident gilt als eine der gefährdetsten Personen überhaupt. Am Sonntag sind in Aachen mehr als 1000 Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet im Einsatz. Es herrschen extrem strenge Sicherheitsvorkehrungen. Der Bereich um das Rathaus, wo der Preis vor 700 Gästen vergeben wird, sollte Stunden vor der Verleihung abgeriegelt werden, der Luftraum über der Stadt gesperrt werden. "Wir haben Sicherheitsbedingungen wie nie zuvor", sagte Jürgen Linden, der Vorsitzende des Karlspreisdirektoriums.

Der Aachener Karlspreis ist ein nichtdotierter Preis. Er wird seit 1950 vergeben für Verdienste um Europa und die europäische Einigung. Voriges Jahr bekamen ihn die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und zwei Mitstreiterinnen, 2021 der rumänische Präsident Klaus Iohannis. Auch Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Papst Franziskus sind Preisträger.

In der Begründung für die Zuerkennung des Karlspreises wurde die prominente Rolle von Selenskyj in der Abwehr des russischen Angriffskriegs hervorgehoben: Er sei nicht nur der Präsident seines Volkes und der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee. Er sei "auch der Motivator, Kommunikator, der Motor und die Klammer zwischen der Ukraine und der großen Phalanx der Unterstützer". Der Karlspreis wolle die Europäer hinter der Ukraine versammeln, betonte Linden.

Update vom 13.05.2023, 14.30 Uhr: Deutschland sagt Ukraine weiteres Milliarden-Hilfspaket zu

Vor einem möglichen Deutschlandbesuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die Bundesregierung der Ukraine weitere Waffenlieferungen im Wert von 2,7 Milliarden Euro zugesagt. Unter anderem sollen 20 weitere Marder-Schützenpanzer, 30 Leopard-1-Panzer und 4 Flugabwehrsysteme Iris-T-SLM bereitgestellt werden, wie das Verteidigungsministerium am Samstag in Berlin mitteilte. 

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte zu dem neuen Waffenpaket: "Mit diesem wertvollen Beitrag an dringend benötigtem militärischen Material zeigen wir einmal mehr, dass es Deutschland mit seiner Unterstützung ernst ist." Alle wünschten sich ein baldiges Ende des fürchterlichen und völkerrechtswidrigen Krieges Russlands gegen das ukrainische Volk. "Abzusehen ist dies leider noch nicht. Von daher wird Deutschland jede Hilfe leisten, die es leisten kann - as long as it takes" - so lange dies nötig sei, ergänzte Pistorius. Zuerst hatte der "Spiegel" über das geplante neue Waffenpaket berichtet.

Selenskyi befindet sich währenddessen auf einem Besuch in Rom. Der ukrainische Präsident dürfte in Italien um weitere Unterstützung für den Abwehrkampf gegen Russland und die angekündigte Gegenoffensive werben. Italiens Außenminister Antonio Tajani schrieb: "Wir erneuern unseren Einsatz für das ukrainische Volk, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen." Im Anschluss wird Selenskyj an diesem Wochenende erstmals seit dem russischen Angriff auf die Ukraine nach Deutschland kommen. Regierungskreise in Berlin bestätigten der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, dass der Besuch am Sonntag stattfinden wird. Ob Selenskyj schon am Samstagabend oder erst am Sonntag eintreffen wird, blieb zunächst unklar.

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