Anfang Oktober 2006 dann die Diagnose: akute Leukämie, die ganz schlimme Art. Kurz darauf fiel er ins Koma. Am 12. Oktober war er tot. Bald danach begann der Weg zum Heiligen, gefördert von der Kirche und den Eltern. Mehrfach wurde der Leichnam umgebettet, von einem Dorffriedhof bis in die Wallfahrtskirche Santa Maria Maggiore nach Assisi. Vergangenes Jahr kamen eine Million Menschen dorthin, auch viele Schulklassen.
Ein Toter in Jeans und Turnschuhen
Seine sterblichen Überreste liegen nun in einem Sarkophag mit Glasscheibe, durch die man hineinschauen kann. Der tote Junge trägt Jeans und Turnschuhe. In die Hände hat man ihm einen Rosenkranz gelegt. Gesicht und Hände wurden mit Silikon nachmodelliert. Gegenüber steht eine steinerne Bank für Besucher, die länger bleiben wollen. Aber die meisten gehen doch eher schnell vorbei. Fotografieren ist verboten.
Selig- und Heiligsprechungen laufen nach einem komplizierten, mehrstufigen Verfahren ab. Dafür wird das Leben der Kandidaten durchleuchtet. Einst begann das frühestens 50 Jahre nach dem Tod. Heute kann es sehr schnell gehen. In der Regel ist erforderlich, dass dem potenziellen Heiligen ein Wunder zugeschrieben werden kann. Bei Acutis wertete die zuständige Vatikan-Behörde die Heilung eines Kindes aus Brasilien und einer jungen Frau aus Costa Rica in diesem Sinne.
Die Erhebung in den Heiligenstand hat also durchaus Tradition. Aus dem Religionsunterricht hat man die heiligen Apostel (elf nur, Judas Iskariot nicht) in Erinnerung, Sankt Nikolaus, Sankt Martin, die Heilige Barbara oder Hildegard von Bingen. In jüngerer Zeit kamen Mutter Teresa oder Papst Johannes Paul II. hinzu. Inzwischen gibt es an Heiligen mehr als 10.000. Allein Franziskus zeichnete für fast 1.000 verantwortlich.
Ein Schulfreund sät Zweifel
Manchen geht die Heiligwerdung inzwischen arg schnell. Zudem gibt es bei Acutis Zweifel, ob er tatsächlich so fromm war. Einer seiner besten Schulfreunde, Federico Oldani, erzählte der Wochenzeitung «The Economist», dass er mit Carlo kein einziges Mal über Jesus gesprochen habe. Auch den Satz «Die Eucharistie ist meine Autobahn in den Himmel», der seinem toten Freund nun überall zugeschrieben wird, hörte Oldani nie.
Was nichts daran ändert, dass viele in Assisi mit dem neuen Heiligen schon gutes Geld verdienen. In den Souvenirgeschäften ist so gut wie alles im Angebot: Jutebeutel, T-Shirts, Medaillons, Anhänger, Rosenkränze, sogar Kühlschrankmagneten. Der Preis für eine Figur in Standardgröße: um die 45 Euro. Auf Bestellung kann man sich Carlo Acutis aber auch in Lebensgröße schnitzen lassen, für 5.000 Euro.
Auch im Verkaufsraum der Kirche, in der Acutis nun liegt, gibt es Figuren von ihm. Der Rektor der Gemeinde, Franziskanerpater Marco Gaballo, sagt: «Die Leute wollen etwas haben, an das sie sich erinnern können. Dann ist das in Ordnung für mich.» Zudem wird auch online Geld gemacht. Auf Webseiten sind vermeintliche Reliquien im Angebot. Eine Locke, die angeblich von Acutis stammt, wurde kürzlich für 2.110 Euro verkauft. Das war der Kirche doch zu viel. Der Bischof von Assisi, Domenico Sorrentino, stellte Strafanzeige. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.