Im Herbst war die ewige Staatspartei auf dem Gipfel - und konnte vor Kraft kaum laufen. Chef Horst Seehofer rief zur Ordnung, aber der Start geriet recht holprig.
Am morgigen Samstag trifft sich die CSU zu ihrem kleinen Parteitag in Bamberg. Geht es nach der üblichen Parteitagslyrik, dann ist alles bestens bereitet für ein Hochamt: Nach den Wahlerfolgen im Herbst sieht sich die CSU bestätigt als "die Partei für Bayern". Die von ihrem Chef Horst Seehofer ausgerufene "Koalition mit den Bürgern" will sie nun fortsetzen "in Bayerns Städten, Gemeinden und Landkreisen". Es geht also, unschwer zu erkennen, um die Kommunalwahlen im März. Bei deren letzter Auflage hat die CSU schmerzliche Verluste hinnehmen müssen, aber: Dies wird sich schon richten, meint sie, denn die Partei kann ja wieder allein regieren im Freistaat, und von diesem Gipfel der Macht fällt der Blick auf das Bayernland zuversichtlich aus. Dennoch stolpert die CSU nun in den Mühen der Ebene.
Zu viele Bürger wollen gar nicht ihre Koalitionspartner sein, sondern regen sich, gerade im ländlichen Raum, auf über das Durcheinander um Lehrerstellen an ihren Schulen und, von Nord nach Süd, über neue Stromtrassen mitten durch ihre Heimat.
Es hätte so schön sein können: Weihnachten und Neujahr verbrachte die CSU, vom Fußvolk bis hinauf zu Horst Seehofer, im wohligen Gefühl ihrer wieder gewonnenen Rolle als ewige Staatspartei in Bayern. Und dann, im Januar, wärmte das Kreuther Lagerfeuer wirklich: Die eine Umfrage zeugte von einer in anderen Bundesländern unerreichbaren Zufriedenheit der Bayern. Die andere verhieß der SPD den Rückfall ins ewige Elend und der CSU die magischen 50 Prozent.
Dabei verfügt sie im Landtag jetzt schon, mit 101 von 180 Sitzen, über eine satte Mehrheit.
Auf in die Kommunalwahl
Also: Auf in die Kommunalwahl. Zwar gibt es in Nürnberg keinen Blumentopf zu gewinnen gegen Oberbürgermeister Ulrich Maly, aber sein SPD-Kollege Christian Ude geht in München ab, und dort keimt ein kleines Pflänzchen Hoffnung. Und außerhalb der Metropolen schaut's ja richtig gut aus: Finanzminister Markus Söder hat das Geld, das der Freistaat in den Finanzausgleich für die bayerischen Kommunen schüttet, auf eine selbst von der SPD kaum kritisierbare Rekordsumme erhöht.
Soweit der Plan.
Neben den üblichen medienwirksamen Pannen - zu denen ein Miesbacher Landrat namens Jakob Kreidl samt falschem Doktortitel und öffentlich finanzierter Geburtstagssause gehört - tun sich aber drei Baustellen auf, die im glanzvollen Bayernplan der CSU so nicht vorkamen.
Erstens könnte es gut sein, dass Markus Söder das Geld ausgeht. Richter, die über den Anspruch der Landesbank BayernLB auf österreichische Milliarden entscheiden, könnten ein Loch stechen in den ohnehin aufgeblähten Staatshaushalt. Beim Ausbleiben des gewohnt warmen Regens aber droht ein Verdorren des Bürgerwillens zu einer Koalition mit der CSU.
Keine Ruhe an der Bildungsfront
Zweitens hat die CSU den alten Kernsatz immer noch nicht gelernt, nach dem sich mit der Bildungspolitik Wahlen kaum gewinnen, aber jederzeit verlieren lassen.
Zwar hat Ministerpräsident Horst Seehofer in seiner Regierungserklärung Ruhe an der Bildungsfront verkündet, aber die hielt nicht lange. Ihm kam die Diskussion um verbleibende Lehrerstellen in die Quere, die sich im ländlichen Raum bei kleinen Schulen mit sinkenden Schülerzahlen verheerend auswirkt. So sehen dies jedenfalls Lehrer und Eltern, die, beide, nie genug Planstellen haben können. Dagegen ließe sich durchaus argumentieren - nicht aber dann, wenn der zuständige Minister Ludwig Spaenle nichts schlüssig erklären und schon gar nicht belastbare Zahlen nennen kann.
