Telefonaktion zur Vorsorgevollmacht: Wer entscheidet über mein Leben?

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Mario-Christian Schmidt leitet die Betreuungsstelle der Stadt Bamberg. Er ist Experte für Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen. Foto: p
Mario-Christian Schmidt  leitet die  Betreuungsstelle der Stadt Bamberg. Er ist Experte für Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen. Foto: p

Wenn der Ernstfall eintritt, hilft eine Vorsorgevollmacht bei Entscheidungen. Infos zu diesem Thema gab es an unserem Expertentelefon.

Ein Unfall oder eine schwere Erkrankung können im Bruchteil von Sekunden das Leben verändern. Was passiert, wenn der Ernstfall eintritt? Wenn jemand nicht mehr ansprechbar ist, keine Entscheidungen treffen kann? Dann wird es ernst: Wer nicht vorgesorgt hat, wird zum Objekt gerichtlichen Handelns - ohne darauf Einfluss nehmen zu können. "Das muss nicht sein", sagt Mario-Christian Schmidt, Leiter der Betreuungsstelle der Stadt Bamberg. "Man braucht sich einfach nur schon in gesunden Tagen um diese Themen zu kümmern."

Viele Menschen tun das, wie die große Resonanz auf unsere Telefonaktion zeigte. Pausenlos klingelten interessierte Leser an und informierten sich bei unserem Experten über notwendige Dokumente wie die Vorsorgevollmacht oder rechtliche Betreuungsverfügung. Im Folgenden fassen wir ihre wichtigsten Fragen und die Antworten von Mario-Christian Schmidt zusammen. 1.Ich bin erst 42 Jahre alt. Sollte ich mich wirklich schon jetzt mit den Konsequenzen aus einem Unfall oder Schlaganfall auseinandersetzen?Ja. Sorgen Sie rechtzeitig vor. Im Ernstfall dürfen Sie nicht einmal von Ihrem Ehepartner oder Ihren Kindern gesetzlich vertreten werden, wenn rechtsverbindliche Erklärungen oder Entscheidungen gefordert sind. 2.Wann können Angehörige entscheiden oder Erklärungen abgeben?Das ist für Volljährige nur in zwei Fällen möglich: aufgrund einer Vorsorgevollmacht oder als gerichtlich bestellter Betreuer. 3.Was passiert denn, wenn ich keine Vollmachten habe?Im Normalfall errichtet das Betreuungsgericht eine Betreuung und ein Angehöriger wird zum Betreuer bestellt. Möchte oder kann niemand aus dem persönlichen Umfeld diese Aufgabe übernehmen, wird ein Berufsbetreuer bestellt. Dies sind meist frei niedergelassene Sozialpädagogen oder Mitarbeiter von Betreuungsvereinen. 4.Wer aus dem persönlichen Umfeld könnte eine Vollmacht übernehmen? Grundsätzlich muss eine zu bevollmächtigende Person das absolute Vertrauen genießen. Man muss sich bewusst sein, dass eine allumfängliche Vollmacht sofort ab Unterschrift gültig ist und missbraucht werden könnte. Im Falle einer Vollmacht gibt es keine Überwachungsinstanz, wie das bei einer gesetzlichen Betreuung das Betreuungsgericht übernimmt. Insofern gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen selbstbestimmter Vollmacht und gerichtlich eingesetzter Betreuung. 5.Wie kann ich mich vor Missbrauch schützen, wenn ich mir selbst jemand zur Betreuung aussuche?Wenn Sie keine vertrauenswürdige Person haben, setzen Sie vielleicht besser auf eine rechtliche Betreuung, zum Beispiel durch einen Berufsbetreuer. 6.Wo hinterlege ich eine Vorsorgevollmacht? Dafür gibt es drei verschiedene Varianten, die aber auch miteinander kombinierbar sind. Erstens können Sie die Vollmacht natürlich bei Ihren eigenen Akten einordnen. Der Bevollmächtigte kann diese bei Bedarf an sich nehmen. Zweitens kann man die Vollmacht schon im Voraus an den Vollmachtnehmer aushändigen, welcher das Dokument vertrauensvoll bei Bedarf verwendet. Zusätzlich können Daten der Vorsorgevollmacht beim zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer in Berlin hinterlegt werden. Darauf haben die Juristen der Amtsgerichte rund um die Uhr online Zugriff. 7.Falls keine Vorsorgevollmachten da sind, ist dann die Bestellung eines Betreuers die letzte Möglichkeit?Die Betreuungsstelle teilt dem Gericht die Betreuungsbedürftigkeit einer Person mit und prüft, ob eventuell betreuungsvermeidende andere Hilfen vorhanden sind. Dies könnten zum Beispiel Beratungsstellen wie sozialpsychiatrischer Dienst, Sozialberatung, Seniorenberatung und ambulante Wohnformen sein.

