DFB-Spieler auf Matratzen auf dem Kabinenboden im Stade de France - und "ein dumpfer Knall": Am 13. November 2015 war das Nationalmannschaftsspiel gegen Frankreich Ziel eines Anschlags in Paris. Anlässlich des zehnten Jahrestages erinnern sich in einem Sky-Film Zeitzeugen zurück.
Es hätte ein Fußballfest werden sollen, doch das Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Frankreich am 13. November 2015 endete in Angst, Ungewissheit und drei Bombenanschlägen unmittelbar in der Nähe des Stade de France. Wie die DFB-Spieler und -Verantwortlichen dieses einschneidende Erlebnis - nur ein Teil einer Anschlagsserie an diesem Abend in Paris - wahrnahmen, schildern sie nun in dem Sky-Dokumentarfilm "Die Nacht von Paris - Terror am Stade de France" (ab 7. November).
"Ich hatte keine Zeit für Todesangst", erinnert sich Oliver Bierhoff im Film von Christian Twente und Markus Brauckmann. Zu sehr sei er als Krisenmanager beschäftigt damit gewesen, die undurchsichtige Lage zu durchblicken und die größtmögliche Sicherheit für den DFB-Tross zu gewährleisten. Bisweilen habe er sich dabei gefühlt wie in den TV-Serien "Homeland" oder "24".
Boateng erinnert sich an Bierhoff-Rede: "Das ist der Ernst des Lebens"
Nach dem Abpfiff des Spiels informierte Bierhoff die Spieler, die zuvor bewusst nicht aufgeklärt worden waren. "Du hast gemerkt, das ist kein Film, sondern der Ernst des Lebens", schildert Jérôme Boateng die Reaktionen des Teams auf die Offenbarung. Kollege Julian Draxler fügt hinzu, Bierhoff sei immer ein "Fels in der Brandung" gewesen, doch in diesem Moment habe er "blass und ganz und gar nicht souverän" gewirkt. Schnell sei klar gewesen: Die Nationalmannschaft wird im Stadion verharren, "eingekesselt in den Katakomben" (Draxler).
Zuvor hatten während des Spiels heftige Detonationen das Stadion erschüttert. "Es war kein Böller, wie man ihn kennt", beschreibt der damalige Torwarttrainer Oliver Köpke den Moment der ersten Explosion. "Es war ein dumpfer Knall." Ihm sei ein "kalter Schauer über den Rücken" hinuntergelaufen, erklärt Moderator Matthias Opdenhövel. An Fußball sei "überhaupt nicht mehr zu denken" gewesen - erst recht nicht, als im Stadion erste Meldungen über die anderen Anschläge, unter anderem in der Konzerthalle Bataclan, die Runde machten.
Anschlagsopfer über Moment der Explosion: "Ich höre Schreie"
Was die Spieler und der Großteil der Zuschauerinnen und Zuschauer zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Unmittelbar vor dem Stadion hatten sich während der ersten Halbzeit zwei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. "Ich höre Schreie, höre auf einem Ohr nichts mehr, ich habe Einschüsse abbekommen", denkt Anschlagsopfer Bley Bilal Mokono im Film an den Moment der Explosion vor einem Sandwichladen gegenüber des Stadioneingangs zurück. Er habe nur an seinen Sohn gedacht, der gerade auf der Toilette gewesen sei, als die Bombe hochging. Sein Sohn überlebte - und nahm den geschockten Vater noch an der Unglücksstelle in den Arm: "Ich hatte das Gefühl, er wird zum Vater und ich zum Sohn."
Eindrücklich sind auch die Schilderungen Philippe Boutinaud, der eher zufällig im Stadion war. Von Kollegen wird der Generalleutnant der Pariser Feuerwehr über den Sachstand der Anschläge informiert, dann bahnt er sich einen Weg aus dem Stadion. "Da liegen Reste eines Körpers, der quer durchgetrennt ist", habe er einen toten Körper auf dem Gehweg erblickt - samt "Kabeln, die aus seinem T-Shirt auf Höhe der Taille rauskommen". Da sei ihm klar geworden, es handle sich um einen Terroranschlag.
Opdenhövel erlebte "längste und furchtbarste Autofahrt" seines Lebens
"Eine blutige Spur wurde durch Paris gezogen", bringt es der damalige Innenminister Thomas de Mazière im Sky-Film auf den Punkt. Insgesamt 130 Menschen starben bei der Anschlagsserie (de Mazière: "Es war eine Machtprobe"), mehr als 350 Menschen wurden verletzt. "Als man die Dimensionen mitbekommen hat, habe ich gemerkt, wie klein der Fußball ist", betont Matthias Ginter. Matthias Opdenhövel fügt hinzu: "Es war eine Stadt, die im Krieg war in dieser Nacht."