Felssturz-Katastrophe raubte Hotelier alles - trotzdem will er noch 2025 neu eröffnen

2 Min
"Trügerische Alpenidylle"
"Man hat gesehen, der Fels kommt auch": Hotelier Lukas Kalbermatten erinnert sich an die Katastrophe von Blatten.
ZDF
"Trügerische Alpenidylle"
Das Schweizer Bergdorf Blatten wurde im Mai 2025 von einem Felssturz völlig zerstört.
ZDF / Michael Buholzer
"Trügerische Alpenidylle"
Die Aufräumarbeiten in Blatten gestalten sich schwierig.
ZDF / Michael Buholzer
"Trügerische Bergidylle"
Lukas Kalbermattens Hotel fiel dem Bergsturz im Schweizer Ort Blatten zum Opfer. Trotzdem will er ein neues Hotel eröffnen - im selben Ort.
ZDF

Im Schweizer Bergdorf Blatten zerstörte ein Felssturz Ende Mai 2025 die Existenz von 300 Menschen. Wie die Lage vor Ort heute ist und weshalb Betroffene ihre Zukunft trotzdem in ihrer Heimat sehen, zeigt die ZDF-Dokumentation "Trügerische Alpenidylle".

Der Mensch mag mittlerweile große Teile der Natur für sich beansprucht haben. Doch entfesselt diese ihre rauen Kräfte, ist er letztlich doch machtlos. Das zeigten am 28. Mai 2025 einmal mehr die Bilder, die aus dem Schweizer Bergdorf Blatten um die Welt gingen.

Felsmassen und Eis rauschten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 200 Stundenkilometern talwärts und walzten alles platt. Die Existenz von 300 Menschen, die zuvor evakuiert worden waren: ausgelöscht. 90 Prozent des Dorfes einfach weg. Die Macher des ZDF-Films "Trügerische Alpenidylle" wagen einige Monate danach eine Bestandsaufnahme vor Ort.

Jonas Jeitziner, regionaler Führungsstab Lötschental, räumt ein, man befinde sich noch immer in einer "großen Chaosphase". Der Überblick über das verschüttete Gebiet gestaltet sich schwierig, Bagger sinken im Boden ein, noch immer ist Bewegung im Berg. Sofern Messgeräte und Kameras ausschlagen und einen erneuten Felssturz prognostizieren, heißt es schnell weg.

Nur "wenige Minuten" Reaktionszeit blieben dann, erklärt Manfred Ebener, stellvertretender Leiter Führungsstab. Trotzdem haben sich viele Blattener den Optimismus bewahrt, wie Jeitziner berichtet: "Sie stärken sich an dem, was sie noch haben, das ist das Miteinandersein."

"Unsere Heimat ist hier": Gemeinderatspräsident will Blatten wiederaufbauen

Einer von denen, die alles verloren haben, ist Lukas Kalbermatten. Der Hotelier leitete ein Drei-Sterne-Haus. Der "typische Familienbetrieb" sei "eine Erfolgsgeschichte" gewesen - bis der Felssturz kam. Bis auf ein paar Fotoalben und traditionelle Trachten ist davon nichts mehr übrig. "Man hat gesehen, der Fels kommt auch", beobachtete Kalbermatten vorab. "Es hat so rausgespritzt: Und dann habe ich gesagt, das Dorf ist weg."

Trotz des massiven Einschnittes und weiterhin drohender Gefahr träumt Kalbermatten bereits von einem neuen Hotel - wieder in Blatten. Noch 2025 will er eröffnen, auch wenn die Wiese, auf dem die leicht rückbaubaren Bauelemente stehen sollen, noch leer ist. "Für 1.000 Jahre lohnt es sich wieder, ein Haus zu bauen", verweist er auf die Jahrtausendkatastrophe und fügt hinzu: Am Ätna würden auch Menschen leben, "am Vulkan, der kann mal explodieren".

Ähnlich sieht es Gemeindepräsident Matthias Bellwald, der im ZDF-Film betont: "Unsere Heimat ist hier, gefährlich ist es überall." Er halte es für verheerend, Gefahrenkarten an Jahrtausendereignissen auszurichten: "Dann müssen wir die ganze Schweiz umsiedeln." Für seine Pläne, Blatten wieder bewohnbar zu machen, habe er bislang nur positives Feedback erhalten: "Die Solidarität ist ein krasses und sehr klares Zeichen, man glaubt an uns. Es glaubt die ganze Schweiz daran, dass wir es schaffen."

Gemeinderatspräsident warnt: "Wir können nicht einfach das Dorf entvölkern"

In Kandersteg im Nachbartal kam es noch zu keiner großen Katastrophe. Doch der sorgenvolle Blick der Ortsansässigen gilt dem Spitzen Stein. Kleinere Abplatzungen gab es bereits, seither wird der Berg engmaschig überwacht. Ein Ranger wurde eingesetzt, um sicherzustellen, dass im Instagram-Hotspot Wanderinnen und Wanderer die abgesperrten Bereiche auch wirklich nicht betreten. "Es könnte paketweise runterkommen, aber auch zu einem großen Ereignis führen", sagt Forscherin Dr. Marcia Phillips. Genauere Vorhersagen seien schwierig. Auch das Unglück im benachbarten Glatten könne man bis heute nicht genau erklären.

Sicher ist: Weil aufgrund der Klimaveränderungen der Permafrost zunehmend abtaut, bröckelt die "Versiegelung des Berges". Die Folge: höherer Druck auf den Berg, erhöhte Bewegung - und am Ende mehr Felsstürze. "Manche Messstellen können wir nicht mehr besuchen", erklärt Phillips - zu gefährlich. Dämme, Zäune und Auffangbecken sollen Kandersteg vor Schlimmerem bewahren, zumindest vor kleineren Vorkommnissen. "Nur bei einem Worst Case kann man sich hier nicht schützen - unmöglich", weiß Gemeinderatspräsident René Maeder.

Um gerüstet zu sein für den Ernstfall, existieren Evakuierungspläne. Dazu regulieren Zonen, inwiefern etwa Hotels ausbauen dürfen. In der roten Zone ist Baustopp angesagt. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen warnt Maeder: "Wir können nicht einfach das Dorf entvölkern." Es brauche weiterhin eine Perspektive für "junge, aufstrebende Geschäftsleute, die sich hier eine Existenz aufgebaut haben". Andernfalls befürchte er den "Tod für das Dorf".