Drittens: Da wäre Wirtschaftsministerin Ilse Aigner an der Reihe. Ihr aber ist zugute zu halten, dass sie zu ihrem Kernthema Energiewende gar nichts sagen darf ohne tagesaktuelle Anweisung ihres Chefs Horst Seehofer.
Der aber spürt, dass seine Koalition mit dem bayerischen Bürger durchschnitten wird von Stromtrassen - und befiehlt Pause.
Markus Rinderspacher, Chef der Landtags-SPD, hat Horst Seehofer bereits den Beginn eines schleichenden Machtverlusts ins Gesicht gesagt. Seehofers müdes Lächeln und das pflichtschuldige Gelächter in seiner Fraktion können über eines nicht hinwegtäuschen: Weit gefährlicher als Rinderspachers Wunschdenken kann für Seehofer die Stimmung in den eigenen Reihen werden. Da regt sich, verhalten noch, aber seit Jahren schon, Ingrimm über einen harschen Führungsstil, der bisher, im Nachhinein jedenfalls, nur Strauß und Stoiber zustand.
Dort, in deren Reihe, will Horst Seehofer gern hin. Vor ihm aber liegen einstweilen die Mühen der Ebene.
Eine Analyse des Kabinetts:
Christine Haderthauer
Staatskanzlei
Als Chefin der Staatskanzlei sitzt sie in der bayerischen Machtzentrale. Macht kann sie. Nun hat sie zwar viel davon, aber wenig Gelegenheit zu publikumswirksamen Auftritten, denn die Sonne Seehofer scheint lieber selbst. Immerhin darf sie aus den Sitzungen des Kabinetts berichten. Wichtiger noch: Dem Chef gefällt ihr energischer Umgang mit seinem Apparat. Sie ist avanciert zu Horst Seehofers Lieblingsgehilfin. Tendenz: steigend
Beate Merk
Europa
Als Europaministerin ebenfalls angesiedelt in der Staatskanzlei, hat sie dort nichts zu melden. Krach mit Brüssel oder Berlin erledigt der Chef lieber selber. Als Justizministerin hat Merk schon deshalb kläglich agiert, weil sie ihr Haus nicht im Griff hatte. Ihr Überleben im Kabinett samt neuer Aufgabe verdankt die Schwäbin vor allem der von Proporzdenken geleiteten Personalpolitik der CSU. Tendenz: fallend
Joachim Herrmann
Inneres
Der unangefochtene Schwarze Sheriff der CSU. Ruhig und souverän kümmert er sich selber um heikle Themen wie den Drogenimport aus Tschechien oder die wachsende Zahl der Wohnungseinbrüche. Hier sind Erfolge zwar nur schwer zu erzielen, aber Herrmann strahlt Vertrauenswürdigkeit aus. Er ist auch in diesem Kabinett ein unverzichtbarer Fels in der Brandung. Ministerpräsident aber, selbst wenn er dies immer noch wollen sollte, wird er wohl nicht mehr werden. Tendenz: stabil
Winfried Bausback
Justiz
Wenn man ihn anspricht auf seine Aufräumarbeiten im Justizministerium, sagt er möglichst wenig. Der ebenso sachkundige wie besonnene Unterfranke handelt lieber. Zudem geht er mit dem Thema Doping eine Baustelle an, die ansonsten, außer in Sonntagsreden, gern gemieden wird. Die Überraschung über seine Berufung weicht wachsender Anerkennung. Horst Seehofer freut sich über seine Entscheidung, und er hat Grund dazu. Bausback ist ein Aktivposten in seinem Kabinett. Tendenz: steigend
Ludwig Spaenle
Kultus und Wissenschaft
Gebildet, gescheit, weltoffen: Der nun neben den Schulen auch für die Unis zuständige Spaenle bringt alles mit. Aber er bringt die CSU nicht aus ihrer bildungspolitischen Defensive. Mag ja sein, dass er weiß, was er will, aber: Schlüssig erklären kann er es nicht. Die Lehrerstellen-Diskussion ist ein für ihn und sein Haus typisches Kommunikationsdesaster. Er wäre der erste Wackelkandidat, wenn seine Münchner CSU nicht gerade den wichtigsten OB-Wahlkampf zu bestehen hätte. Tendenz: fallend
