Der Penner ist mein Vater

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Nimm du ihn
Erzählerisches Dramedy-Highlight im Ersten: Drei Geschwister um die 50 müssen ihren alten, lange verschollen geglaubten Vater aufnehmen (von links): Jule Böwe, Simon Schwarz und Andrea Sawatzki.
BR / Marc Reimann
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Enkeltochter Anabell (Anja Tillmann) ist die Erste in der Familie, die Kontakt zu Opa Xaver (Branko Samarovski) aufnimmt.
BR / die film gmbh / ORF / Marc Reimann
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Am Jahrmarkts-Schießstand bricht das Eis zwischen Vater Xaver (Branko Samarovski, rechts) und Sohn Dietrich (Simon Schwarz).
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Keine Verpflichtungen! Mareike (Andrea Sawatzki) und ihr Freund Frank (Andreas Pietschmann) verstehen sich eigentlich gut, aber Mareike ist bindungsscheu ...
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"Teambuilding" in der Familie: Xaver (Branko Samarovski, links), Sohn Dietrich (Simon Schwarz) und Enkelin Anabell (Anja Tillmann) genießen einen Kirmesbesuch.
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Eine Familie wird durch die Ankunft eines 80-Jährigen durcheinander gewirbelt (von links): Lehrerin Felicitas (Jule Böwe), Dietrichs Frau Carmen (Karolina Lodyga), Managerin Mareike (Andrea Sawatzki), Brokopp (Thomas Limpinsel), Mareikes Freund Frank (Andreas Pietschmann) und Dietrich (Simon Schwarz).
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Ein schnelles Abschieben des alten Vaters ist leider nicht möglich: Mareike (Andrea Sawatzki) muss Xaver (Branko Samarovski, rechts)auf Geheiß der Polizei ins Auto verfrachten.
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Keiner der Geschwister (von links) Felicitas (Jule Böwe), Mareike (Andrea Sawatzki) und Dietrich (Simon Schwarz) will anfangs glauben, dass es sich bei Xaver (Branko Samarovski) tatsächlich um ihren leiblichen Vater handelt. Beamtin Herta (Katharina Schüttler) muss den Fall trotzdem einer Lösung zuführen.
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In das Leben dreier Geschwister um die 50 tritt plötzlich ihr Vater, der sich einst früh vom Acker machte. Keiner will den alten Mann aufnehmen. Was sich nach klischeebeladener Klamotte anhört, ist in Wahrheit ein kluger, warmherziger Film über die Kraft des Familienlebens.

Mit Andenmütze und Zahnbürste in der Jacke seiner abgewetzten Sakkos kehrt der etwa 80-jährige Xaver (toll: der österreichische Burgschauspieler Branko Samarowski) nach Jahrzehnten aus Südamerika nach Deutschland zurück. Seine drei Kinder, die sich kaum noch oder gar nicht an ihn erinnern können, sind mittlerweile um die 50: die taffe Businessfrau Mareike (Andrea Sawatzki), der gestresste Autohändler und Familienvater Dietrich (Simon Schwarz) und Lehrerin Felicitas (Jule Böwe). Das Sozialamt bestimmt, dass sich die Geschwister um ihren alten, mittellosen Vater zu kümmern haben - obwohl sie von ihm bislang nie etwas gehört oder bekommen haben. "Nimm du ihn" - der Titel des Films weist natürlich darauf hin, was folgen wird. Das Erste wiederholt die charmante Komödie nun am Mittwochabend.

Niemand hat Lust auf den clochardhaften Senior, der sich jedoch mit zunehmendem Einleben als erstaunlich fit erweist. Da angeblich eine Suizidgefährdung vorliegt, darf Xaver nicht ins Heim abgeschoben werden. Also wechselt er hin und her zwischen den Haushalten seiner Kinder, die ihrerseits so manches Problem offenbaren: Der Teenagersohn von Felicitas (Anselm Haderer) spricht nicht mehr mit seiner Mutter. Autohändler Dietrich ist genervt vom Job, zudem hält ihn seine Frau für einen Waschlappen. Und Mareike? Ist der Typ "bindungsscheue Managerin", die sich mit einer Fülle von Terminen und Luxus umgibt, aber nicht weiß, ob sie die lose Beziehung mit ihrem etwas jüngeren, netten Kollegen Frank (Andreas Pietschmann) intensivieren soll.

Feinsinniger Humanismus

Selbst wenn es erwartbar scheint, dass der Senior aus der Fremde all die Dysfunktionalitäten im Leben seiner Sprösslinge enttarnt und therapiert, mit welcher Liebe, erzählerischer Sorgfalt und angenehm hochwertigem Schauspiel dies passiert, ist schon erstaunlich. Die warmherzige Familienkomödie ist trotz ihres klamottigen Titels ein echtes Kleinod unter den Fernsehfilmen. Dass hier zwar mit Klischees gespielt, sie aber nicht bedient werden, liegt an den Machern des Programms.

Regisseur und Co-Drehbuchautor Michael Hofmann, Jahrgang 1961, drehte im Lauf seiner Karriere nur wenige Filme, die aber fast allesamt mit Preisen ausgezeichnet wurden: "Der Strand von Trouville", "Sophiiiie!" oder "Seit du da bist" sind Werke, die sich große Liebe zu ihren Figuren, eine melancholische Grundhaltung zum Leben und feinsinnigen Humanismus auszeichnen. In "Nimm du ihn" werden selbst kurz angerissene Nebenfiguren (unter anderem verkörpert von Katharina Schüttler und Martin Brambach) stets interessant erzählt und nie mit stanzenhaften Drehbuch-Füllseln abgekanzelt.

Dass mit Co-Drehbuchautor Bert Koß ("Zuckersand") noch ein Grimmepreisträger mit an Bord war, hat dem Projekt einer Familien-Dramedy mit extra viel Wärme und angenehmem Tiefgang sicher nicht geschadet. Wenn schon Familienfilme, liebes altmodisches öffentlich-rechtliches Fernsehen, dann bitte mehr von dieser Qualität!

Nimm Du ihn - Mi. 21.05. - ARD: 20.15 Uhr