"Ich will mich nicht zum Opfer dieses Shitstorms machen": Im Gespräch mit Kurt Krömer hat Thilo Mischke sein Aus als "titel, thesen, temperamente"-Moderator aufgearbeitet. Er schilderte, wie nah ihm die Kontroverse ging und bedauerte den fehlenden Dialog mit der ARD im Nachgang seiner Absetzung.
Eigentlich sollte Thilo Mischke seit Jahresstart das ARD-Kulturmagazin "titel, thesen, temperamente" moderieren. Doch die zunächst "große Welle der Unterstützung und Freude", die Mischke nun rückblickend im Podcast "Feelings" beschrieb, verwandelte sich umgehend in einen Shitstorm mit dem Aus Mischkes beim TV-Format, ehe er überhaupt die erste Folge moderiert hatte. Der Grund: Dem Journalisten wurde aufgrund seines Romans "In 80 Frauen um die Welt" (2010) Sexismus vorgeworfen. Es folgte breite öffentliche Kritik, woraufhin die ARD die Reißleine zog und die Zusammenarbeit beendete.
Der Titel des Buches sei "von Anfang an ohne Diskussion" nicht gut gewählt gewesen, erklärte Mischke nun im Gespräch mit Gastgeber Kurt Krömer. "Ich wollte das nie, habe mich dagegen gewehrt, aber es nie geschafft." Dass er das Buch veröffentlicht habe, sei indes nichts Neues gewesen, das es rund um die "ttt"-Neubesetzung zu enthüllen gegeben hätte. Vielmehr seien das Buch und sein Umgang damit auch Teil der Gespräche mit der ARD gewesen. "Ich bin offen damit umgegangen mit den wirklich kritikwürdigen Inhalten", so Mischke, der "ttt" als "die perfekte Chance" für eine kritische Reflexion gesehen habe.
Thilo Mischke gesteht Kurt Krömer: "Ich sitze ganz klapprig vor dir"
Dass er von der ARD nun nicht in die angestrebte Aufarbeitung der Kontroverse einbezogen werde, bedauerte Thilo Mischke. Ihm sei es wichtig zu betonen: "Ich will mich nicht zum Opfer dieses Shitstorms machen." Denn, so fuhr er fort: "Das Geradestehen für dieses Buch ist mir wichtig." Besonders die "Wucht" der medialen Berichterstattung habe ihn überrascht, "von Kolleginnen und Kollegen, die mich kennen".
Speziell störte er sich daran, dass viele Behauptungen aufgestellt worden seien: "Es wurde wahnsinnig viel über meine Person gemutmaßt, ohne dass ich gefragt wurde." Diese Welle der Kritik habe ihn obendrein in einer Zeit erwischt, in der er gerade aus Syrien und von der "ziemlich härtesten Recherche emotional" heimgekehrt sei. Push-Nachrichten großer Medien, die Sexismus-Verfehlungen seinerseits anprangerten, hätten ihn da besonders hart getroffen: "Du bist so regungslos, wie eine riesige schwarze Welle, die über dir zusammenbricht."
Als Folge davon habe er sich zunächst von allem abgeschottet, so Mischke: "Du traust dich nicht auf die Straße. Du hast Angst vor allem." Auch bei der Aufzeichnung der Podcast-Folge, immerhin einige Monate nach den Negativschlagzeilen, räumte der Journalist gegenüber Kurt Krömer ein: "Ich sitze ganz klapprig vor dir."
"Ist nur Geschwätz": Kurt Krömer glaubt nicht an ARD-Aufarbeitung
Um die Verantwortung drücken wolle er sich nicht, betonte Thilo Mischke mehrfach. "Wir müssen Sexismus diskutieren, die Strukturen diskutieren. Der Journalist, der ich damals war, ist ein Produkt davon", forderte er. Gleichzeitig warb er um Verständnis, schließlich habe er sich in den letzten 15 Jahren "weiterentwickelt": "Ich dachte immer, dass die letzten 15 Jahre gereicht haben, um zu zeigen: 'Das bin ich nicht.'"
Nach der großflächigen Berichterstattung habe er sich zunächst zurückgezogen - auch, um seine Familie und Freunde zu schützen, denn: "Es betrifft mich und ein enormes soziales Umfeld." Mittlerweile sei er nach eigenem Bekunden "auf dem Weg der Besserung" - und will offensiv mit dem "ttt"-Aus umgehen: "Ich will nicht auf die Aufarbeitung der ARD warten." Kurt Krömer zeigte dafür Verständnis und vermutete: "Die kommt nicht, das ist doch nur Geschwätz."