Markus Söder
Finanzen
Es gab ja CSU-Generalsekretäre, die ihren in diesem Wadlbeißer-Amt erworbenen Ruch mangelnder Seriosität schneller wieder los wurden. Das Finanzministerium bietet Söder eine ideale Bühne dafür, aber er schießt halt gelegentlich immer noch gern aus der Hüfte. Dennoch: Seine Sachkunde ist unbestritten. Auch, wenn die Oberbayern sich mit Schrecken erinnern an den letzten fränkischen Ministerpräsidenten Beckstein: Der aussichtsreichste Bewerber um Seehofers Nachfolge ist derzeit Söder. Tendenz: steigend
Ilse Aigner
Wirtschaft
WirtschaftEine Bilderbuch-Bayerin hat Probleme im Freistaat. Als Kronprinzessin aus Berlin eingeflogen, ist sie ziemlich unsanft in der Münchner Schlangengrube gelandet. Nicht nur, dass sie ihr Wirtschaftsministerium nicht in den Griff bekam und die dort angesiedelte Energiewende gleich gar nicht: Aus der Landtagsfraktion, die sie gern geführt hätte, sind vergiftete Komplimente zu hören, und Seehofer ist bisher nur zufrieden mit dem verbesserten Ergebnis ihrer oberbayerischen CSU bei der Landtagswahl. Stellvertretende Ministerpräsidentin ist Ilse Aigner schon. Nach mehr schaut es derzeit nicht aus. Tendenz: ungewiss
Marcel Huber
Umwelt
Da wäre ein weiterer Kronprinz, denn der stets ruhige und sowieso uneitle Oberbayer Huber ist, als Politiker, eine Art Gegenentwurf zum fränkischen Treibauf Söder. Mit der menschlich angenehmen Zurückhaltung kann man es aber auch übertreiben. Wo ist Huber? In irgendwelchen Poldern vielleicht, denn der Hochwasserschutz kommt nicht recht voran. Sein Kampf gegen den Genmais scheint ohnehin verloren. Dennoch: Hier wird einer unter Wert gehandelt. Tendenz: steigend
Melanie Huml
Gesundheit
Sie ist nicht nur das Küken im Kabinett, sondern musste sich ihr neues Gesundheitsministerium erst einmal aufbauen. Nicht zu unterschätzen sind auch die Herausforderungen, vor denen die junge Bamberger Ärztin nun steht: Sie muss, nicht nur gesundheits-, sondern strukturpolitisch wichtig, die wohnortnahe medizinische Versorgung im ländlichen Raum sichern. Ihre Bemühungen um die Aufwertung der Pflegekräfte stecken in „ergebnisoffenen“ Gesprächen. Tendenz: ungewiss
Helmut Brunner
Landwirtschaft
Landwirtschaftspolitik zwischen den Mühlen der EU und den Forderungen der bayerischen Bauern braucht Standfestigkeit und Geduld. Der Bayerwäldler verfügt über beides, samt Leidensfähigkeit. Brunner, der gern unterschätzt wird wegen seiner bedächtigen Art, gelang zudem ein Befreiungsschlag: Bei der nationalen Umsetzung der EU-Agrarreform erzielte er einen beachtlichen Erfolg für die kleinen bayerischen Bauern. Viel Aufhebens machte er nicht davon, aber der Respekt ist ihm sicher. Tendenz: stabil
Emilia Müller
Soziales
Als Wirtschaftsministerin war die Oberpfälzerin überfordert, und als Europaministerin blieb sie farblos. Nun aber straft sie diejenigen Lügen, die ihre erneute Berufung ins Kabinett nur dem Regionalproporz und der Frauenquote zuschrieben. Müller, als Sozialministerin auch zuständig für Integration, arbeitet hart an der Verbesserung der Lebensbedingungen von Asylbewerbern. Sie gewinnt auch in den betroffenen Kommunen Anerkennung bei einem Thema, das in der CSU besonders schwierig ist. Tendenz: stabil(er)