Italienische Küche gar nicht so traditionell?
Einer der Kritiker ist der Historiker Alberto Grandi, der mit steilen Thesen zur italienischen Küche immer wieder für emotionale Furore in seiner Heimat sorgt. Seine These: Die «cucina italiana» ist gar nicht traditionell, sondern nur einige Jahrzehnte alt und auf gutes Marketing zurückzuführen. «Man kann sagen, dass fast alles, was über die italienische Küche gesagt wird, falsch ist», sagt Grandi der Deutschen Presse-Agentur.
Der 56-Jährige wurde bekannt mit seinem Buch «Denominazione di Origine Inventata (DOI)» (italienisch für: erfundene Herkunftsbezeichnung) - eine Verballhornung des DOP-Siegels für italienische Waren, das für die geschützte Herkunftsbezeichnung steht. Inzwischen macht er unter dem Namen DOI auch einen Podcast.
Carbonara und traditioneller Parmesan aus den USA
Von der Pizza hätten die meisten Italiener erst in den 1950er Jahren gehört, so Grandi. Die Carbonara sei ursprünglich ein amerikanisches Gericht, Tiramisù und Panettone hält er für relativ neue Erfindungen. Der beste Parmesan - benannt nach der Region rund um Parma in Norditalien - werde eigentlich im US-Bundesstaat Wisconsin produziert. Die beliebten Pachino-Tomaten - nach Pachino im Süden Siziliens benannt - seien von Forschern in Israel gezüchtet worden.
Die Italiener wollen, so Grandi, die Weiterentwicklung ihrer Küche aufhalten. Dabei zeige die Geschichte, dass die Gerichte, die heute als hundertprozentig italienisch angesehen werden, in Wirklichkeit das Ergebnis von Kreuzungen, Vertauschungen und Nachahmungen seien. «Die Italiener haben der Welt nicht beigebracht, wie man kocht, sondern sie haben das als Migranten in den Ländern gelernt, in denen sie gearbeitet haben.»
Kritik an Grandis Thesen auch von Regierung in Rom
Mit seinen Thesen eckt er in Italien an. Ein Interview in der britischen Zeitung «Financial Times» im vergangenen Jahr rief sogar die Regierung in Rom auf den Plan. «Ich glaube, dass die Küche heute das letzte Element der Identität ist, das den Italienern geblieben ist. Deshalb werden sie sehr wütend, wenn die Geschichte unserer Rezepte in Frage gestellt wird», so Grandi. «Italien möchte die Zeit anhalten, in einer ewigen Gegenwart leben, ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. Aber genau diese Haltung wird unser Image zerstören.»
Der Historiker bezweifelt auch, dass ein Welttag sowie Pasta im Weltall der traditionellen Kochkunst einen Gefallen tun. Der Internationale Tag der italienischen Küche sei einfach eine weitere Werbeinitiative. Auch das Pasta-Projekt im Weltall sei ähnlich. Diese PR-Clous sind Grandi zufolge allerdings keine Spezialität von Melonis Rechtsregierung. «Tradition und Küche sind Querschnittsthemen, auf denen selbst die Linke in gewissem Maße herumreitet.»
Es bleibt abzuwarten, ob die fertigen Menüs den ISS-Astronauten schmecken - und ob die Initiative Italien einen Schritt näher an das Unesco-Weltkulturerbe bringt.