Dennoch halten sich Spekulationen hartnäckig – je nach politischer Ausrichtung wurden wahlweise die Clintons oder Donald Trump verdächtigt. Die Umstände nährten das Misstrauen: In der Todesnacht versäumten Wärter ihre Kontrollgänge, obwohl Epstein einen Monat zuvor bereits einen mutmaßlichen Suizidversuch unternommen hatte.
Was hatte Trump mit Epstein zu tun?
Trump und Epstein feierten gemeinsam in den 1990er Jahren, wie Videoaufnahmen zeigen. Laut Protokollen flog Trump mindestens siebenmal in Epsteins Privatjet. In einem Interview von 2002 nannte er Epstein einen «großartigen Mann» – und sagte über ihn: «Es wird sogar erzählt, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich. Und viele von denen sind eher von der jüngeren Sorte.» 2019 distanzierte sich Trump als Präsident von Epstein und erklärte, nichts vom Missbrauch gewusst zu haben. Epstein bezeichnete Trump laut Journalist Michael Wolff später als seinen ehemals «besten Freund» und erhob schwere, aber unbelegte Vorwürfe.
Die Mischung aus reichen und mächtigen Männern, einer offenbar laschen Strafverfolgung und einem dubiosen Tod bereiteten den idealen Nährboden für Argwohn. Zumal der Missbrauch Minderjähriger im Zentrum weiterer breitenwirksamer rechter Verschwörungstheorien der jüngeren US-Geschichte steht, darunter das (längst widerlegte) sogenannte «Pizzagate», das behauptete, hochrangige Demokraten betrieben in einer Pizzeria in Washington einen Pädophilenring.
Was versprach Trump vor der Wahl? Was sagt er jetzt?
Nach Epsteins Tod zweifelte Trump immer wieder öffentlich an der Suizid-Version – obwohl er als Präsident Zugang zu allen Ermittlungsergebnissen hatte. Vor der Wahl 2024 zeigte er sich grundsätzlich offen für eine Freigabe der Akten, was viele Verschwörungstheoretiker in seiner Anhängerschaft begeisterte.
Dass er mit Kash Patel und Dan Bongino zwei Anhänger unbelegter Theorien an die Spitze des FBI berief, wurde als Signal gewertet. Doch nun die Kehrtwende: Patel und Bongino bestätigten die offizielle Version vom Suizid, Akten würden nicht freigegeben.
Auch Justizministerin Pam Bondi ruderte zurück – obwohl sie zuvor behauptet hatte, eine «Kundenliste» Epsteins liege auf ihrem Schreibtisch. Das Weiße Haus erklärte das mit einem Missverständnis. Trump selbst forderte seine Anhänger derweil auf, Epstein zu vergessen, und nannte den Fall einen «Schwindel».
Wieso hat Trump seine Meinung geändert?
Das ist unklar – und genau das befeuert Spekulationen. Denn wer ruft «Hier gibt es nichts zu sehen», steht selbst schonmal vor etwas, das sich sehr wohl zu betrachten lohnt. Unter Trumps Anhängern, scharf gemacht durch ihn selbst, fragen sich nun viele, ob ihr Präsident selbst etwas zu verbergen hat.
Nach dem Bruch zwischen Trump und Berater Elon Musk schrieb dieser vor einigen Wochen auf X: «Zeit, die wirklich große Bombe platzen zu lassen: @realDonaldTrump ist in den Epstein-Akten.» Belege lieferte er nicht.
Dass Trumps Name als Bekannter Epsteins in Ermittlungsunterlagen auftaucht, ist plausibel – ohne dass daraus automatisch Schuld folgt. So wurde er unter anderem auch in Gerichtsdokumenten in harmlosem Zusammenhang genannt. Ob die geheimen Akten des FBI mehr enthalten, ist offen. Trumps Verhalten trägt jedenfalls nicht zur Entkräftung des Verdachts bei. Manche spekulieren, er wolle womöglich andere mächtige Personen schützen.
Warum ist die Wende so brisant?
Die Affäre um Epstein berührt den Kern des von Trump geschürten Selbstverständnisses seiner «Maga»-Koalition: Trump als Kämpfer des kleinen Mannes gegen eine korrupte Elite, die das Land ausbeutet. Dieses Narrativ war so wirkmächtig, dass es zu seiner Rückkehr ins Weiße Haus beitrug – seine Anhänger glaubten ihm nahezu bedingungslos.
Nun aber steht der Verdacht im Raum, Trump könne selbst Teil jenes Systems sein, das er zu bekämpfen versprach. Das birgt politische Sprengkraft: Denn es prallen zwei zentrale Antriebskräfte seiner Bewegung aufeinander – die Wut auf die Eliten und die Loyalität zum Präsidenten.
Wie gefährlich ist das für Trump?
Der Druck wächst jedenfalls. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sowie einige konservative Abgeordnete spüren den Unmut in ihren Wahlkreisen und fordern Transparenz – ebenso wie zahlreiche rechte Influencer. Angesichts ihrer sonst fast bedingungslosen Loyalität gegenüber Trump ist das bemerkenswert.
2016 behauptete Trump, er könne jemanden auf offener Straße erschießen, ohne Wähler zu verlieren. Doch der Bruch mit Teilen seiner treuesten Anhänger in der Epstein-Affäre könnte schwerer wiegen. Der 79-Jährige riskiert tiefe Risse im Fundament seiner Bewegung – und seine Partei womöglich eine herbe Niederlage bei den Kongresswahlen und damit Machtverlust. Um Vertrauen zurückzugewinnen, müsste Trump reagieren. Nur anders als bisher.