8.Was ist, wenn ich meine Meinung ändere: Kann ich eine Vorsorgevollmacht wieder rückgängig machen? Solange man voll geschäftsfähig ist, kann man eine Vorsorgevollmacht jederzeit widerrufen - beispielsweise ganz einfach, indem man die Urkunde schreddert. 9.Wie wird sichergestellt, dass ein Betreuer geeignet ist?Die Betreuungsstelle muss überprüfen, ob die vorgeschlagene Person für eine Betreuung geeignet ist. Dies trifft sowohl für Berufsbetreuer als auch für ehrenamtliche Betreuer zu. Eine Ausbildung für Berufsbetreuer gibt es derzeit nicht, weshalb die Betreuungsstelle als Überprüfungsinstanz so wichtig ist. 10.Wie steht es um die Gültigkeit einer Vorsorgevollmacht, die zum Beispiel vor fünf Jahren erstellt worden ist?Natürlich ist die Vorsorgevollmacht weiterhin gültig. Es gibt kein Verfallsdatum. Es ist empfehlenswert, den Umfang und Inhalt der Vorsorgevollmacht regelmäßig zu überprüfen. Vor allem weil der Grundsatz gilt, dass die bevollmächtigte Person weiterhin die absolute Vertrauenswürdigkeit genießt. 11. Wann muss eine Vorsorgevollmacht beglaubigt werden? Die Beglaubigung einer Vollmacht ist vor allem bei Grundstücksangelegenheiten und Immobiliengeschäften mit Beteiligung des Grundbuchamts zwingend erforderlich. 12.An wen wende ich mich, wenn ich eine Vorsorgevollmacht beglaubigen lassen möchte?Eine öffentliche Beglaubigung kann von der kommunalen Betreuungsstelle vollzogen werden. Bei der örtlichen Gemeinde oder Stadt kann erfragt werden, wo eine Beglaubigung stattfinden kann. Ebenso sind Beglaubigungen beim Notar des Vertrauens möglich. 13.Meine Oma leidet an Demenz. Kann sie in diesem Zustand noch eine Vorsorgevollmacht erstellen?Nein. Zur Erstellung einer Vorsorgevollmacht ist die Geschäftsfähigkeit und Volljährigkeit Grundvoraussetzung, um dadurch einen freien Willen äußern zu können. 14.Kann im Ernstfall etwas gegen meinen Willen geschehen?Bei vorliegender Geschäftsfähigkeit ist es nicht möglich, gegen den Willen eines Menschen eine Betreuung zu errichten. Bei fehlender Krankheitseinsicht, zum Beispiel wenn jemand dement ist oder psychisch krank, kann zum Schutz des Menschen auch gegen den Willen eine rechtliche Vertretung eingesetzt werden. Ein demenzkranker Mensch zum Beispiel kann oftmals nicht mehr für sich selber bestimmen, welche Situationen gefährlich für ihn sind. Im Extremfall sind freiheitsentziehende Maßnahmen unumgänglich, zum Beispiel Bettgitter, Bauchgurt oder beschützende Unterbringung. Diese Maßnahmen müssen zusätzlich gerichtlich genehmigt werden und können sowohl vom Bevollmächtigten als auch dem rechtlichen Betreuer bei Gericht beantragt werden.