Angesichts des schwindenden Vertrauens in die deutsche Demokratie möchte Caren Miosga am Sonntagabend wissen: "Haben wir den Kompromiss verlernt?" Ihre Gäste stehen strukturelle Probleme, üben aber auch konkrete Kritik an der Bundesregierung.
Volkstrauertag am Sonntag. Zeit zum Nachdenken. Dazu bietet am Abend die Talkshow mit Caren Miosga in der ARD reichlich Gelegenheit, denn statt konfrontativ diskutiert wird diesmal fast schon philosophisch reflektiert. "Haben wir den Kompromiss verlernt?" möchte die Moderatorin von ihren Gästen wissen. Als Gäste geladen sind Ricarda Lang, die nach ihrem Rückzug vom Grünen-Parteivorsitz als einfache Abgeordnete im Bundestag sitzt, und Martin Machowecz, der stellvertretende Chefredakteur der "Zeit".
Auch Schriftsteller und Jurist Ferdinand von Schirach ist da. Der hat vor vier Jahren eine Initiative für eine neue und moderne Verfassung gestartet. Darin fordert er eine teilweise Entmachtung des Parlaments. Und er will Politiker und Amtsträger verpflichten, die Wahrheit zu sagen. "Recht auf Wahrheit" nennt er das. Das Lügen-Verbot soll aber natürlich nur in ganz besonderen Fällen gelten. Denn: "Natürlich lügen Politiker andauernd. Das müssen sie auch tun, das geht gar nicht anders."
Doch im Moment sei das Vertrauen in die Politiker extrem gefährdet, sagt von Schirach. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung glauben weniger als die Hälfte der Deutschen, die Demokratie würde noch gut funktionieren. "Wenn das Vertrauen so erschüttert ist, ist die Lüge etwas viel Gefährlicheres als in Zeiten, in denen Vertrauen besteht", sagt er. Das Vertrauen in die Politik werde bei nicht eingehaltenen Versprechen, bei Ungerechtigkeit und bei nicht benannten Problemen erschüttert.
Verständnis für Frust der Jungen Union
Die schwarz-rote Koalition habe viele Versprechen gemacht und danach nicht eingelöst, kritisiert Martin Machowecz, der stellvertretende Chefredakteur der "Zeit". Das fällt Bundeskanzler Friedrich Merz gerade jetzt auf die Füße, bei der Rentendiskussion. Dort begehren nun junge Politiker der Union auf. Das kann Machowecz verstehen.
"Es ist total wahr, dass der Kanzler in der Vergangenheit schon zu oft Dinge getan hat, die er vorher mal anders in Aussicht gestellt hatte", sagt Machowecz. "Da fallen einem jede Menge Dinge ein: Die Aufhebung der Schuldenbremse war der krasseste Fall. Reden wir über die Rentendiskussion: Die Junge Union ist im Moment total verdattert, weil sie gehofft hat, den Kanzler mit ins Boot gehoben zu haben mit einer riesigen Kampagne. Und offenkundig hat er sie da richtig fallenlassen. Ich interpretiere seine Rede am Samstag auf dem Deutschlandtag der JU so, dass er nicht bereit ist, wieder auf sie zuzugehen. Und ich verstehe die Erschütterung."
Das Rentensystem sei auf Dauer nicht finanzierbar. Das hätten die Jungen in der Union erkannt. "Sie sehen, dass Politik keinerlei Ideen und Konzepte hat, das gerade richtig auf die Füße zu stellen. Stattdessen wird so eine halbgare Idee verabschiedet und mit wurstigen Begründungen, man würde 2031 sehen, ob ihnen dann etwas einfällt. Ich verstehe die Kritik an der Generationengerechtigkeit total."
Lang sieht drei Ungerechtigkeiten im Rentensystem
Ricarda Lang sieht es ähnlich. Die Jugend falle bei sehr vielen Entscheidungen der schwarz-roten Koalition hinten runter, vom Klimaschutz über die Bildung bis zur Rente. Die Frage der Generationengerechtigkeit innerhalb der Rente werde an den Rand geschoben. Man müsse über das Renteneintrittsalter reden und darüber, wer in die Rentenversicherung einzahle und ob dies auch Beamte tun müssten, fordert Lang.